Kummerkastenantwort 5.018: Ich bin mir nicht sicher, ob ich wirklich transmännlich bin.



Hallo,



Seit mittlerweile 5 Jahren struggle ich mit meinem Geschlecht und habe mich ein paar mal an euch gewandt.



Ich bin AFAB und fühle mich wie ein Junge bzw. mittlerweile wie ein Mann (bin jetzt 22).



Bezogen auf mein Geschlechtsgefühl bin ich mir 100% sicher ein Mann zu sein.



Es gibt aber dennoch Teile, die mich verunsichern oder stocken lassen.



1. Mein Männlichkeitsgefühl unterscheidet sich von dem Männlichkeitsgefühl, was ich aufgrund von der Gesellschaft und dessen Erwartung kreiert habe. Mein Männlichkeitsgefühl fühlt sich ein kleines bisschen Wärmer an, als das der Gesellschaft. Daher Zweifel ich manchmal daran, auch wenn ich es nicht mit Weiblichkeit verbinden kann, weil der männliche Körperbau einfach besser zu diesem Gefühl passt.

2. Bezogen auf den Körper habe ich auch ein Problem. Eine flache Brust passt besser zu mir, aber der Abstand von Schulter und Hüfte passt mir nicht. Bei Männern ist er mir zum Teil zu groß. Deswegen habe ich auch manchmal ein Unwohlsein. Bei Frauen sieht er schöner aus, weswegen ich diesen bevorzuge, aber der passt zu mir eigentlich auch nicht, weil er dann wieder zu breit wirkt und eine weibliche Taille passt auch nicht zu mir. Ebenfalls will ich nicht zu kantig von den Konturen wirken. Weiblichen wäre mir aber wieder zu weich. Ein männlich weich halt.



Aufgrund des zweiten Punktes wurde mir von einer anderen Transperson abgeraten, medizinische Transition zu machen sondern nur soziale. Ich will aber auch nicht so bleiben vor allem seitdem ich weiß, dass die weibliche Hüfte bis 30 noch in die Breite geht und sie mir jetzt schon entschieden zu weit ist. Seit einem Jahr gehe ich auch selten noch aus dem Haus, weil ich zugenommen habe und mein Binder nicht mehr so gut funktioniert wie früher. Deswegen kann ich auch nicht mehr so intensiv fühlen. Ich weiß nur, dass ich mich eher als Vater vorstellen kann und es wirklich begrüßen würde, ein Kind gezeugt zu haben, obwohl ich als Kind eigentlich Mutter gespielt habe

Auch das Zeige-, Ringfinger Verhältnis macht mir zu schaffen, weil ich ein weibliches habe. Hab zwar mindestens einen Trans Mann entdeckt, bei dem es auch so ist, aber ich Zweifel oft meine Beobachtung an, vielleicht habe ich es in einem falschen Winkel gesehen etc.



Dadurch frage ich mich, ob ich wirklich transmännlich bin oder nicht. Manchmal frage ich mich, ob ich nicht ich einfach weiblich sein kann, weil es mir nicht schlecht geht als weiblich gesehen zu werden.



Habt ihr einen Rat an mich?



Mit freundlichen Grüßen Sam

Hallo Sam!

Also: Das mit dem Zeige-/Ringfinger-Verhältnis ist bisher nicht wirklich erforscht. Das einzige, was mehr, oder weniger gesichert ist, ist, dass das Fingerlängenverhältnis vom Hormonverhältnis zu einem bestimmten Zeitpunkt der Schwangerschaft abhängt. Ob eine Person trans ist, oder nicht, ob eine Person ein Mann ist oder nicht, lässt sich vom Fingerlängenverhältnis nicht ablesen. Alle Studien, die bisher dazu gemacht wurden, sind wissenschaftlich fragwürdig. Ich kenne sowohl cis Frauen und cis Männer, als auch trans Frauen und trans Männer, mit für ihr Geschlecht „untypischem“ Fingerlängenverhältnis.

Geschlecht fühlt sich für alle Menschen unterschiedlich an. Unsere Gesellschaft ist total sexistisch und patriarchal geprägt – aber dieser sexistische, patraiarchale Typ Mann ist nicht die einzig richtige Art, ein Mann zu sein. In Serien oder Filmen sind es doch z.B. oft genau die Charaktere, die von diesem vermeintlichen Männlichkeitsideal abweichen, die vom Publikum besonders geliebt werden. Ich sehe dein „weicheres“ Männlichkeitsgefühl nicht als Grund dafür an, dass du kein trans Mann sein kannst.

Ob du medizinisch Transitionieren willst und ob das das Richtige für dich ist, kannst nur du allein entscheiden. Hier gilt aber auch: du kannst einige Schritte machen, und andere auslassen. Du kannst, falls du glaubst, dass dich eine flache Brust weniger belasten würde, eine Mastektomie machen lassen, musst aber nicht zwangsweise Testosteron nehmen. Oder du nimsmt Testosteron, aber lässt keine Mastektomie machen. Vielelicht ist Microdosing von Testosteron auch etwas, das für dich in Frage kommt – die Veränderungen durch Testosteron sind dabei langsamer und so kannst du besser abpassen, ob es für dich passt oder eben nicht.

Versuch einmal, die Frage, ob du wirklich trans bist oder eben nicht, in den Hintergrund zu stellen. Frag dich stattdessen: „Was würde mir in meinem Leben gut tun?“

Letzten Endes ist es völlig egal, ob du als Kind die Mutter oder den Vater gespielt hast – wichtig ist vor allem, wie du dein jetziges Leben einrichten kannst, so, dass du dich darin wohl fühlst. Ob eine medizinische Transition dafür der richtige Weg ist, musst du leider ganz allein für dich herausfinden. Wenn du dich dagegen entscheidest, bedeutet das aber nicht, dass du nicht trans sein kannst, oder kein richtiger Mann bist.

Ich wünsche dir viel Glück auf deinem Weg!
Liebe Grüße,
Elias

 

 

 

 

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