Interfeindlichkeit in der LGBTQIA+-Community

In diesem Beitrag geht es um Inter*feindlichkeit. Pass bitte auf dich auf, wenn das für dich ein schwieriges Thema ist.

Von unserer Gast-Autorin Larissa.

„Was willst du denn eigentlich auf dem CSD? Du bist doch gar nicht queer?“ Solche oder ähnliche Sätze hören intergeschlechtliche Menschen oft, wenn sie das erste Mal Interfeindlichkeit in der queeren Community erleben. 
Die Community sollte ein Ort sein, an dem man sich sicher und akzeptiert fühlen kann, leider ist dies nicht immer der Fall. Oft kommen interfeindliche Äußerungen aus Unwissenheit oder Missverständnissen zustande, manchmal jedoch auch bewusst und gezielt, um die Person zu verletzen. 

Ich möchte mit diesem Text versuchen, euch das Thema Interfeindlichkeit anhand von meinen Erlebnissen und der anderer inter Personen näherzubringen und aufzuzeigen, welche Arten von Diskriminierungen inter Personen teilweise erfahren. Zusätzlich werde ich versuchen, diese Feindlichkeiten zu erklären und wie sie sich auf die Betroffenen und die Community auswirken können.

Was ist Intergeschlechtlichkeit?

Intergeschlechtlichkeit beschreibt Menschen, die mit körperlichen Merkmalen geboren werden, die im medizinischen Sinne nicht eindeutig männlichen oder weiblichen Körpern zugeordnet werden können. Diese Merkmale können sich auf Chromosomen, Gonaden, Hormonspiegel und/oder die Genitalien beziehen.

Was ist Interfeindlichkeit?

Interfeindlichkeit beschreibt die Ablehnung, Diskriminierung oder sogar Feindseligkeit gegenüber intergeschlechtlichen Menschen. Diese Feindlichkeit kann sich in allen Bereichen des Lebens zeigen, wie z.B. in der medizinischen Versorgung, in sozialen Situationen oder durch rechtliche Diskriminierung.

Die vielen Gesichter der Interfeindlichkeit

Ich glaube nicht, dass du inter bist,“ 

Eine der häufigsten Diskriminierungen, die inter Personen erleben, ist, dass ihnen ihre Intergeschlechtlichkeit abgesprochen wird. Sehr oft trifft dieser Angriff Menschen, die erst später in ihrem Leben erfahren haben, dass sie inter sind. Viele glauben, dass man die geschlechtliche Uneindeutigkeit einer inter Person auf den ersten Blick sehen kann.
Die meisten intergeschlechtlichen Menschen sehen aber genauso aus wie andere nicht-inter Personen. 
Diese Diskriminierung kann dazu führen, dass sich inter Personen ausgegrenzt und nicht ernst genommen fühlen. Sie fühlen sich unsichtbar und stellen ihr Selbstbild infrage, was im schlimmsten Fall dazu führen kann, dass sie sich von der Community entfernen oder diese ganz verlassen.

Du kannst kein/e Mann/Frau sein, weil du inter bist.“

Manche Menschen glauben, dass inter Personen sich nicht als Mann oder Frau identifizieren können, weil ihre Körper nicht eindeutig einem Geschlecht entsprechen. Solche Aussagen verstärken nur die falsche und leider sehr häufige Vorstellung, dass Intergeschlechtlichkeit immer mit einer nicht-binären geschlechtlichen Identität verbunden ist. 
Inter Personen können sich als Mann oder Frau identifizieren, sie können nicht-binär sein, sie können wie jeder anderer Mensch jede geschlechtliche Identität haben. Es ist sogar nicht unüblich das eine inter Person cis gender ist, also glücklich ist mit der geschlechtlichen Zuordnung bei der Geburt.
Wenn Leute dies anzweifeln, kann das für die Betroffenen sehr belastend sein, weil sie dann ihre eigenen Gefühle und ihre Selbstwahrnehmung infrage gestellt sehen. Zusätzlich kann es auch dazu führen, dass inter Personen aus Gruppen ausgeschlossen werden, obwohl sie eigentlich dazugehören.

Inter Personen können nicht lesbisch/schwul sein, weil sie keinem Geschlecht richtig angehören.“

Inter Personen können jede sexuelle Orientierung haben. Intergeschlechtlichkeit bedeutet nur, dass ein Körper Merkmale hat, die nicht eindeutig „männlich“ oder „weiblich“ sind. Das beeinflusst jedoch nicht die Fähigkeit, eine bestimmte sexuelle Orientierung zu haben. Ob jemand lesbisch, schwul, hetero oder eine andere sexuelle Orientierung hat, hängt von der eigenen Identität und Anziehung ab, nicht von den körperlichen Merkmalen.
Die Folgen einer solchen Anfeindung sind ähnlich wie bei der vorherigen. Zusätzlich kann ein solcher Angriff auf die Sexualität dazu führen, dass sich Betroffene nicht mehr trauen, ihre Gefühle zuzulassen und sie unterdrücken. Es fällt ihnen dann sehr schwer, eine*n Partner*in zu finden, aus Angst vor Ablehnung.

Du bist doch gar nicht richtig inter.“

Dieser Angriff kommt meist von inter Personen gegen andere inter Personen. 
Wichtig zu wissen ist: Es gibt nicht die eine Intergeschlechtlichkeit, inter kann in sehr vielen Varianten auftreten. 
Manche inter Personen halten ihre Variante für „echte“ Intergeschlechtlichkeit und andere für „unechte“. Sehr oft kommt dieser Gedanke zustande weil sich manche Varianten stärker auf den Körper auswirken als andere und daher „wichtiger“ oder „echter“ sein sollen. Solche Angriffe aus der eigenen Gemeinschaft sind besonders schmerzhaft und haben zur Folge, dass die Betroffenen sich von anderen inter Personen fernhalten oder sogar von der gesamten queeren Community. Es führt auch dazu, das inter Personen sich nicht offen als solche zeigen und es lieber verschweigen. Hinzu kommt noch das Leute die sich nicht mit inter auskennen diese Behauptung für wahr halten könnten, da sie von einer Betroffenen Person kommen.

