Enby Q&A: 4

Jeden Mittwoch veröffentlichen wir hier eine Frage und Antwort (“Q&A”) zu Nicht-Binären (“Enby”) Geschlechtern. Unser_e Gastautor_in ist Sasha. Es ist nichtbinär, das bedeutet, dass es weder männlich noch weiblich ist. Zu diesem Thema erreichen es immer wieder Fragen, die wir hier mitsamt den Antworten veröffentlichen dürfen. Sasha betreibt außerdem die Webseite https://geschlechtsneutral.wordpress.com

Frage:
Wann kam bei dir das Bewusstsein auf, dass du dich nicht mit einem der binären Geschlechtern identifizieren kannst, und dich stattdessen als neutrois zu bezeichnest?

Antwort: Das war ein schleichender Prozess.
Meine Kindheit war zum Glück dank der eher offenen Erziehungseinstellung meiner Eltern wenig von Geschlechterstereotypen geprägt. Ausserdem war ich schon sehr früh bekannt dafür, bei allen Themen mein eigenes Ding zu machen und notfalls mit dem Kopf durch die Wand zu gehen dafür. Geschlechterkram fiel da wohl nicht speziell auf, auch mir nicht.
In der Pubertät hörte das aber auf. Dass mein Körper sich veränderte fand ich anfangs noch auf eine wissenschaftlich-analytische Art faszinierend. Aber nur bis mir klar wurde, dass ich diese Veränderungen jetzt mein ganzes Leben lang würde mit mir herumtragen müssen. Und vor allem, dass meine Umwelt an meinen neuen Körper bestimmte Annahmen und vor allem Verpflichtungen knüpfte. In dieser Zeit wurde mir zum ersten Mal bewusst, dass ich in eine Schublade gedrängt werde, in die ich nicht passe. Dass ich mich mit dem mir angepappten Label nicht identifizieren kann.

Diese Zeit war geprägt von Umzügen und Schulwechseln, und ich nutzte jeden Wechsel dazu, eine neue Strategie auszuprobieren. Die erste Strategie war verstecken. Unter Kleidung, in Ecken geflüchtet, mit leise sprechen, mit laut sprechen, mit ablenken.. Schulsport wurde zur Qual, Umkleidekabinen waren zum Gucken interessant aber zum gesehen und in eine Kategorie gedrängt werden eine Katastrophe, und ich kann mich nicht erinnern, in dieser Zeit Schultoiletten genutzt zu haben.
Die zweite Strategie war anpassen. Ich orientierte mich an den offenbar beliebtesten meiner angeblichen Geschlechtsgenossen, und versuchte sie zu kopieren. Ich freundete mich an, liess mich beraten, machte alles so genau wie möglich nach.. ..und versuchte zwischen denen die ich mochte und jenen die alle mochten meinen eigenen Stil zu finden. Aber irgendwie fand ich nur die Gewissheit, in keine dieser Welten zu gehören.

Mit 15 oder 16 stiess ich im Internet und kurz darauf auch im Bekanntenkreis auf das Thema Transsexualität. Da machte es zum ersten Mal Klick. Endlich hatten meine Gefühle einen Namen. Es war so eine Art Erleuchtung, zu erfahren dass andere Leute auch mit Dysphorie kämpfen und dass es das tatsächlich gibt, sich mit dem zugeschriebenen Geschlecht nicht identifizieren zu können.

Aber dennoch.. so sehr die Problembeschreibung auf mich zutraf, wenn es um die Lösung ging, dann fühlte ich mich als würde ich betrügen. Ich habe das sehr lange auf Fake-Vorwürfe geschoben, die selbstverständlich aufkommen, wenn eins sich im Internet als „anderes“ Geschlecht „ausgibt“, wie ich es in der Zeit gemacht habe. Aber irgendwann musste ich akzeptieren, dass ich „das andere Geschlecht“ zwar als Teil meiner Identität brauche und es gut tut, das im Freundeskreis ausleben zu können, dass ich mich aber effektiv an „beiden Polen“ nicht wohl fühle. Wie es dann weiterging kannst du im Blogpost „mein Leben in 5 Kapiteln“ nachlesen.

Eine Antwort

  1. 24. Dezember 2018

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