Dead to me: Die Transfeindlichkeit von “Trans Witwen”

Heute: Kein neues Wort, aber mal wieder eins, auf das Xenia hätte so gut verzichten können wie neulich schon auf super straight. Es geht um: trans widows. Zu deutsch: Trans Witwen.

Was ist das nun schon wieder?

Trans widow ist eine Selbstbezeichnung von Personen, deren Partner*innen ein trans Coming Out hatten. Freilich keine für alle. Die Bezeichnung wird nur von einer Untermenge genutzt, die sich so sehr daran stört, dass sie das Coming Out literally mit dem Tod dem*der Partner*in gleichsetzen. Denn genau so wie Witwer*innen zu selbigen werden, weil ihre Partnerperson verstirbt, sagen sie von sich dazu geworden zu sein, weil ihre Partnerperson ein Coming Out hatte.

Was ist das Ziel davon?

Diese Menschen stört offensichtlich, dass ihre Ex-Partnerpersonen trans sind. So sehr, dass sie sie quasi als tot bezeichnen. Dazu sind sie politisch organisiert und versuchen auch in parlamentarische Anhörungen unter anderem im vereinigten Königreich reinzukommen, um als Betroffene zu Reformvorschläge für trans Rechte zu sprechen. Da sind ihre Ziele unter anderem, dass eine Namens- und Personenstandsänderung nur mit expliziter Zustimmung des*der Ehepartner*in vollzogen werden darf.

Meinung

Nach dieser möglichst sachlichen Darstellung habe ich noch Meinungen zu dieser Angelegenheit. Das meiste werde ich begründet ausbauen, aber ich möchte eine Frage vorab in den Raum stellen: Sind die eigentlich noch ganz gewürfelt?

Mitspracherecht

Wenn ein Staat mir ein Geschlecht zuweist und ich damit nicht einverstanden bin, dann geht das genau zwei Instanzen was an: Mich und den Staat. Der Papst hat das nix zu melden. Meine Nachbarin nicht. Die Katze von nebenan nicht. Und auhc etwaige Partnerpersonen nicht. Warum? Weils um mich geht. Punkt.

Historischer Funfact: Die ersten gleichgeschlechtlichen Ehen in Europa waren Ehen mit trans Personen. Gleichgeschlechtlich heiraten war verboten und eigentlich wurden Ehen nach Personenstandsänderungen automatisch geschieden, aber Menschen haben das mal bis auf europäische Ebene durchgeklagt und Recht bekommen. Der Staat darf aufgrund einer Geschlechteintragsänderung Ehen nicht scheiden.

Dafür, dass jetzt irgendwelche Clownspartner ankommen, und uns juristische Transition verwehren wollen, haben unsere trans Vorfahren nicht gekämpft.

Beziehungen sind schwierig

Dann ist da noch so ein Argument. Beziehungen können scheitern. An allem und nichts. Und da wehr ich mich auch nicht gegen. Wenn wer mit einem Coming Out nicht zurecht kommt und es dann eine Trennung gibt, ist das eben so.

Woran ich aber auch glaube, ist dass in Partnerschaften und Ehen insbesondere, auch ein gewisses Vertrauen und eine gewisse Nähe gehören. Und wenn ich mit dem Coming Out meiner Partnerperson derart überfordert bin, dass ich sie für mich gestorben erklären muss, dann ist was nicht richtig. Aber nicht bei meiner Partnerperson. Sondern bei meiner Beziehung und bei mir. Wieso?

Weil ich mich dann entweder aktiv im übertragenen Sinn die Ohren zugehalten oder mir Dinge “schön” geredet hab. Weil ich dann alle Struggles meiner Partnerperson mit ihren zugewiesenem Geschlecht ignoriert oder übersehen hab. Oder so weit weg von ihr und ihrer Realität war, dass sie mich da nicht eher ins Boot geholt hat. Und beides spricht -sorry not sorry- dann nicht für meine Beziehung. Oder mich.

Anmaßungen

Mit die frechste Anmaßung dabei finde ich aber die politische Agende darin. Das Einfordern, explizite Zustimmung geben zu müssen, statt “nur” ein Veto, ein Recht auf Anhörung im Verfahren zu fordern. (was auch beides Unfug ist, aber nun gut.) sondern damit direkt zu sagen: “Ich habe ein Anrecht über dich zu verfügen.” und “Du weißt selbst nicht was richtig für dich ist.” klingt nicht nur bevormundend und herabwürdigend, sondern ist auch direkt aus der Toolbox des Gaslighting und der Partnerschaftsgewalt entliehen.

Schlussbemerkung

Schließen möchte ich hier mit Gedanken und einem Tweet von Emily Gorcenski. Sie ist trans und Aktivistin und hat sich sehr lange gegen Nazis eingesetzt und zog neulich auf Twitter in dem Zusammenhang eine Parallele: Weder gegen transfeindliche Ideolog*innen noch gegen Nazis werden wir gewinnen, in dem wir sie überzeugen. Sobald wir uns nämlich drauf einlassen, innerhalb ihrer Ideen zu argumentieren, unterwerfen wir uns nämlich ihren irrationalen Ideen und da können wir mit rationalen Argumenten kaum mehr gewinnen.

Für die zweite Hälfte ihres Gedankens brauch es ein wenig Hintergrund. 2017 sind white suppremacists in Charlottesville in den USA mit Fackeln aufmarschiert und haben sehr hässlich demonstriert, wie moderne rassistische Bewegung aussehen kann. Die Bilder wie Menschen mit Fackeln in der Hand “you will not replace us” (ihr werdet uns nicht ersetzen) skandidierten gingen um die Welt. Emily Gorcenski war in der Gegendemo vor Ort. Für sie ist das also nicht irgendein Spruch. Ihr wurde das wortwörtlich ins Gesicht geschrien.

Ich möchte mit ihrer Überlegung, wie dann gewonnen werden kann – wenn nicht durch Argumente. Damit, ihnen (egal ob Nazis oder Transfeinden) zu zeigen, dass sie am Ende machtlos sind.

Sie schließt, den Thread dann mit den Worten “Yep, we’re going to replace you.” – ja, wir werden euch ersetzen.

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