Kummerkastenantwort 1.860 – meine Eltern akzeptieren mein Coming Out nicht
Die Reaktion meiner Eltern auf mein Outing war „das kannst du noch gar nicht wissen“ und „meine Tochter ist ne Lesbe“. (Ich bin weder lesbisch noch weiblich). Ich hab immer instinktiv dagegengehalten, aber was ist, wenn sie recht haben? Als ich mich geoutet hatte, dachte ich, ich hätte ein Label, aber ich bin seit Monaten nur noch am struggeln und das fühlt sich absolut bescheuert an.
Bin ich überhaupt queer genug? Rede ich mir das alles nur ein um irgendwie cool zu wirken? Wäre es nicht fair gegenüber den Leuten, auf die ich potentiell stehen könnte und die mit mir in einer Umkleidekabine sind, wenn ich mich outen würde? Was ist, wenn dann alles anders wird? Kann ich mich ohne Label überhaupt outen? Im Moment benutze ich keine Pronomen. Kann man ohne Pronomen überhaupt leben? Muss ich mich entscheiden?
Ist es ok, wütend und verletzt zu sein, wenn jemand Dinge sagt, die verletzend sind, obwohl man weiß, dass dieser Mensch sich eigentlich bemüht? Müsste man nicht eher verständnissvoll sein, für ein gutes Miteinander und so? Ich würde gern einiges verändern, aber realistisch gesehen bringt mir das im Moment nur Nachteile. Kann ich irgendwann ich selbst sein? Es verursacht mir beinahe körperliche Schmerzen, nicht ehrlich sein zu können, ich will nicht, dass das ein Geheimnis ist, aber ich kann es einfach nicht sagen.
Hallo,
vorab: deine Eltern haben keine Ahnung.
Gerade, weil unsere Gesellschaft immer noch queerfeindlich ist und agiert, und weil Coming Outs so schmerzlich wie bei dir verlaufen können, ist die Hürde für eins immer noch riesig. Wenn du sagst, dass du kein Mädchen bist, du auch keins. Da können deine Eltern lang und breit widersprechen. Auch ihr versuchtes Argument, zu sagen, dass du das noch nicht wissen könnest, ist in meistens eine ziemliche Farce. Wieso? Nun, weil es kein sinnvolles, richtiges oder legitimes Datum dafür gibt. Wie auch?
Du hast alles recht, wütend, traurig, verletzt oder was auch immer zu sein, wenn Menschen verletzende Dinge sagen. Egal, wie sehr die sich eigentlich bemühen oder was ihre tatsächlichen Absichten sind. Du bist keine Maschine, das immer mitdenken kann oder muss und direkt beachten kann. Insgesamt zählt das, ja. Irgendwo ist manchmal auch Platz für eine Aussprache oder eine Versöhnung. Aber im Moment der Verletzung können und dürfen andere Dinge im Vordergrund stehen.
Liebe Grüße
Xenia