Mal was anderes – Solidarität

Das ist hier ist kein von sich aus queeres Thema. Und eigentlich ist das alles auch ganz weit weg. Amerikanische Stiftungen, die irgendwas mit Computern und Software machen, haben jetzt erstmal nicht so viele Berührpunkte mit einem gemeinnützigen Verein, der im deutschsprachigen Raum queere Aufklärung für Jugendliche und Junge Erwachsene verfügbar machen will.

Was war

1985 wurde die Free Software Foundation gegründet. Das heißt wörtlich Stiftung für freie Software. Gegründet hat sie Richard Stallman. Der hat diese Stiftung nicht nur gegründet sondern ist Stand heute auch Teil des Vorstands. Daran stören sich Menschen. Und haben das in einem offenen Brief dargelegt. Hier gehen nun zwei Argumente auf:

Erstens: wir können hier inhaltlich Bezug finden. Stallman hat sich öfter schon Frauen- und transfeindlich geäußert. Das ist schlecht vereinbar mit der Macht und den Aufgaben, die er formal in diesem Vorstand hat, die diese Stiftung verwirklichen will. Gleichzeitig ist es auch was, wo wir uns als Verein gerne dagegenstellen. Seien es fragwürdige Ansichten, darüber, was eine Vergewaltigung ist, darüber, welche Pronomen Menschen verwenden sollten oder der Vergleich von Menschen mit Downsyndrom mit Tieren. Mit ein wenig Empathie lässt sich da schnell eine eindeutige Postition finden.

Zweitens: Die Leute, die diesen Brief entworfen haben, die ihn erstunterzeichneten und auch die, die später hinzukamen, entwickeln freie Software. Ihre Arbeit ermöglicht unsere als Queer Lexikon maßgeblich. Selbst wenn wir keinen Bezug zu den Vorwürfen hätten, wäre Solidarität angebracht.

Was steht im Brief?

Das Schreiben ist schon sehr eindeutig betitelt „An open letter to remove Richard M. Stallman from all leadership positions“ – Ein offener Brief um Richard Stallman aus allen Führungspositionen zu entfernen. Der Brief zählt wörtlich auf, dass Stallman gezeigt hat, dass er frauenfeindlich, behindertenfeindlich und transfeindlich agiert – allgemein unredlich agiert. Diese „Werte“ haben keinen Platz bei freier Software, digitalen Rechten und technischen Gemeinschaften.

Für eine Welt, in der Technologie Menschen ermächtigt und nicht unterdrückt, brauche es Strukturen, die genau diese Technologie bauen. Und in diesen Strukturen müssten diese Werte gelebt werden. Das Verhalten von Stallman hat immer wieder gezeigt, dass er diese Werte nicht oder nicht mehr repräsentiert.

Die Unterzeichnenden stellen klar, dass sie ihn und seine Ideen nicht länger akzeptieren wollen. Ihn nicht mehr in einer Führungsrolle für die Free Software Foundation anerkennen können. Die Forderung ist klar: Er und der gesamte Vorstand sollen ihre Plätze frei machen. Der Rest des Vorstands, weil sie ihn und sein Verhalten immer noch dulden und ermöglichen.

Wer kann solle Veranstaltungen der FSF nicht weiter besuchen oder unterstützen und auch keinen Programmcode und keine Entwicklungszeit mehr für Softwareprojekte in der FSF aufwenden, bis diese Sache vom Tisch ist. Das Warum? solle dabei immer benannt werden.

Belege

Der offene Brief verlinkt insgesamt 17 Quellen in denen die Ansichten Stallmans belegt werden und betont, dass nicht alles, was er macht oder sagt auf Video festgehalten ist. Klar versehen mit der Folgerung, dass sein Verhalten auch dort abzulehnen war. An dieser Stelle exemplarisch nur zwei Punkte, mehr gibt es im offenen Brief.

Die Quellen zeigen unter anderem auf, dass Stallman schwierige Ansichten zum Thema Vergewaltigung hat. Er argumentiert, dass dafür körperliche Gewalt notwendig sei. (Und lässt dabei bestehende Machtstrukturen, die das verhindern außen vor. Siehe auch: rape culture.)

In einem Leitfaden der Free Software Foundation zu „freundlicher Kommunikation“ beschreibt Stallman Geschlecht als bloße empfundene Identität und so wird das verwenden der richtigen Pronomen, Anreden und Namen zu einem Akt von optionaler Freundlichkeit. Der Leitfaden schlägt als Alternative auch vor, wenn die korrekten Pronomen aus irgendwelchen Gründen nicht verwendet werden wollen, auf das neutrale „they“ auszuweichen. (Randnotiz: während das plausibel klingen mag, ist das, wenn das richtige Pronomen bekannt ist, genauso falsch wie jedes andere andere auch.)

Dank geht an

Wir möchten die Gelegenheit auch nutzen, um uns zumindest mal in ein paar Worten zu bedanken. Dafür, die Position, dass Stallman und der gesamte Vorstand, die ihm den Posten mitermöglichen, von ihren Posten entfernt werden sollen, zu veröffentlichen. Diese zu begründen. Solche Vorwürfe wiegen schwer und viel zu oft wird immer noch relativiert und bezweifelt und „ich fand ihn immer nett“ gesagt. In so einem Klima trotzdem an die Öffentlichkeit zu gehen, erfordert mehr Mut als es sollte. Danke dafür.

