Neue Kummerkastenantwort 49 – christlich und lesbisch
Wisst ihr, ich hab einer Freundin gesagt, dass ich denke, lesbisch oder pan zu sein, woraufhin sie fragte, ob ich mir vllt einfach nur nicht richtig eingestehen kann, lesbisch zu sein.
Das könnte auch stimmen, denke ich, denn ich hatte, wie ich rückblickend bemerke, ganz winzige Vorurteile, jetzt zwar nicht mehr, aber ich bin christlich. Und nicht dieses „Meine Eltern sind christlich, also bin ich es auch“, nein, ich bin christlich, weil ich mich dazu entschieden habe und deswegen ist es für mich oft ein sehr viel ernsteres Thema oder ein wunderer Punkt als für viele andere, die das nicht ernst nehmen. Ich denke wirklich, ich bin lesbisch, ich denke auch, ich will das, das mag ich- ist das falsch oder unpraktisch beim Coming In, sollte ich so nicht fühlen?- aber gleichzeitig habe ich auch Angst. Obwohl ich an einen wahrhaft liebevollen und liebenden Gott glaube, ist die Angst einfach da. Mal schlimmer, mal weniger. Und ich weiß nicht., was ich dagegen tun soll, vor allem weil meine Religionslehrern neulich im Unterricht und als ich sie einmal vorher danach gefragt hatte, deutlich machte- aber der direkten Antwort immer ausweichend- klar machte, dass Gott das nicht mag. Es macht mich fertig und manchmal komm ich damit besser klar und sage mir mit fast vollkommener Gewissheit: Jo, ich bin lesbisch und das ist gut so, oder Gott? Genau, ist es!
Und manchmal hocke ich da, habe Angst wegen Gott und so und bin mir furchtbar unsicher über meine Gefühle.Habt ihr eine Idee?
Eure Hanni
Hallo Hanni,
Ich glaube, ich mag da deiner Religionslehrerin und allen anderen, die sich da ihrer Meinung anschließen wollen, gerne widersprechen. Es wird immer noch und immer wieder versucht, herbeizuargumentieren, dass Glaube nur so richtig geht, wenn eins hetero und cis ist. Da wird dann irgendwie sehr einseitig mit der Bibel argumentiert oder schlicht behauptet, das sei Sünde – und eine wirklich schlüssige Begründung wird meistens nicht dazu geliefert. Deswegen möchte ich diese Antwort in zwei Aspekte teilen. Zuerst möchte ich mit ein oder zwei Bibelstellen argumentieren und zeigen, warum ich der Meinung bin, dass das völlig unproblematisch ist. Im zweiten Teil möchte ich über Unsicherheit schreiben. Unsicherheit darüber, ob eins wirklich auch für Gott ok ist, auch wenn eins lesbisch ist.
Da oft gerade mit der Bibel gegen Homosexualität versucht wird zu argumentieren, ist mir wichtig, ein gewisses Gegengewicht zu geben. Am Ende des dritten Kapitels des Galaterbriefes steht: “Hier ist nicht Jude noch Grieche, hier ist nicht Sklave noch Freier, hier ist nicht Mann noch Frau; denn ihr seid allesamt einer in Christus Jesus.” – es gibt ganze Ausarbeitungen und Predigten dazu, daher fasse ich mich hier eher kurz. Es geht darum, dass Trennungen, die in der Zeit, als der Text geschrieben wurde, gesellschaftlich relevant waren vor Gott nicht gültig sind. Und die Kategorien, die aufgezählt werden, waren damals entscheidend. Und, wenn vor Gott solche Trennungen nicht zählen, dann sollte da auch in anderen Richtungen solche Trennungen nicht möglich sein. Also sollte vor Gott auch keine Rolle spielen, ob du lesbisch bist oder nicht. Es ist auch ganz gut möglich, direkt mit der Schöpfung zu argumentieren. Gott erschafft Menschen in seinem Ebenbild. Und wenn Gott mich trans oder dich lesbisch geschaffen hat, dann geht es auch nicht mehr uns deswegen die Gemeinschaft mit Gott absprechen zu wollen. Wenn unser Queersein Teil unserer Ebenbildlichkeit ist und untrennbar zu uns gehört, hat auch niemand das Recht, zu unterstellen, dass Gott das nicht gefallen würde. Und damit gilt auch für uns, dass wir von Gott als Teil ihrer Schöpfung angenommen und geliebt sind.
Aber, auch wenn ich das theoretisch alles weiß und argumentieren kann, geht es mir da auch oft wie dir. Ich bin da unsicher, ob das wirklich so ist. Ob Gott mich tatsächlich auch als queere Person annimmt. Das ist ein bisschen ein gesellschaftliches Problem, da das Vorurteil, dass Queersein als Christ*in nicht geht, immer noch steht und immer noch viele auch in der Kirche diese Position vertreten, haben wir natürlich noch verinnerlicht, dass das eigentlich falsch sei. Mir hat dabei sehr geholfen, dass auch innerhalb der evangelischen Landeskirchen Initiativen und Hauptamtliche gibt, die sich für queere Rechte in der Kirche einsetzen und auch selbst queer sind.
Wie lösen wir das jetzt? Hoffnung.
Hoffnung darauf, dass sich die Kirche mehr öffnet und Diskriminierungen abbaut und bessere Strukturen gerade auch für Menschen schafft. Da ist schon einiges passiert, da muss aber noch viel mehr passieren.
Hoffnung darauf, dass wir einst weniger aus Gemeinden und Kirchen rausgedrängt werden und irgendwann nicht nur bei Gott, sondern auch schon hier wirklich angenommen werden.
Das Blog Kreuz und Queer, was bei evangelisch.de läuft, begleitet ein wenig, wie heute schon queeres Leben in der evangelischen Kirche gelingt, wo Debatten geführt werden, wie sich die Situation insgesamt entwickelt.
Dann gibt es noch Zwischenraum. Ein Verein von queeren Christ*innen, der einen angstfreien, akzeptierenden Freiraum schaffen will, für alle, die queer sind und eben auch glauben wollen. Einen Raum der Akzeptanz, der Toleranz, ein Raum für Glaubensinhalte, aber auch ein Schutzraum vor Selbstzweifeln aber auch vor Gemeinden, die queere Gemeindeglieder bisher noch nicht akzeptieren.
Auf den evangelischen Kirchentagen und den Katholikentagen gibt es seit einigen Jahren das Zentrum Regenbogen, bei dem kirchliche und kirchennahe queere Gruppen zusammenkommen, sich austauschen, diskutieren und stärken. Falls du mal die Gelegenheit hast, bei einem dieser Tage mit dabei zu sein, schaue auf jeden Fall mal am Zentrum Regenbogen vorbei, mir hat der Austausch und der Input dort sehr gut getan.
Ich wünsche dir, Hanni, auf deinem weiteren Weg als lesbische Christin alles Gute und Gottes reichen Segen.
Liebe Grüße
Xenia