Kummerkastenantwort 866 CN sexualisierte Gewalt gegen Kinder: Ich bin Autistin, asexuell und aromantisch.

Liebes Queer-Lexikon-Team, ich bedanke mich im voraus schon mal für eure Arbeit. Ihr habt mir schon mit einigen Antworten auf meine Fragen sehr geholfen.

Ich bin Autistin und unterhalte mich seit einiger Zeit mit einem anderen Autisten aus der Ferne. Wir haben beide einige andere Gemeinsamkeiten wie dass wir gerne für uns alleine sind, wenn wir Zuhause sind, aber uns gleichzeitig trotzdem mit anderen einzelnen Personen unterhalten. Keiner von uns ist in einer Beziehung derzeit. Ich selbst hatte nur 2 kurzfristige Affären und nie wirklich Glück mit Liebesbeziehungen. Freundschaften sind mir mittlerweile wichtiger geworden als sexuelle- und romantische Beziehungen. Da ich sowieso gray(a_)sexuell bin, habe ich für mich entschieden/festgestellt, dass ich daher auch keine romantischen Beziehungen mehr mit anderen Menschen führen möchte, also lithromantisch bin.

Gelegentlich bekomme ich für gewisse Personen mit denen ich länger in Kontakt bin (Freunde) Crushs bzw. Squishes. Diese Gefühle verändern sich nach einiger Zeit wieder und mildern sich ab. Damit komme ich inzwischen ziemlich gut zurecht. Aktuell habe ich für 3 Personen etwas stärkere, gemischte Gefühle wie Squishes und Crushs. Eine Frau ist eher wie eine ältere Schwester, also freundschaftlich/familiär. Sie ist hetero. Die anderen zwei sind Männer, einer ist schwul. Der andere ist der Autist (hetero). Ich selbst (weiblich) bin androgyn und habe neben der weiblichen auch eine männliche Seite in mir festgestellt. Das war wohl schon immer so gewesen.

Die Sache ist, dass ein Teil von mir sich gleichzeitig auch bis zu einem gewissen Grad auf unterschiedliche Weise zu allen dreien mehr oder weniger hingezogen fühlt. Ich kann verschiedene Geschlechter und Identitäten anziehend finden und lieben. So mag ich die Frau ohne sie sexuell anziehend zu finden. Ich glaube der männliche Teil in mir fühlt sich romantisch und sexuell bis zu einem gewissen Grad zu dem schwulen Mann hingezogen und der weibliche Teil dagegen zu dem heterosexuellen Mann, dem Autisten. Das klingt wahrscheinlich etwas seltsam, aber tatsächlich scheine ich stets gerade für Leute die mich nicht auf dieselbe Weise lieben können, das zu empfinden während ich dasselbe nicht für Leute empfinde, die mich auf diese Weise lieben könnten. Ich empfinde gegenwärtig dennoch keinen Liebeskummer und kann ganz gut damit leben, freundschaftlich verbunden zu sein.

Gestern haben der Autist und ich und eher zufällig über unsere Erfahrungen zu sexuellem Missbrauch als Kind unterhalten. Er hatte davon angefangen und ich hatte ebenfalls von meinen Erfahrungen erzählt. Vor einigen Monaten hatte ich zum ersten Mal mit jemandem darüber geredet, aber das war eher nicht wirklich zufriedenstellend und daher hatte mich der Mut verlassen, darüber zu reden. Ich bin froh, dass ich mit ihm nun darüber gesprochen habe und werde auch noch mit anderen Personen wie langjährigen Freunden und vielleicht irgendwann mit meiner Familie darüber sprechen. Der Missbrauch hat jedenfalls nichts mit der Familie zu tun.

Ich habe nicht wirklich eine Frage zu diesen Themen. Außer vielleicht ob es sinnvoll wäre nach dieser langen Zeit noch eine Therapie zu machen oder ob es auch reichen kann einfach mit anderen darüber zu sprechen. Mein Freund, der Autist sagte, dass er damals mit 30 eine Therapie gemacht hat, die ihm sehr geholfen hat. Ich bin 29.

Danke im voraus.

Hallo,

vielen Dank für deine Nachricht und dass du deine Gedanken mit anderen teilen möchtest. Es klingt ganz so, als würdest du dich viel mit deinen Gefühlen auseinandersetzen und deine Labels manchmal hinterfragen. (Das ist übrigens bei Autist*innen relativ normal, zumindest meiner Erfahrung als Autist_in und mit anderen Autist*innen, nach.) Wenn du dabei irgendwann auf weitere Fragen stoßen solltest, melde dich gern bei uns 🙂

Deine Frage, ob es sinnvoll wäre, eine Therepaie zu machen, können wir dir natürlich nicht beantworten, das musst du für dich selber entscheiden. Auf jeden Fall ist es in dem Sinne “nie zu spät” sich dazu zu entscheiden. Ganz im Gegenteil, brauchen Menschen oft längere Zeit, um zu diesem Schritt bereit zu sein. Ob dir eine Therapie helfen könnte, kannst du vielleicht in verschiedenen Erstgesprächen mit Therapeut*innen herausfinden. Die sagen zwar noch nichts über den Erfolg der Therapie aus, aber geben dir vielleicht schon mal einen Eindruck, ob du dir so einen Prozess vorstellen kannst. Gleichzeitig gibt es auch Menschen, die sich aktiv gegen eine Therapie entscheiden und für die Gespräche mit Freund*innen über diese Themen ausreichen. Das muss jede Person für sich entscheiden.

Solltest du dich für eine Therapie entscheiden, ist es wichtig, eine Person zu finden, die sich mit den Besonderheiten autistischer Kommunikation auskennt. Oft haben lokale Selbsthilfegruppen Erfahrungen damit, inwiefern Therapeut*innen autismusfreundlich sind, bei denen könntest du nachfragen.

Wir wünschen dir alles Gute bei der Entscheidung!

Rabia und Fluff

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