Folge 13 – Ehe für Alle

Hallo und herzlich willkommen zu unserer neusten Folge. Heute sprechen wir über die Ehe für Alle: Wie kam es dazu, dass 2017 die Ehe auch für gleichgeschlechtliche Paare geöffnet wurde? Können in Österreich und der Schweiz gleichgeschlechtliche Paare heiraten? Und: Ist die Ehe jetzt wirklich offen für alle?

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Sehr lange konnten in Deutschland gleichgeschlechtliche Paare überhaupt nicht heiraten oder auf eine andere Art und Weise dem Staat gegenüber erklären, mit wem sie in einer Beziehung waren. Um das trotzdem zu tun, adoptierten sogar manchmal Personen ihre Partner*innen, da dies die einzige Möglichkeit war, sich gegenseitig etwas zu vererben oder sich gegenseitig im Krankenhaus besuchen zu können.

Ende der 1980er, Anfang der 1990er Jahre machte der GRÜNEN-Politiker Volker Beck gemeinsam mit Jutta Oesterle-Schwerin auf diese Diskriminierung gleichgeschlechtlicher Paare aufmerksam. Volker Beck verfasste außerdem mit dem damaligen Bundesanwalt am Bundesverfassungsgericht, Manfred Bruns, einen juristischen Aufsatz, in dem er argumentierte, dass das Eheverbot für gleichgeschlechtliche Paare gegen die Grundrechte verstoße. Ab 1992 begannen gleichgeschlechtliche Paare für ihr Recht auf Ehe bei Gerichten zu klagen. Dabei wurde die sogenannte „Aktion Standesamt“ ausgerufen, wobei 200 gleichgeschlechtliche Paare vor vielen Standesämtern in ganz Deutschland erschienen und verlangten, verheiratet zu werden. Die Aktion machte in ganz Deutschland darauf aufmerksam, dass gleichgeschlechtliche Paare nicht heiraten durften – rechtlich änderte sich aber erst 2001 etwas. Damals wurde in Deutschland das sogenannte „Lebenspartnerschaftsgesetz“ eingeführt. Gleichgeschlechtliche Paare durften immer noch nicht heiraten, aber eine sogenannte Lebenspartnerschaft eingehen. Umgangssprachlich wurde das immer wieder als „Homo-Ehe“ bezeichnet, dabei war es das nicht. Der Unterschied? Die Paare durften denselben Nachnamen haben, bekamen das gemeinsame Sorgerecht für gemeinsame Kinder und mussten sich im Falle einer Scheidung auch gegenseitig Unterhalt zahlen. Allerdings bekamen sie nicht das Recht, gemeinsam ein Kind zu adoptieren oder dieselben Vorteile beim Steuerzahlen wie gegengeschlechtliche Ehepaare. Diese Regelung rief teilweise starke Diskriminierungen hervor – denn wer in einer eingetragenen Lebenspartnerschaft lebte, konnte einfach als Teil der queeren Community identifiziert und diskriminiert werden. Auch das Bundesverfassungsgericht erkannte diese Diskriminierungen immer wieder und weitete die Rechte von eingetragenen Lebenspartnerschaften aus, so dass am Ende fast alle Ungleichheiten zwischen eingetragener Lebenspartnerschaft und Ehe beseitigt waren. Der Begriff „Homo-Ehe“ war also deshalb problematisch, weil viele Menschen dachten, es wäre eine richtige Ehe und so die Diskriminierungen von gleichgeschlechtlichen Paaren nicht sahen. Aber der Begriff war auch deshalb falsch, weil in gleichgeschlechtlichen Paaren ja nicht nur schwule und lesbische Menschen sind – „Homo-Ehe“ machte also bi+sexuelle und a_sexuelle Menschen unsichtbar.

Und dann, kurz vor der Bundestagswahl 2017, legte sich zunächst die Partei die GRÜNEN darauf fest, dass ohne die Ehe für Alle für sie keine Koalition zu machen wäre, dann die Partei FDP. Das verleitete schließlich die CDU/CSU dazu, über das Thema vermehrt nachzudenken. Angela Merkel beschloss schließlich die Abstimmung frei zu machen, d.h. die Abgeordneten mussten nicht wie ihre Partei abstimmen, sondern konnten sich frei entscheiden. Die SPD setzte sich dann dafür ein, dass die Abstimmung über die Ehe für Alle noch in derselben Woche geschehen konnte – in der letzten Sitzung des Bundestages vor der Sommerpause. Am 30.6.2017 kam es zur Abstimmung – und seit dem 1.10.2017 können in Deutschland nun auch gleichgeschlechtliche Paare heiraten und gemeinsam Kinder adoptieren. Juhu!

Übrigens gab es auch vor 2017 bereits verheiratete gleichgeschlechtliche Paare – nämlich wenn eine trans* Person vor ihrer Personenstandsänderung bereits verheiratet war. Seit 2008 darf eine solche Ehe nicht mehr vom Staat aufgelöst werden, auch wenn dadurch zwei Männer oder zwei Frauen verheiratet waren.

