10 queere Jugendliche erzählen von ihrem Coming Out

Wir haben zehn queere Jugendliche gebeten, von ihren Erfahrungen zu erzählen: Wie haben sie herausgefunden, dass sie queer sind? Wie haben sie ihre Label gefunden? Wie haben sie sich bei Familie und Freund*innen geoutet?

In diesem Beitrag sind ihre Geschichten. Wir haben sie nicht gekürzt oder verändert, nur ein paar Tippfehler korrigiert. Und: natürlich sind das hier nicht ihre richtigen Namen, sondern Pseudonyme, die sie sich selbst ausgesucht haben.

Ich habe mich nie wirklich für Jungs interessiert, aber sehr lange war es für mich (wie wahrscheinlich für viele anderen auch) sehr logisch, dass ich mich irgendwann in einen Jungen verliebe. Durch Zufall habe ich queere Serien und Bücher entdeckt und fühlte mich auf ein verstanden. Es schlichen sich ganz leise Fragen wie „Was, wenn ich auch queer bin?“ oder „Kann es wirklich sein, dass ich nicht auf Jungs stehe?“ in meinen Kopf und wurden mit der Zeit immer lauter. Mir fiel auf, dass ich viel lieber ein Mädchen oder eine nicht-binäre Person küssen würde. Auch wenn für mich der Gedanke nicht hetero zu sein gar nicht schlimm war, hatte ich Angst mir alles nur einzureden und doch nicht queer zu sein. Ich zerbrach mir den Kopf über verschiedene Label und schaute mit was ich mich wohl fühle. Ich war mir lange unsicher (und bin es immer noch) welches Label zu mir passt und es kommen immer wieder neue Fragen dazu. Deshalb  habe ich beschlossen mich fürs erste als queer zu labeln und fühle mich damit auch sehr wohl😊

Eine Freundin hat meine Selbstfindungsphase bemerkt und mich irgendwann darauf angesprochen, ob ich queer bin. Daraufhin habe ich ihr alles erzählt und mich nach einem Jahr endlich jemandem anvertraut. Sie hat super cool reagiert und mich von Anfang an zu 100% unterstützt. Vor einigen Wochen habe ich mich noch vor ein paar anderen Menschen geoutet, die alle super verständnisvoll und lieb reagiert haben. Ich bin froh und dankbar Menschen an meiner Seite zu haben, die so offen sind und mich akzeptieren, wie ich bin. Es wäre schön, wenn in der Schule mehr über queer-sein gesprochen wird und man sich dadurch nicht so alleine fühlt. Es hat lange gebraucht, dass ich verstanden habe, dass es okay ist, verwirrt zu sein, Fragen zu haben und es vielen anderen Menschen auch so geht. Es ist okay, nicht auf alles eine Antwort zu finden und wir sind alle genau richtig, wie wir sind!

Mika (sie/ihr), 15 Jahre, queer

Ich habe dadurch das ich es abstoßend fand mit einem Mann zusammen zu sein, herausgefunden das Ich nicht hetero bin. Inzwischen würde Ich mich als pansexuell labeln. Inzwischen glaube Ich auch, dass Ich nicht-binär bin. Da bin Ich mir aber noch sehr unsicher. Die Coming Outs als pan liefen alle einigermaßen gut. Aber leider haben die meisten keine Andeutungen verstanden und Ich musste ihnen Wort für Wort sagen das Ich Queer bin. Dann dachten immer alle das Ich lesbisch bin, als zweites wurde dann gedacht das Ich bi bin. Ich musste immer allen erklären was es bedeutet, woher ich es weiß, etc. Das nervt auf Dauer echt, Ich würde mir wünschen, dass die Menschen dafür sensibilisiert werden, das nicht alle cis-hetero sind und auch darüber aufgeklärt wird. Es sollte nicht so sein das queere Menschen sich dafür erklären oder rechtfertigen müssen. Es sollten nicht immer die Personen selber erklären was ihr Label bedeutet oder warum sie sich nicht labeln möchte. Ich wünsche mir einfach das es normaler wird und das du nicht immer gefragt wirst ob du nicht zu jung seist.

icecream(dey/demm), 14 Jahre, pansexuell/neptunic+ nicht-binär

Ich habe sehr früh darüber nach gedacht, welche Sexualität ich habe.

