Kummerkastenantwort 2.003: Soll ich zuhause einfach so tun, als wäre ich nicht trans?

Liebes Kummerkasten-Team,

vor etwa 6 Monaten outete ich mich vor meiner Familie als trans. Leider verwenden meine Geschwister und meine Mutter immer noch meinen alten Namen und die falschen Pronomen. Das tun sie obwohl ich mit ihnen lange Gespräche geführt habe.

Meine Mutter geht allgemein nur auf meinen Körper ein und sagt mir, dass ich einen “Unglücksraben” in mir tragen würde, der nie zufrieden sei und daher immer Veränderung anstrebe. Meine Mutter möchte, dass ich mich von queeren Menschen distanziere, damit ich mich nicht mehr mit meinem Geschlecht auseinandersetze; sie würde ja auch nicht den ganzen Tag darüber nachdenken, dass sie eine Frau sei.

Mich macht es so müde, meine Familie immer zu korrigieren und meiner Mutter das trans 101 zu erklären. Mich macht es so traurig, dass ich in meiner Familie nicht ernst genommen werde. Und meine Familie kein sicherer Ort für mich als trans Person ist.

Nun frage ich mich, ob ich einfach das Thema meiner Transidentität ausklammern soll, um diesen Konflikt zu vermeiden. Es tut mir natürlich weh, mit dem falschen Namen und den falschen Pronomen angesprochen zu werden und noch als Mann gesehen zu werden. Jedes Mal wenn ich nach Hause komme von ihr, ich wohne nicht bei mehr bei meiner Mutter, muss ich weinen und hinterfrage meine ganze Transidentität.

Sollte ich einfach ausklammern, dass ich trans bin? Ich könnte mir vorstellen, dass das für mich die einfachere Lösung wäre. Meine queeren Freunde sind der einzige ganz sichere und angenehme Ort für mich.

Liebe Grüße und lieben Dank für eure Arbeit!
Merle (sie/ihr)

Hallo Merle,

die Trennung zwischen “zu Hause” und “angenehme Orte” für dich klingt in sich schon ziemlich schmerzhaft. Und in meine Augen sollte da keine sein. Vielleicht ist es ein gedanklicher Ansatz für dich, wenn du eine rote Linie ziehst. Und dir selbst sagt, dass zuhause nur da sein kann, wo du angenommen und gewollt bist wie du bist. Dann brauchst du möglicherweise eine neue Bezeichnung für “wo du bist, wenn du bei deiner Familie” bist. Und es klingt erstmal wie bisschen Etikettenschwindel. “Wenn es nicht mehr dein zuhause ist, ist weniger schlimm, wenn Leute nicht ok zu dir sind” – das ist nicht die Idee. Die Idee ist, dass du dann die Chance hast, dein Zuhause untrennbar gedanklich mit einem Ort, wo du dich wohlfühlen kannst, zu verbinden. Diesen Ort vielleicht auch erst zu schaffen.

Ganz ähnlich sehe ich das mit Familie. Eltern und Geschwister sind sozusagen so eine Art Starterpaket, die Familie werden und sein können. Wenn die aber aus irgendwelchen Gründen (zum Beispiel, weil sie einen nicht akzeptieren) eher eine anstrengende Truppe sind, ist es vollkommen in Ordnung, sich eine Wahlfamilie zu suchen. Also Menschen, bei denen du dich wohlfühlen kannst. Bei denen du angenommen wirst. Das heißt nicht, dass du deine bisherige Familie komplett zurücklassen musst. Aber zu schauen, wie viel Zeit mit denen dir gut tut und entsprechend nicht mehr einzuplanen, kann ein guter Schritt sein.

Liebe Grüße
Xenia

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