Genauso möchten wir an dieser Stelle einigen der Personen und Organisationen, die als Unterzeichnende genannt sind, aufgreifen. Um zu sagen, was sie machen und inwiefern das unsere Arbeit ermöglicht. Teilweise haben die genannten Organisationen als ganze unterschrieben. Bei einigen Projekten lediglich einzelne Personen. Eine Überschrift hier bedeutet also nicht automatisch, dass das gesamte Projekt mitgezeichnet hat.

Creative Commons

Die Organisation hinter Creative Commons entwickelt freie Lizenzmodelle. Das gesamte Queer Lexikon, auch unsere Broschüren und Videos, sind unter einer Creative Commons Lizenz verfügbar. Weiterverbreitung erwünscht. Kostenlos und unverändert. Das besondere an CC-Lizenzen: Sie lassen sich sehr griffig in Alltagssprache beschreiben, sind in viele Sprachen übersetzt. Zudem ist das „Kleingedruckte“ von Expert*innen ausgearbeitet, was uns auch eine gewisse Rechtssicherheit gibt. Danke dafür.

Framasoft

Gelegentlich brauchen wir gemeinsame Termine im Team. Auch das stimmen wir in freier Software ab. Dafür nutzen wir framaDate, was von Framasoft gebaut und Open Source zur Verfügung gestellt wird. Sieht bisschen aus wie Doodle, ist aber freie Software, wir können es selbst betreiben. Sämtliche anfallenden Daten bleiben also bei uns. Die Software selbst ist auch ziemlich datensparsam implementiert. Eine große öffentlich zugängliche Instanz wird vom Verein Digitalcourage betrieben, wer mal einen Blick drauf werfen möchte: Hier entlang zu Framadate bei Digitalcourage. Unsere Instanz ist auch zugänglich und datensparsam eingerichtet. Wir garantieren aber nicht, dass es erreichbar ist. Zudem ist vermutlich unser Hoster auch nicht so glücklich, wenn da jetzt jeden Tag 1000 Leute Termine auswürfeln. Danke dafür.

Mozilla

Die Stiftung, die quasi älter als das Internet, wie wir es kennen, ist. Sie baut unter anderem einen der besten Webbrowser – Firefox – und stellen ihn als freie Software allen zur Verfügung. Teile unseres Teams nutzen den. Speziell für unser Technik-Team ist auch das MDN, das Entwickler*innen-Netzwerk, eine wichtige Ressource. Dort ist aufgearbeitet, wie alles, was Webbrowser können (sollten) funktioniert. Danke dafür.

Riseup Networks

Um gemeinsam an Dokumenten zu arbeiten, nutzen wir im Team gelegentlich Pads. Webdienste, über die mehrere Personen zeitgleich die selbe Datei bearbeiten können. Bis vor einiger Zeit nutzen wir da hauptsächlich den Padserver, der vom kollektiv Riseup bereitgestellt wird. Danke dafür.

Red Hat

Unser Hoster stellt alle Server mit CentOS bereit. Das ist eine stabil konzipierte Linux-Umgebung, die unter dem Dach der Red Hat Foundation als freie Software gebaut wird. So gesehen ist immer etwas, das bei Red Hat gebaut wurde, wenn wer diesen Blogpost – oder irgendwas auf unserer Website liest, beteiligt. Danke dafür.

The Document Foundation

Manchmal schreiben wir Dinge offline. In Tabellen, Texten oder als Präsentationen. Einige Menschen bei uns im Team nutzen dafür LibreOffice in den Geschmacksrichtungen Calc, Writer und Impress. Das wird bei der Document Foundation als Open Source Projekt entwickelt. Danke dafür.

Python Software Foundation

Manchmal programmieren wir tatsächlich auch mal Dinge selbst. Einige der Personen bei uns im Technik-Team nutzen dafür Python – eine Programmiersprache, die von der nach ihr benannten Stiftung vorangetrieben wird. Die Sprache selbst und zahlreiche Erweiterungen und Bibliotheken sind als freie Software veröffentlicht. Danke dafür.

Matrix

Für interne Kommunikation haben wir im Team einen Matrix-Server. Das ist vergleichbar mit Discord oder Slack – aber als freie Software gebaut und kann theoretisch auch, wie wir das von Mails kennen, über mehrere Server und Anbieter hinweg kommunizieren (also wie wenn wir selbst bei Gmail sind und Mails an Menschen schreiben, die ihre Mailadresse bei Posteo haben). Matrix ist zudem stark auf Datenschutz ausgelegt und verschlüsselt alle Kommunikation. Danke dafür.

Was nun?

Wir werden uns dem offenen Brief nicht formal anschließen. Nicht, weil wir nicht jedes Wort darin glauben. Das tun wir. Nicht, weil wir nicht hinter jeder einzelnen Forderung stehen. Das tun wir. Schlicht, weil wir keine Software machen, weil wir keinen direkten Bezug zur Free Software Foundation haben.

Wir erklären uns aber bewusst solidarisch. Mit all jenen, die den Brief veröffentlicht haben. Mit allen über 3000 Unterzeichnenden. Und mit allen, die von Stallmans Diskriminierung und Übergriffen betroffen sind. Wir dürfen täglich und immer auf den Schultern dieser Ries*innen stehen.

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