So vielfältig ist die lesbische Community
Immer noch gibt es in der Gesellschaft das Bild, dass alle Lesben (cis) Frauen sind und ausschließlich (cis) Frauen daten; dass sie Männer hassen oder schlechte Erfahrungen mit ihnen gemacht haben und vielen, gerade jungen und frisch geouteten Lesben, macht das das Leben schwer; das zeigen viele der Fragen in unserem Kummerkasten. Dabei ist die lesbische Community vielfältig und bunt. Natürlich gibt es lesbische cis Frauen, die vor allem auf Frauen stehen – aber es gibt auch transgeschlechtliche, nicht-binäre und intergeschlechtliche Lesben; Lesben, die sich manchmal auch in Männer verlieben; Lesben, die asexuell und/oder aromantisch sind; Lesben, die ihre Identität vor allem politisch verstehen und so viel mehr. Und deswegen haben wir hier eine kleine Sammlung für euch von lesbischen Personen, die ihre Identität beschreiben. Denn: Du bist nicht alleine damit, dass du in ein Klischee-Bild von Lesbisch-Sein nicht reinpasst.
Aktuell führe ich ein Leben, das sich abgesehen vom Geschlecht meiner Partnerin wenig vom heteronormativen Standard unterscheidet. Wir sind beide Ende 20, vollzeitberufstätig in konservativen Berufsfeldern, sind seit vielen Jahren in einer geschlossenen Beziehung und führen ein „double income no kids“ Leben mit dem Fokus auf beruflichem Vorankommen und zufriedenstellender Freizeitgestaltung. Oft sind wir abends nach der Arbeit zu müde, um noch zu einer queeren Party aufzubrechen, und queerfeministische Themen spielen nicht mehr die Rolle, die sie während des Studiums hatten – vermutlich, weil uns andere Themen im Alltag mehr beschäftigen und weil wir uns die meiste Zeit nicht mehr in einem queeren Umfeld bewegen. Seit einer geraumen Weile setze ich mich mit meiner Identität als lesbische Frau nicht mehr wirklich auseinander. Man könnte vielleicht sagen, dass es für mich vierzehn Jahre nach meinem ersten Coming Out normal geworden ist, mich als lesbisch zu identifizieren. Ich entdecke wie nebenbei immer mal wieder neue Aspekte, zum Beispiel habe ich vor einer Weile gemerkt, dass ich um meinen Eisprung herum hypermaskuline Cis-Männer interessant finde, aber das führt nicht zu einem Hinterfragen meiner Selbstidentifizierung als Lesbe oder zu einem Überdenken, welches Label für mich passend(er) wäre. Ich finde es interessant, andere Facetten an mir und meiner Sexualität zu bemerken, aber da sie für meinen Alltag keine Konsequenzen haben, bleibt es beim interessierten Registrieren. Ich war in letzter Zeit öfters traurig, dass meine lesbische Identität und meine Zugehörigkeit zur queeren Community für mich aktuell keine große Rolle spielen. Es fühlt sich an, als ob ich dem studentischen Aktivismus endgültig entwachsen bin, aber danach keine andere Gruppe wartet, der ich mich zugehörig fühle. Mit Anfang Zwanzig gab es eine Phase, in der sich viele in meinem Umfeld intensiv mit ihrer Identität, Sexualität und mit Beziehungsmodellen auseinandergesetzt haben. Pronomen und Vornamen änderten sich, Beziehungen wurden geöffnet und gingen auseinander, Labels wurden hinterfragt, genauso wie die eigene Attraktion zu Personen, die maskuliner / femininer oder deutlich älter / jünger als man selbst sind. Aktuell nehmen diese Themen nicht mehr so viel Raum ein. In gewisser Weise genieße ich es auch, mich selbst nicht mehr ständig zu hinterfragen und mich selbst als Person zunehmend zu akzeptieren.
Paula, 28 Jahre , Cis-Frau und lesbisch
Ich bin lesbisch, aber das bezeichnet nicht unbedingt nur meine Sexualität und/oder mein Geschlecht. Ich habe mir aus verschiedenen Gründen sehr lange großen Stress damit gemacht, welche Label für mich gut passen, weil ich meine Identität so passend wie möglich aber trotzdem gut verständlich darstellen können. Lesbisch tut das, weil es vielen Leuten ein Begriff ist, aber es bedeutet gleichzeitig für mich auch die Akzeptanz, dass Sexualität und Geschlecht chaotisch sein dürfen. Lesbisch ermöglicht mir, mich selbst zu erkennen, von anderen gesehen zu werden, und mit (negativen) Stereotypen zu spielen. Für mich schließt lesbisch andere Identitätskategorien ein, ich kann also zum Beispiel nichtbinär und asexuell sein, aber eben auf eine lesbische Weise, durch die ich mich angenehm verbunden fühle.