Ihr gehört nicht zur queeren Community.“

Diese Aussage hat einen der schlimmsten Hintergründe: Es wird behauptet, dass Intergeschlechtlichkeit eine Krankheit sei und deswegen nicht zur queeren Gemeinschaft gehöre. Dies stimmt aber nicht; inter Personen sind nicht krank. Inter Personen waren schon immer Teil der queeren Community, schon wegen unseres Kampfes für mehr Anerkennung und für körperliche sowie geschlechtliche Selbstbestimmung. Aber auch, weil wir jede sexuelle Orientierung und Geschlechtsidentität haben können.
Das heißt aber nicht, dass so eine Aussage keine Spuren hinterlässt. Sie weckt Zweifel, aber noch viel häufiger Wut und verletzte Gefühle. So etwas kann dazu führen, dass sich bei den Betroffenen eine Ablehnung oder sogar eine feindliche Haltung gegen die Community entwickeln kann.

Was bedeutet Interfeindlichkeit für die Betroffenen und die Community?

Dies war nur ein kleiner Ausschnitt der möglichen Anfeindungen, die inter Personen erfahren können.
Nicht nur, aber leider auch in der queeren Community. Ich habe diese Beispiele gewählt, da sie am häufigsten in meinen Gesprächen zum Thema Interfeindlichkeit aufgekommen sind. 
Jede dieser Anfeindungen ist ein Angriff auf die Identität und das Selbstwertgefühl der Betroffenen. Die Folgen eines solchen Angriffs können noch Jahre oder sogar Jahrzehnte später zu einer verminderten Selbstachtung, psychischen Belastungen und einem Gefühl der Einsamkeit führen.

Das Problem der Interfeindlichkeit ist überall zu finden, aber an kaum einem Ort richtet sie so massiven Schaden an wie in der LGBTQIA+ Community. Sie hat dazu geführt, dass sich inter Personen oft nicht trauen, über ihre Intergeschlechtlichkeit zu reden. Lieber nehmen sie es in Kauf, dass sie sich verstecken müssen und schweigen, obwohl sie noch eine weitere und zum Teil sehr wichtige Sicht auf Themen haben können. Das ist ein großer Verlust für die Community und eine zum Teil sehr große Belastung für die Betroffenen von Interfeindlichkeit. Ein offener und unterstützender Umgang mit dem Thema Intergeschlechtlichkeit ist darum umso wichtiger. Es ermöglicht uns als Community, vielfältiger zu sein und wirklich für alle da zu sein.

Wie kannst du Inter Personen unterstützen?

Wie überall in der LGBTQIA+ Community ist es besonders wichtig, dass wir intergeschlechtlichen Menschen mit Verständnis und Empathie begegnen. Wir sollten uns bewusst machen, welche Herausforderungen sie sowohl in der Gesellschaft als auch in der Community haben. Ein besonders wichtiger Punkt ist, ihnen wirklich zuzuhören und ihre Erfahrungen ernst zu nehmen. Ihre Erfahrungen sind entscheidend, um ihre Bedürfnisse besser zu verstehen und Vorurteile abzubauen. Wenn wir aufmerksam zuhören, können wir auch dazu beitragen, dass ihre Perspektiven sichtbarer werden. Das hilft uns, die Themen anzugehen, die ihnen wirklich am Herzen liegen, und unsere Unterstützung gezielt einzusetzen. Vermeidet es, Annahmen oder Stereotypen über sie zu haben, und setzt euch dafür ein, dass ihre Stimmen gehört und ihre Rechte respektiert werden. Schafft ein Umfeld, in dem sich intergeschlechtliche Menschen sicher und willkommen fühlen können.

Über die Autorin

Hallo ich bin Larissa „Lari“ (sie/ihr), und bin inter, trans und nicht-binär. 
Ich bin seit über 10 Jahren in der LGBTQIA+ Community aktiv und schreibe über TIN (trans inter nicht-binär) Themen, meist aus dem Blickwinkel von intergeschlechtliche Menschen. Dazu bin ich in meiner Freizeit in der Inter Beratung aktiv und helfe Betroffenen aber auch nicht Betroffenen bei allen Fragen zum Thema Intergeschlechtlichkeit.

Ich hoffe, dass ich euch mit diesem Text das Problem der Interfeindlichkeit verständlicher gemacht habe und es noch mehr in die Wahrnehmung der LGBTQIA+ Gemeinschaft bringen konnte.
Abschließend möchte ich mich auch noch bei allen bedanken die diesem Text ermöglicht haben.

2 Antworten

  1. Henne sagt:

    Hallo Lari

    Ich finde das Thema sehr spannend und auch sehr wichtig.
    Wenn es für dich okay wäre, würde ich gerne Kontakt zu einer Freundin herstellen, die als Sexualpädagogin arbeitet und in Schulen über sexuelle-Vielfalt und -Identitäten Aufklärungsarbeit leistet.

    Liebe Grüße
    Henne

    • Lari sagt:

      Hallo Henne

      ich hab das Team vom Queer-Lexikon gebeten dir meinen Kontakt zukommen zu lassen.
      Ich würd mich über Austausch mit anderen zum Thema.

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