In der Schweiz gibt es seit 2007 die Möglichkeit einer eingetragenen Lebenspartnerschaft für gleichgeschlechtliche Paare. Diese unterscheidet sich von einer Ehe vor allem deshalb, weil eine gemeinsame Familienplanung für gleichgeschlechtliche Paare fast unmöglich ist – sie dürfen nicht gemeinsam Kinder adoptieren und bis 2016 war keine sogenannte Stiefkindadoption möglich. Stiefkindadoption bedeutet, dass z.B. Marie und Amina in einer eingetragenen Lebenspartnerschaft leben. Marie hat bereits ein Kind, da sie vorher mit Johannes verheiratet war – Johannes kümmert sich aber nicht um das Kind und möchte auch nicht Papa sein. Amina dagegen liebt das Kind sehr und ist genauso wie Marie ein Elternteil. Seit 2016 ist es jetzt also möglich, dass Johannes sein Recht darauf, der Vater des Kindes zu sein, abgibt und Amina das Kind adoptiert, sodass Marie und Amina gemeinsam die Eltern des Kindes sein können. Dazu müssten Marie und Amina noch nicht einmal in einer eingetragenen Lebenspartnerschaft sein. Die Stiefkindadoption gibt es auch nur deshalb, weil queere Gruppen immer wieder dafür gekämpft haben. Gemeinsam ein Kind zu adoptieren oder Zugang zur Reproduktionsmedizin, also zum Beispiel zu Samenspenden oder Leihmutterschaft, haben aber gleichgeschlechtliche Paare in der Schweiz immer noch nicht.

In Österreich gibt es momentan ebenfalls die Möglichkeit einer eingetragenen Lebenspartnerschaft. Mehrmals versuchten Parteien, ein Gesetz zu erarbeiten, das die Ehe auch für gleichgeschlechtliche Paare öffnen würde, sie waren aber nie erfolgreich. Im Dezember 2017 entschied allerdings der österreichische Verfassungsgerichtshof, dass die Ehe auch für gleichgeschlechtliche Paare geöffnet werden muss, da alles andere diskriminierend wäre. Das bedeutet: Spätestens am 1.1.2019 wird es auch in Österreich die Ehe für Alle geben.

Aber auch in Deutschland ist jetzt nicht alles wunderbar glitzrig und gut: Aktivist*innen kritisieren zum Beispiel, dass die sogenannte „Ehe für Alle“ gar keine Ehe für Alle ist. Immer noch dürfen nur zwei Personen heiraten, was polyamuröse Menschen ausschließt. In Deutschland ist es sogar explizit verboten und strafbar eine Ehe mit mehr als einer anderen Person gleichzeitig einzugehen. Auch für manche Menschen mit geistigen Behinderung ist die Ehe nicht geöffnet worden: Sie gelten als nicht ehefähig. In der Formulierung des Gesetzes heißt es aktuell auch dass die Ehe zwei Personen „verschiedenen und gleichen Geschlechts“ offen steht. Ob dies auch für inter* Personen gilt, die aktuell keinen Personenstand haben ist rechtlich unklar. Kritisiert wird hier also vor allem, dass das Gesetz so schnell verabschiedet wurde, ohne dass queere Expert*innen hinzugezogen wurden. Auch gibt es immer noch einen wichtigen Unterschied zwischen gegengeschlechtlichen und gleichgeschlechtlichen Ehen: Wird in einer Ehe zwischen Mann und Frau ein Kind geboren sind die beiden automatisch die Eltern des Kindes und haben das gemeinsame Sorgerecht. Wenn in eine gleichgeschlechtliche Ehe ein Kind geboren wird ist das nicht so. Die Person, die nicht genetisch mit dem Kind verwandt ist, muss das Kind erst adoptieren – ein Prozess, der lange dauern kann und mit vielen Diskriminierungen verbunden ist.

Aber queere Personen und Feminist*innen kritisieren auch die Ehe allgemein. „Aus einer feministischen Perspektive ist die Ehe ein Mittel zur Festschreibung bestimmter Geschlechter- und Sexualitätsverständnisse und einer dominanten Familienform“ schreiben Nina Degele, Christian Dries und Anne Stauffer. Dass nun auch gleichgeschlechtliche Paare heiraten können, sehen sie als eine Angleichung der queeren Menschen an die Norm – und damit als Verfestigung der Norm, anstatt das System infrage zu stellen und das Patriarchat abzuschaffen.

Vielen Dank an Lena Schimmel!

Quellen:

Cay Zianor (2017): #EheFürAlle – und jetzt ist alles gut? Online abrufbar unter: https://gjspunk.de/ehefueralle-und-jetzt-ist-alles-gut/ (Zugriff: 10.05.2018).

Degele, Nina/Christian Dries/Anne Stauffer (2002) Rückschritt nach vorn – Soziologische Überlegungen zu “Homo-Ehe”, Staat und queerer Liebe. in: Ulrike Klöppel u.a. (Hg) Transgender. Berlin: Querverlag, S. 137-152.

Kram, Johannes (2018): Ich hab ja nichts gegen Schwule, aber… Die schrecklich nette Homophobie in der Mitte der Gesellschaft. Berlin: Querverlag.

Nay, Yv (2017): Feeling Family. Affektive Paradoxien der Normalisierung von „Regenbogenfamilien“. Wien: Zaglossus.