Anonym, 25 Jahre, lesbisch und noch viel mehr
Ich bin lesbisch und queer – und tatsächlich benutze ich das Label ‘lesbisch’ noch gar nicht so lange, obwohl ich schon seit über 10 Jahren als nicht-hetero geoutet bin und schon in mehreren Beziehungen mit Frauen war. Obwohl das Label irgendwie auf mich zutrifft, hatte ich lange Hemmungen, es für mich zu nutzen. Viel davon war sicher auch internalisierte Lesbenfeindlichkeit. Ich verwende das Label auch nicht, weil ich nur auf Frauen stehen würde – ich habe auch schon nicht-binäre und männliche Personen gedatet und habe manchmal Crushes auf Männer und finde nicht, dass das ein Problem oder ein Widerspruch ist. Ich verwende das Label ‘lesbisch’ auch deswegen, weil es mich mit einer Community, einer Geschichte, Aktivismus und Traditionen verbindet, die ich wichtig finde.
Leonie, 34 Jahre, cis Frau, lesbisch und queer
Ich bin irgendwie weiblich, und ich stehe auf irgendwie weibliche Personen. Deswegen benutze ich unter anderem lesbisch als Label. Ohne ein “exklusiv”, ohne ein “cis”. Ich bin aber nicht nur lesbisch. Lesbisch ist für mich und viele andere mehr als ein Label für eine Sexualität. Gleichzeitig benutze ich noch bi als Label. Insgesamt würde ich meine Sexualität also als “bi lesbisch” bezeichnen. Das mag manche vielleicht verwirren – und das ist okay. Label müssen nur für die Person, die die Label benutzt, Sinn ergeben. Bi und lesbisch beschreiben beide meine Sexualität, und beide auf unterschiedliche Art und Weise. Sie schließen sich dabei nicht gegenseitig aus, sondern ergänzen sich vielmehr. Beide Label passen zu mir, wenn auch nicht komplett. Und das ist okay für mich, ich bin ein komplexes Wesen, und die Schichten und Gedanken meiner Anziehung in einige Sätze zu packen ist schwer – in 1-2 Worte fast unmöglich. Ich benutze Label schließlich nicht unbedingt für mich, sonderrn für meine Umgebung.
Außerdem – und hier kommt mein Geheimtipp: “bi lesbisch” als Label eignet sich auch hervorragend als erster Vibe-Check, denn die meisten Leute die mit so einem Label Probleme haben möchte ich nicht in meinem Leben haben.
Kiara, 32 Jahre, bi-lesbisch, transfem nicht-binär
Ich bin aromantisch, asexuell und in einer lesbischen Beziehung. Und meine Partnerin ist auch aroace. Es ist für uns beide die erste Beziehung nach dem Outing als aroace und die erste lesbische Beziehung und wir hätten nie gedacht, dass uns das passieren würde. Aromantisch sein heißt (für mich), keine romantische Anziehung zu verspüren. Und die verspüre ich auch nicht. Ich bin nicht in meine Partnerin verliebt. Aber ich liebe sie. Von ganzem Herzen und auf eine Art, wie ich noch nie geliebt habe. Die Aromantik empfinde ich in keinster Weise als Makel, sondern im Gegenteil, ich sehe sie als Segen. Unsere Beziehung fußt nicht auf Schmetterlingen. Auf romantischen Verliebtheitagefühlen. Sie beruht darauf, dass ich ihr vertraue. Mich geborgen fühle. Mich sicher fühle. Dinge, die für mich größer, wichtiger und andauernder sind als Verliebtheit, die ich nicht kenne und vermisse.
