Kummerkastenantwort 1.857 – was bedeuten Gender?

Hey,

ich verzweifle im Moment schlichtweg. Ich bin mir über mein Gender unsicher, ich fühle mich, als wäre ich trans.
Aber dann frage ich mich immer:

Was bedeutet es eine Frau oder ein Mann zu sein?

Alle möglichen, auch nicht-binären Label, basieren darauf. Egal ob es darum geht, dass man sich eben nicht so sieht. Oder ob es gar nicht um Gender sondern um die Sexualität geht. Immer Mann, Frau, anderes, nichts, mehreres, ….

Und jetzt sitze ich hier, finde keine Antwort auf die Frage, was es bedeutet zum Beispiel weiblich zu sein.
Es geht mir um Gender – also nicht gleich „Menschen mit XX Chromosomen“ oder so. Alles, was mir als mögliche Antwort einfällt sind Stereotypen, Vorurteile und Klischees. Im Internet finde ich nur „Antworten“ wie 《für mich bedeutet Frau-sein, frei entscheiden zu können, was ich machen möchte》, aber genau das gleiche findet man auch auf die Frage, was es heiße, Mann zu sein.

Man kann XY Chromosomen haben, einigen „männlichen“ Stereotypen entsprechen und trotzdem vom Gender her Frau sein. Oder man hat XX Chromosomen, entspricht hier ein paar Stereotypen und dort ein paar und fühlt sich aber komplett männlich.

Und ich kann nicht sagen was es ausmacht. Nur, dass ich eben etwas fühle und etwas bin. Ich weiß, das eigene Empfinden zählt, schließlich ist es die eigene Identität.
Nun denke ich sehr rational und komme schwer damit klar, wenn für eine Sache die logische Erklärung oder die richtige Antwort fehlt.

Und auf die Frage, „was heißt es, [ ] zu sein?“ gibt es ja nur ziemlich philosophische Antworten. Ich für mich finde keine Worte.

Was denkt ihr?
Was bedeuten Gender? Sind Antworten überhaupt nötig?

VG, Chris

Hallo Chris,

die Frage, was es bedeutet, ein Mann oder eine Frau zu sein, ist eine super tiefgreifende und super schwierige Frage.

Wenn jetzt jemand herginge und alle Frauen fragen würde, was Frausein für sie bedeutet, und dann versuchen würde, damit eine allgemeingültige Definition zu bauen, endete das sehr sicher nicht in Klarheit. Sondern vermutlich in einem riesigen Chaos und einer absolut nicht nützlichen Definition.

Philosophen im alten Griechenland haben mal versucht, eine Definition für Mensch zu finden. Die Diskussion endete damit, dass jemand ein gerupftes Huhn durch den Raum warf und rief „schaut, ein Mensch!“ – das scheiterte an anderen Fragen, sicher, aber die Lehre bleibt: Manche Dinge werden einer von außen anwendbaren eindeutigen und einfachen Definition immer entbehren müssen.

Die einzig schlüssige und mächtige Definition geht hier andersrum: Aus einer inneren Überzeugung heraus, kann die einzelne Person aussprechen, dass sie eine Frau ist. Jeder messbare Versuch, das zu bestätigen oder zu widerlegen, führt zu einer sehr ungünstigen Situation, dass das Frauen zweiter Klasse schafft (diejenigen, die es von sich sagen und diejenigen, die es dann wirklich auch wären).

Das ist nun eine recht queere Herleitung. Ginge aber auch anders. Das Verfassungsgericht in Deutschland hat in einer Entscheidung begründet, dass sich das Geschlecht nicht allein nach genetisch-anatomisch-chromosomalen Merkmalen bestimmen oder gar herstellen lässt.

Das hilft nun nur so halb. Die andere Hälfte ist eine gesellschaftliche Frage, denn Gesellschaft mach Geschlecht. Unsere Vorstellung, was eine Frau ist oder ausmacht, ist immer eine, die von unserem Umfeld, der Gesellschaft und dem Zeitalter geprägt ist. Das ist schon wieder kein bisschen greifbar, super beliebig und wirkt nun erstmal wie eine eher schlechte Nachricht auf der Suche nach etwas greifbarem, das eine Definition hergeben könnte.

Darin steckt aber Freiheit. Eine Frau ist eine Frau, weil sie eine Frau ist. Nicht, weil sie die richtige Frisur, Obeweite, Klamotten, Knochen, Augenfarbe hat. Wir können und dürfen dran arbeiten, mehr zu werden, wer wir sind. Aber dieses Ideal ist ein höchstpersönliches, in das uns niemand und keine Definition reinreden darf.

Liebe Grüße
Xenia

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