Kummerkastenantwort 5.750: Ich habe Angst, dass das SBGG abgeschafft wird bzw. Änderungen rückgängig gemacht werden
Liebes Team, ich brauche dringend Euren Rat…
und zwar bin ich transfem und möchte nach dem SBGG meine Erklärung durch, die ich Anfang März endlich abgeben kann. Nun habe ich aber Angst, dass das Gesetz sofort wieder abgeschafft oder eingeschrönkt wird, aus aktuellen Anlass: Eine Rechtsextremistin hat ihren Namen und Personenstand geändert und damit erneut eine breite Diskussion über Missbrauch gestartet. Die Politik reagierte daraufhin mit Forderungen zum Abschaffen des Gesetz und der Bestätigung ihrer Warnungen.
Nun, durch die neuste Entwicklung, habe ich extrem Angst, dass meine Änderung nicht durchgeht oder rückwirkend aufgehoben wird. Könnt Ihr mir einen Rat geben, wie das das jetzt handhaben soll, um nicht in Panik zu geraten…?
Danke :/
Guten Tag,
hier gibts zwei Antworten. Die eine ist theoretisch und eher zuversichtlich stimmend, die andere kann aber halt auch sein und ist ziemlich kacke.
Wir haben hier einen Rechtsrahmen, der besteht nicht daraus, was irgendein Seehofer, Scheuer, Söder, Spahn oder sonstiger Klabautermann mit viel Bauchibauchi in ein Mikrophon redet, sondern im Wesentlichen daraus, was der Bundestag als Gesetz beschließt. Das ganze ist prinzipiell eingebettet in Menschen- und Grundrechte, wie sie im Grundgesetz definiert und zum Beispiel vom Verfassungsgericht oder dem europäischen Gerichtshoft für Menschenrechte ausgelegt werden. Innerhalb von diesem Rahmen wird der Name und das Geschlecht von uns allen als so individuell, intim und zur Person gehörend verstanden, dass es immer die Möglichkeit geben muss, dass Leute Namen und Geschlechtseintrag ändern können. Der Staat kann aus unserem Verständnis von Grundrechten hier keinen kompletten Rollback veranstalten.
Außer, und das ist der bechämende und stinkende Part: Er tuts doch. Das Ding ist ja: dürfte er nicht. Der Bundestag könnte das beschließen, sollte er aber nicht, der Bundesrat könnte kein Veto versuchen (sollte er aber) und der Bundespräsident könnte das unterschreiben (sollte er nicht). Wenn das alles passieren würde, dann wäre das in Kraft. Und wenn dann in Kraft wäre, dass das SBGG nicht mehr in Kraft ist, sollte eigentlich ein Nachfolgegesetz in Kraft sein, aber tun wir mal so als wäre dann da nix. Und als wäre noch was drin, was Änderungen nach SBGG im Nachhinein rückabwickelt. Dann wäre das erstmal so.
Freilich. Man könnte da Widerspruch einlegen. Und das Standesamt würde dann sagen: „Ne, das steht so im Gesetz“. Dann könnte man mit dem abgelehnten Widerspruch vor Gericht gehen. Und das Gericht könnte vielleiht sogar sagen „wir können das nicht nach Gesetz entscheiden, weil wir dann Grundrechte missachten müssten“ und das direkt zur Normenkontrolle beim Verfassungsgericht vorlegen. Oder es könnte nach Gesetz entscheiden, woraufhin man in die nächste gehen müsste. Rinse and repeat bis zum Bundesgerichthshof und wenn wenn der immer noch nein sagt, stünde der Weg zur Verfassungsbeschwerde offen. Sollte sicht das Verfassungsgericht nicht gänzlich von seiner bisherigen Rechtssprechung und einschlägigem europäischem Recht abwenden, müsste es dann das Gesetz wieder aufheben. Würde aber so etwa 8 Jahre, Unmengen Geld und vermutlich Menschenleben kosten.
Was ist dann die Antwort? Wie können wir mit der Situation umgehen?
- Aktuell scheint eine Abschaffung des SBGG kein politisches Tehma und kein Teil ernsthafter politischer Agenda zu sein. Selbst die Sondierungspapier wollen nur Dinge prüfen und prüfen heißt in dem Falle meistens, dass am Ende nix wesentlichen passiert.
- Es ist jetzt für Leute richtig hilfreich korrekte amtliche Papiere zu haben. Und jetzt können wir die bekommen. Und in meinen Augen heißt das auch, dass wir das sollten. Politische Zukunft ist immer unsicher, wenn sich die Rechtslage verbessert, hab ich viel bisschen mehr Arbeit gehabt als nötg gewesen wäre, aber ich bin am Ziel, wenn sie sich verschlechtert, hab ich idealerweise meine Schäfchen im redesnartlichen trockenen oder als absolutes minimum, solange dinge noch in Kraft sind, eine bessere Ausgangslage.
- Wenn trans Personen wirklich politische Verfolgung droht, wird eine Regierung, die das losbrechen will, sich in der Verfolung und Entrechtung nicht auf die Leute beschränken, die eine Namensänderung gemacht haben. In anderen Worten: der Verzicht jetzt wird im düstersten aller Szenarien keinen besondern Schutz bedeuten können.
Das sind keineswegs gleichwahrscheinliche Varianten. Trans Personen sind der handelnden Politik seit immer ungefähr komplett scheißegal. Deswegen ist die wahrscheinlichste Variante in meinen Augen, dass einfach genau nichts passert, was irgendwas an der Rechtslage verändern wird.
Liebe Grüße
Xenia
„Trans Personen sind der handelnden Politik seit immer ungefähr komplett scheißegal. Deswegen ist die wahrscheinlichste Variante in meinen Augen, dass einfach genau nichts passert, was irgendwas an der Rechtslage verändern wird.“
Das hoffe ich auch sehr, auch wenn es in der letzten Zeit doch sehr polarisiert… (Gerade neu in UK).
Da ist es mir viel lieber, vergessen und nicht beachtet zu werden, als im Mittelpunkt eines Kulturkampfes zu stehen.
Danke Xenia, dass du uns durch diese schwierigen Zeiten mit deiner wichtigen Arbeit begleitest. :3