Nele, Anfang 30, aroace und in einer lesbischen Beziehung
Ich bin eine nicht-binäre Lesbe. Beides zu sein schließt sich für mich nicht gegenseitig aus. Bevor ich eine nicht-binäre Identität für mich gefunden habe, war ich schon jahrelang mit dem Label lesbisch verbunden. Auch wenn ich mich nicht mehr als Frau fühle, bin ich immer noch lesbisch. Ich wurde weiblich sozialisiert, werde weiblich gelesen, mache viele gleiche Erfahrungen wie cis Frauen und nutze meist die gleichen safer spaces und solidarischen Räume wie sie. Daher fühlt es sich auch nicht falsch an ein Label zu nutzen, dass cis Frauen zugeschrieben wird. Lesbisch sein bedeutet für mich persönlich das queere Begehren von Frauen und Femininität. Außerdem ist lesbisch sein politisch. Das Wort Lesbe trägt so viel Geschichte und Kämpfe für queere Rechte. Es löst bei Menschen immer noch Unbehagen aus und viele tun sich schwer das Wort zu nutzen, weil es für sie abwertend klingt. Gerade deshalb nutze ich es. Um es zu normalisieren, aber auch um zu provozieren. Menschen dürfen durch mich ruhig ein Unbehagen spüren und darüber nachdenken, woher es kommt. Meine lesbische Identität werde ich nicht ablegen, nur weil ich nicht mehr in ein zweigeschlechtliches System passe.
Theresa, 29 Jahre, lesbisch und nicht-binär
Ich wuchs in einem Familienunternehmen auf, das sehr männerdominiert war, und musste mich dort immer stark durchsetzen. Zudem erlebte ich, wie Frauen in dieser Umgebung oft begehrt wurden. Mit der Zeit wurde mir immer klarer, dass ich in einem Männerhaushalt aufwuchs. Das bedeutete, dass mein Blick auf Geschlechterrollen stark von dieser männlich geprägten Umgebung beeinflusst wurde. Als ich aufwuchs, passte ich nie ganz in das Bild, das die Gesellschaft von Frauen und ihren Beziehungen zu Männern hatte. Es gab immer diesen unterschwelligen Zweifel, dieses leise Flüstern in meinem Kopf, dass ich vielleicht nicht so bin, wie andere mich gerne sehen würden. Doch es dauerte eine Weile, bis ich den Mut hatte, diesem Gedanken nachzugehen. Als Teenager hatte ich oft das Gefühl, dass mit mir „etwas nicht stimmt“. Meine Freundinnen schwärmten von Jungs, aber ich konnte das nie so richtig nachvollziehen. Stattdessen fühlte ich mich zu Mädchen hingezogen – ihre Nähe war für mich aufregend, aber auch richtig. Trotzdem traute ich mich nicht, diesen Gedanken zuzulassen. Die Angst vor Ablehnung, vor Unverständnis, davor, „anders“ zu sein, saß tief. Doch dann kam der Moment, in dem ich mir die Frage stellte: „Was, wenn ich lesbisch bin? Es war wie ein Schlüssel, der ein Schloss öffnete, das ich jahrelang verschlossen hielt. Plötzlich ergab alles einen Sinn. Es war, als ob ein Puzzle, das ich jahrelang zu lösen versucht hatte, endlich seine richtige Form gefunden hätte. Mein Coming-out war kein einmaliges Ereignis, sondern ein Prozess. Zuerst musste ich mich vor mir selbst outen, mir eingestehen, dass ich lesbisch bin und dass das nicht nur okay, sondern ein wichtiger Teil von mir ist. Dann kamen die anderen – Familie, Freunde, die Welt. Einige reagierten mit Verständnis und Unterstützung, andere fanden es schwierig. Aber jedes Mal, wenn ich meine Wahrheit gesagt habe, fühlte ich mich freier, mehr ich selbst. Heute bin ich stolz darauf, wer ich bin. Meine lesbische Identität ist ein wichtiger Teil meiner Selbst, aber sie definiert mich nicht vollständig. Es gibt noch so viele Facetten, die mich ausmachen – und doch ist meine Sexualität ein zentraler Teil davon, wie ich die Welt erlebe und mit anderen Menschen interagiere. Was mir am meisten geholfen hat, war die Verbindung zu anderen, die ähnliche Erfahrungen gemacht haben. Die LGBTQIA+-Community bietet mir einen Raum, in dem ich mich verstanden und akzeptiert fühle. Hier habe ich gelernt, dass Liebe in all ihren Formen wunderschön ist, und dass das Wichtigste ist, sich selbst treu zu bleiben. Für mich bedeutet es, lesbisch zu sein, Liebe in ihrer ehrlichsten Form zu leben. Es bedeutet, keine Angst zu haben, zu sein, wer ich bin, und stolz auf meine Identität zu sein – auch wenn das nicht immer einfach war. Jeder von uns hat seine eigene Reise, aber es ist wichtig, daran zu erinnern: Es gibt keinen „richtigen“ Weg, lesbisch zu sein. Es gibt nur deinen Weg. Und dieser Weg ist es wert, gefeiert zu werden.
Valeria, 39 Jahre, lesbisch