Kummerkasten Antwort 82 – Was tun gegen Misgendering?
Hallo, ich bin seit 1,5 Jahren geoutet und habe vor etwas über einem Jahr mein Pronomen geändert zu “es” und habe meine Familie drum gebeten, das zu benutzen. Aber ich habe das Gefühl, dass die sich lieber die Zunge rausreißen würden als mich nicht zu misgendern, denn nicht ein einziges Mal haben sie mein Pronomen benutzt (außer um mich zu manipulieren wenn ich was für sie tun sollte). Auch benutzen sie ständig binär gegenderte Nomen für mich wie Bürger oder Schülerin. Ich fühle mich mit beidem nicht wohl, lieber hätte ich diese Wörter umschrieben oder mit Sternchen oder so gegendert, aber die geben mir das Gefühl das alles wäre zuviel verlangt und nur ein paar Sonderwünsche. Generell stehen die sehr auf generische Maskulina. All das tut ziemlich weh und ich weiß nicht was ich tun soll. Manchmal überlege ich ob ich sie einfach ganz aus meinem Leben schneide. Könnt ihr helfen?
Hallo liebe*r Unbekannte*r,
es tut uns furchtbar leid zu hören, dass dein Geschlecht und deine Pronomen von den Menschen, die dir nahe stehen nicht respektiert werden. Das muss sehr weh tun, und deine Gefühle dazu sind vollkommen verständlich. Es ist definitiv nicht zu viel verlangt, dass die Menschen um dich herum Sprache verwenden, die dich nicht verletzt und mit der du dich wohl fühlst. Menschen passen ständig ihre Sprache an, je nachdem, mit wem sie reden – niemand spricht mit der Chefin gleich wie mit den Freund*innen, oder mit der Oma so wie mit der Clique – nur bei trans und nichtbinären Menschen tun plötzlich alle so, als sei es ein riesiger Aufwand und viel zu viel verlangt, und das ist schlicht und einfach transfeindlich.
Es ist schwierig zu sagen, wie du damit umgehen kannst. Wir haben hier mal ein paar Ideen gesammelt:
Du kannst nochmal versuchen, mit den Leuten darüber zu reden, wie sehr dich ihr Verhalten verletzt. Vielleicht hilft es dabei auch, ihnen die Konsequenzen ihres Handelns klar zu machen: Du kannst ihnen sagen, dass du nicht mehr gerne Zeit mit ihnen verbringst, wenn sie deine Bedürfnisse nicht ernst nehmen, und dass du darüber nachdenkst, den Kontakt abzubrechen. Es kann dann allerdings leider auch passieren, dass sie nach wie vor nicht verstehen, wie ernst es dir ist, und dass dann die Situation noch angespannter wird.
Was auch gut sein kann, ist den Menschen in deinem Umfeld mehr Informationen zur Verfügung zu stellen – was bedeutet es, nichtbinär zu sein? Welche anderen Leute verwenden auch es-Pronomen? Was ist misgendering und warum ist es so schädlich? Zu diesen und ähnlichen Themen gibt es Informationen, Artikel und Erfahrungsberichte online, vielleicht hilft es, mit deinen Verwandten andere Quellen zu teilen, die deine Position verdeutlichen. Es kann hilfreich sein, wenn solche Informationen nicht immer nur von dir kommen, sondern manchmal etwas indirekter – das nimmt dir Arbeit ab und lässt anderen die Möglichkeit, die Sache mit etwas Abstand und aus einem anderen Blickwinkel zu betrachten.
Manche Menschen hören auch einfach auf zu reagieren, wenn Menschen sie mit dem falschen Namen oder falschen Pronomen ansprechen. Das ist eine etwas witzige, aber auch trotzige Art, mit misgendering umzugehen. Ab und zu mal frech nachzufragen, “Wer ist sie/er überhaupt? Von wem redet ihr da die ganze Zeit?” oder halt in Gesprächen einfach nicht mehr zu reagieren, bis die richtige Sprache für dich verwendet wird, ist eine passive und einfache Art, den anderen klarzumachen, dass sie falsch handeln. Oder du nimmst dir eine andere Person (oder mehrere) mit, die penetrant verbessert, wenn andere die falschen Pronomen verwenden. Das zeigt deiner Verwandtschaft, dass es durchaus kein Ding der Unmöglichkeit ist, dich richtig und respektvoll anzusprechen.
Falls du aber das Gefühl hast, dass nichts wirklich hilft und dass diese Menschen dir nach wie vor bewusst wehtun, dann kann es auch gut sein, zumindest für eine Weile den Kontakt abzubrechen. Ständig misgendert zu werden, kann ganz schön der Gesundheit schaden, und es ist wichtig, dich mit Leuten zu umgeben, die das Beste für dich wollen und sich auch so verhalten. Es ist schmerzhaft, Menschen aus dem Leben zu schneiden, aber wenn diese Menschen sich so verhalten, wie deine Verwandtschaft es tut, bleibt manchmal keine andere Wahl.
Hoffentlich lassen sich deine Verwandten überzeugen und lernen, besser mit dir zu reden und umzugehen. Wir wünschen dir auf jeden Fall alles Gute!
Viele Grüße,
Balthazar