Topfplanzenliebe
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Ich wollte. Ich hatte Lust auf dieses Projekt, Lust darauf, mal etwas anderes zu schreiben, meine eigene Wahrnehmung zu zeigen.
Deshalb schrieb ich eine Kurzgeschichte, statt eines Sachtextes. Topfpflanzenliebe. Und weil der Verlag Edition Assemblage und das (sehr coole) Projekt zugestimmt haben, darf ich es hier bereits vor-veröffentlichen, pünktlich zur Aromantik-Awareness-Week!
Topfplanzenliebe
Es riecht feucht. Die Luftfeuchtigkeit ist bei achtzig Prozent, sagt das Barometer. Das Thermometer daneben zeigt einundzwanzig Grad Celsius an. Auf den Blättern glitzern Wassertropfen. Die Erde schimmert. Es ist grün in diesem Raum, feucht, es riecht erdig und gleichzeitig lebendig. Buntnesseln graben ihre Wurzeln in die immerfeuchte Erde (Staunässe vermeiden!), eine Monstera lässt die großen Blätter schützend über jene Pflanzen hängen, die das Sonnenlicht eher meiden als lieben.
Es fährt vorsichtig über die Blätter, untersucht auf Schädlinge, auf Wurzelfäule, darauf, ob einige Pflanzen umgetopft werden müssen oder gedüngt. Nein, allen geht es gut. Sie gedeihen, auch im Winter, in diesem Badezimmer. Unter einer Pflanzenlampe, mit Wasser und Schutz. Kleine Blätter zeigen sich bei den Buntnesseln, die Efeutute streckt bereits zwei Blattansätze hervor. Und sogar der Kürbis, der in der Wurmkiste aus Kürbiskernen gekeimt ist, hat im November die Einpflanzaktion gut überstanden und zeigt grüne Keimblätter auf einem kräftigen Stängel.
Es atmet ein. Es liebt den Geruch im Bad, der es immer an ein Tropenhaus oder den Botanischen Garten erinnert. Orte voller Stille und Frieden, in denen es immer warm ist und Menschen den Mund halten. Orte, in denen es sich wohlfühlt.
Die Tür geht auf, eine andere Person steckt den Kopf herein. „Ach, hier bist du!“, sagt they und lächelt. „Wie geht es den Pflanzen?“, es dreht sich zu ihm herum und grinst. „Ungefähr wie unserer Beziehung – sie wachsen und gedeihen.“ Beide lachen.
Es ist ein Witz zwischen ihnen, seitdem eine gemeinsame Freundin mal sagte, dass die Beziehung von Fluff zu nims Herzmenschen sie an ihre Beziehung zu ihren Topfpflanzen erinnern würde.
Nein, sie meinte nicht damit, dass sie eine besonders innige Beziehung zu ihren Topfpflanzen hätte, obwohl Fluff und nims Herzmensch das zunächst so interpretierten. Sie kümmert sich um ihre Pflanzen, sie düngt sie und gießt sie, sie sorgt dafür, dass es ihnen gut geht – aber sie liebt sie nicht. Nicht so, wie sie ihre Freundin liebt. Sagt sie.
Es war verwirrt. Beziehungen waren anders? Es fühlt sich wohl, wenn der Herzmensch um es herum ist. Es lebt gerne mit ihm. Es kümmert sich, wenn es dem Herzmenschen nicht gut geht – und wird bekümmert, wenn es nims nicht gut geht. Wenn die Beziehung auseinanderbrechen würde, würde es Schwierigkeiten haben, die Miete zu bezahlen, es würde anstrengend werden.
Es mag keine Veränderungen in nims Leben, es braucht die Routine eines langweiligen, vorherbestimmten Lebens (die es niemals bekommt, was das Leben in dieser Gesellschaft unangenehmerweise erschwert). Alle Veränderungen, gerade spontane, lebensumwälzende Veränderungen, sorgen unter Garantie für eine Überlastungsreaktion.
Veränderungen sind ärgerlich, nervig, schlecht. Es weiß, dass es zurecht kommen würde, es hat kein Problem damit, alleine zu sein und alleine zu leben. Es empfindet diesen Zustand auch als nicht unangenehm – es möchte nur nicht die Schritte dazwischen vollziehen, die in den meisten Fällen mit emotionaler Anspannung und Streit einhergehen.
Es seufzt und schüttelt den Kopf, um die unangenehmen Gedanken zu verscheuchen. Gerade war der Herzmensch da, gerade passierte nichts. Nur die Erwartungen, die drückten. Machte es etwas falsch, wenn es Beziehungen so anders wahrnahm? Lag das an der autistischen Wahrnehmung? Waren deshalb die meisten vorherigen Beziehungen in die Brüche gegangen? Es seufzt. Es hatte versucht, Kommunikation zu lernen. Es war durch eine harte, schmerzhafte Schule des Mobbings gegangen, bevor es „gut“ kommunizieren konnte. Nicht intuitiv, immer noch ein bisschen seltsam, aber zumindest nicht mehr bestrafungswürdig seltsam.
Und jetzt diese neue Information. Es kaut darauf herum, schmeckt den Worten hinterher. „Wie meine Topfpflanzen.“, sagte sie. Was war falsch an einer Verbindung zu Topfpflanzen? Es wollte verstehen.
Um zu verstehen, sind Informationen wichtig. Es hörte sich also Liebeslieder an. Las Geschichten über Liebe. Es hatte diese bisher immer für übertrieben gehalten, eben für eine Idealvorstellung der Autor_innen. Für eine fantastische Idee, wie Emotionen funktionieren würden.
Es hörte sich an, wie andere Menschen Liebe (und Liebeskummer) wahrnahmen. Es verstand, auch wenn es nicht nachvollziehen konnte. Das schien schmerzhaft und anstrengend und überhaupt nicht erstrebenswert.
Aber es wusste nicht, ob der Herzmensch das genauso sah. Es fragte, weil Fragen meist Antworten bringen. They guckt es an und lacht „Ich? Ich bin aro as fuck! Ich dachte, das wüsstest du!“
Wolkenfluff
Anfang 20
Cupioromantischx, allosexuellx Autist_in
2 Antworten
[…] hast und manchmal nicht. Viele Menschen, die sich selbst auf dem aromantischen Spektrum verorten, führen (romantische) Beziehungen, das schließt sich nicht aus. Wichtig ist dabei glaube ich, dass du das mit deinen potentiellen Beziehungspartner*innen […]
[…] zu führen. Schau dir doch mal an, was squishes und queerplatonische Beziehungen sind oder diesen Beitrag in unserem Blog über eine aromantische […]