“Einfach Gendern. Gendergerechtes Deutsch einfach erklärt” – Eine Rezension

von unserem Teammitglied hannaH

Weil mein Job irgendwas mit Sprache ist, darf ich heute das Zine “Einfach Gendern. Gendergereches Deutsch einfach erklärt”, geschrieben von Mercedes von Kulessa und illustriert von Louie Läuger (Louie hat übrigens auch unser Malbuch illustriert), rezensieren. Mit knapp 30 Seiten soll das Zine sowohl Deutschlernenden als auch Erstsprachler*innen dabei helfen, gendergerechte(re)s Deutsch zu lernen und zu üben. Es kostet 8,90€ als gedrucktes Exemplar und 6,91€ als E-Book.

Was mir gut gefallen hat:

Zu Beginn wird gut erklärt, warum gendersensible Sprache wichtig ist. Zusätzlich wird auf potenzielle Ängste vor Fehlern eingegangen und zum Ausprobieren ermutigt. Das gefällt mir, denn oft wollen Menschen sofort “alles richtig machen”, obwohl ein Lernprozess dazu gehört – der Hinweis kann Leser*innen Sicherheit geben.

Eine große Stärke des Zines ist die Diversität, die in den Illustrationen abgebildet ist. Ich konnte Menschen verschiedener Hautfarben und Körperformen, verschiedenen Alters, mit Hilfsmitteln und auch diverse Familienkonstellationen entdecken. 

Besonders hilfreich finde ich, dass an einigen Stellen konkrete Phrasen, die gesagt werden können, anschaulich in Sprechblasen dargestellt werden und so Leser*innen eine Orientierung geben können. Genauso gibt es eine Seite zu Umschreibungen, die anhand eines Beispiels verschiedene Strategien erklärt, durch die Personenbezeichnungen genderneutral ausgedrückt werden können. Dadurch erfahren Leser*innen einerseits die Bezeichnung für die Strategie, können sich aber anhand des Beispiels auch erschließen, wenn sie nicht so vertraut mit den Begriffen der deutschen Grammatik sind. 

Was mir nicht so gut gefallen hat

Leider habe ich aber auch einige Schwachstellen gefunden. Insgesamt ist mir auf den meisten Seiten zu viel los, die Illustrationen sind zwar sehr schön, es wirkt aber schnell visuell überladen und hat mich beim ersten Durchblättern etwas überfordert, gerade auch, weil die Struktur für mich nicht klar erkennbar ist.

Außerdem hätte ich mir aus sprachwissenschaftlicher Perspektive einige Hinweise gewünscht, unter anderem, dass das geschlechtsübergreifende Maskulinum eben keine neutrale Form ist, sondern auch ein Geschlecht hat, nämlich das männliche. Genauso gibt es an einer Stelle zwar eine Fußnote mit einer Quelle, aber es wird sich auf “Untersuchungen” bezogen, die nicht näher benannt werden. Ich weiß zwar, dass es diese Studien gibt und wüsste, wo ich nachschauen müsste, aber der*die durchschnittliche Leser*in vermutlich nicht. Hier wären ein Literaturverzeichnis bzw. auch weiterführende Literaturempfehlungen hilfreich.

Und auch in Bezug auf queere/trans Perspektiven habe ich einige Kritikpunkte. Zu Beginn wird die Geschlechtervielfalt auf Männer, Frauen und nicht-binäre Menschen reduziert, dabei wird auch nicht erklärt, was Nicht-Binarität überhaupt bedeutet, die Leser*innen müssen also bereits Vorwissen über Geschlechtsidentitäten mitbringen. 

Es wird empfohlen, Personen nach ihren Pronomen zu fragen, anstatt die eigenen zu teilen und dadurch anderen ebenfalls die Möglichkeit zu geben, ihre Pronomen zu teilen. Ich hätte mir hier einen Hinweis gewünscht, dass die Frage nach Pronomen nicht immer leicht für alle Menschen ist und niemand gezwungen werden sollte, Pronomen zu teilen. Zusätzlich ist das Zine an einigen Stellen unpräzise, bspw. wird zwar gut dargestellt, dass man vom Aussehen/Namen nicht auf Pronomen schließen kann, doch dann werden plötzlich Pronomen und Personenstand/Geschlechtseintrag vermischt. Durch die Übungen ergibt sich ein weiterer inhaltlicher Widerspruch, denn Leser*innen sollen Pronomen für genannte Entitäten einsetzen, einige davon sind jedoch Menschen wie “der Nachbar”, “der Onkel”, “die Mama”, “die Schülerin”, für die keine separaten Pronomen angegeben werden. Das verfestigt weiterhin Annahmen über vergeschlechtlichte Personenbezeichnungen (“Eine Person, die Mama ist, verwendet immer sie Pronomen”). 

Es finden sich außerdem uneinheitliche Begriffsverwendungen, die verwirrend sein können, gerade für Menschen, die noch nicht besonders vertraut mit diesem Thema sind. Unter anderem dabei könnte ein aufmerksames Lektorat von Vorteil sein. 

Fazit

Es ist eine wichtige und gute Idee, einen kurzen und einfachen Überblick über geschlechtersensibles Deutsch zu geben. Aber auf nur 30 Seiten inklusive der Übungen ‒ die ich mir für Lernende ziemlich hilfreich vorstellen kann ‒ ist das vielleicht ein wenig zu ambitioniert. Für eine weitere Auflage würde ich mir vielleicht wünschen, dass sie doch etwas länger und ausführlicher ausfällt, einige Anpassungen vornimmt, aber weiterhin so einfach formuliert das Thema erklärt und damit dann eine große Empfehlung für alle Lernenden werden könnte. 

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