Kummerkastenantwort 409: Ich bin polyamurös, aber mein Mann nicht.

Hey ihr Lieben,

Ich habe ein Problem: ich (w, 27) bin seit einem Jahr mit meinem langjährigen Freund verheiratet mit dem ich ein Kind habe und liebe einen weiteren wundervollen Menschen.
Mein Mann und ich hatten schon unsere Höhen und Tiefen und es ist eine tiefe Verbundenheit und Liebe entstanden, die ich sehr schätze. Allerdings fühle ich mich ständig zu anderen Menschen hingezogen und in einen bin ich seit langer Zeit verliebt. Inzwischen fühlt es sich nach mehr als nur “verliebtsein” an – ich wäre auch gerne mit ihm zusammen.
Aber mein Mann ist sehr klar in seiner Vorstellung von Beziehung. Er kann sich keine offene oder gar polyamouröse Beziehung vorstellen – er will monogam mit mir zusammenleben oder gar nicht. Darüber will er auch nicht mehr weiter diskutieren. Und ich akzeptiere seine Entscheidung, wie er Beziehung leben will.
Und es bricht mir das Herz… Denn mein Herz fühlt sich ihm gegenüber deswegen verstummt an, weil es nun mal gerne liebt.
Was soll ich tun? Ich versuche seit 6/7 Jahren mich “zusammenzureißen”, dann wieder lass ich diese Liebe einfach zu und verliebe mich einfach… Aber ich merke, dass es mich zerreißt. Ich liebe meinen Mann. Und ich will mir, meinem Kind und meinem Mann keine Trennung antun – dazu ist das Band zu stark, das uns verbindet.
Aber ich will genauso ich selbst sein. Ich will mit anderen Menschen Sex haben und Liebe genießen können. Ich sehe meine Loyalität und Ehrlichkeit ihm gegenüber in Gefahr, solange ich mich vor ihm nicht mit allen Konsequenzen offenbare.
Bin ich egoistisch? Was soll ich tun? Bzw. was erachtet ihr als sinnvoll? Wie kann so eine Beziehung dennoch bestehen bleiben in der sich beide lieben und achten, aber verschiedene Beziehungskonzepte leben wollen? Ich will kein Doppelleben führen…

Hey,

Vorweg: Du musstest wirklich sehr lange auf deine Antwort warten. Das tut uns leid!

Deine Frage klingt nach einem klassischen Dilemma in monogamen-polyamoren Konstellationen und ich verstehe deine Zerrissenheit gut.
Mir hat geholfen, dass ich aufgehört habe, Monoamorie als “Standard” zu betrachten. Momentan lebt ihr ja ein klassisches, normatives Beziehungskonstrukt, die monogame Zweierbeziehung mit Kind. Die ist insofern einfach, als das uns allen beigebracht worden ist, dass es nicht nur die einzige Art ist, eine Beziehung zu führen, sondern auch die einzig richtige. Das führt oft dazu, dass Menschen, die eigentlich polyamor veranlagt sind, trotzdem verinnerlicht haben, dass die Bedürfnisse der monoamoren Person höher gestellt werden – sie seien ja die, die in der Beziehung/ihren Bedürfnissen “nicht normal” seien.

Du bist normal und du hast das gleiche Recht, glücklich zu werden, wie dein Partner.
Und während du einerseits schreibst, dass du seine Entscheidung rational akzeptierst, werden deine emotionalen Bedürfnisse nicht erfüllt – was sich auch auf die Beziehung zu deinem Partner auswirkt.
Du reißt dich zusammen, verschweigst deine Bedürfnisse, ordnest dich unter – natürlich belastet dieses Gefälle an Bedürfniserfüllung deine Beziehung, dein Herz verstummt.

Eine Lösung diesbezüglich habe ich nicht, außer, mit ihm über seine Ängste und Bedürfnisse zu reden – und auch über deine Bedürfnisse. Sie sind nicht weniger wert als seine und ich finde es sehr unfair, zu sagen, dass “entweder monogam oder gar nicht”. Damit wirst du zu einer Entscheidung gezwungen, die dich nur unglücklich machen kann – entweder verleugnest du dich selbst oder verlierst einen Menschen, den du liebst.
Deine Bedürfnisse sind es wert, ernst genommen zu werden, erfüllt zu werden!

Vielleicht könnte es dir helfen, dich mit anderen poly Menschen auszutauschen? In vielen Städten gibt es z.B. Poly-Stammtische oder in verschiedenen Facebook-Gruppen kannst du vielleicht auch gute Unterstützung bekommen.

Es tut mir leid, dass ich keine Patentlösung habe.

Fluff

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