Für mich war es total schwer, weil ich nicht mitbekommen habe, wie sich auch andere Personen Gedanken über sich selbst gemacht haben! In der Zeit habe ich angefangen mich selbst zu hassen und schlecht von mir selber zu reden/ denken. Damals habe ich mich in eine Freundin verliebt… Ich dachte das meine Freundesgruppe cool damit sein würden also habe ich mit ihnen darüber gesprochen( sie war nicht dabei). Sie haben angefangen mich damit aufzuziehen und haben es denke ich nicht richtig verstanden.

Ich habe ganz viel recherchiert und angefangen mehr über mich zu erfahren, aber habe mich immer noch alleine gefühlt.☹️

Langsam habe ich aber auch für mich selber verstanden, dass es okay ist queer zu sein, ich fand den Gedanken irgendwie toll!😊

Trotzdem hatte ich große Angst mich noch einmal zu outen, ich hatte Angst, dass mich die Menschen wieder nicht verstehen.

Über ein Jahr habe ich mich versteckt und mit niemandem gesprochen, bis sich meine Cousine bei mir geoutet hat

Ich habe mich nicht mehr alleine gefühlt und habe ganz viel mit ihr gesprochen.

Über ihre Erfahrungen und Outings und sie hat mir ganz doll geholfen

(Danke❤️)

Irgendwann habe ich mich mit dem Label lesbisch total wohl gefühlt und dachte ich hätte es „geschafft“.

Dann habe ich das Label Non-binary gehört! Am Anfang habe ich ehrlichgesagt gedacht was ist denn das, weil viele Leute darüber Witze gemacht haben und ich es auch einfach nicht kannte. Vor kurzer Zeit habe ich gemerkt, dass dieses Label MICH beschreibt😊

Ich habe mich total überfordert gefühlt, weil nun noch eine „Reise“ beginnt…

Mittlerweile denke ich dass ich mich gar nicht komplett Labeln muss sondern, dass ich auch einfach irgendwo Non binär sein kann (so ein bisschen wie in einem Weltall, einfach komplett rum fliegen, überall her, überall sein😅).

Und dass ist auch vollkommen okay! Geh mit dem Label/oder kein Label mit dem du dich wohl fühlst!❤️

Ich bin bei meinen Eltern als Lesbisch geoutet, habe aber immer noch Angst das Non binär sein anzusprechen. Mir hilft es aber auf jeden Fall mit anderen Menschen zu sprechen z.B. im Regenbogen-Chat, Jugendzentren oder Vertrauenspersonen

Was ich gerne gehört hätte wäre: du bist auf KEINEN FALL falsch!😘 Du bist Du! Du musst dich nicht entscheiden und für dich und deine Sexualität oder Identität entschuldigen! Lass dir so viel Zeit wie du brauchst, meine „Reise“ hat bisher 3 Jahre gedauert und sie ist noch nicht vorbei. Und auch wenn’s schwer ist liebe dich Selbst!❤️❤️❤️ Du bist gut so wie du bist, es gibt immer Menschen dich dich akzeptieren und lieben!🫶❤️❤️😘

Rie (dey/demm), 14 Jahre, lesbisch/irgendwo non binär😅

Ich habe immer gedacht, ich wäre straight, weil das in unserer Gesellschaft leider immer noch die Norm ist… Wäre das nicht so und gäbe es mehr Aufklärung über das LGBTQIA+ Spektrum, wäre ich sicher nicht zwei Jahre komplett verwirrt gewesen, was meine sexuelle und romantische Identität angeht.

Ich weiß noch, wie ich mich gefühlt habe, als ich das erste Mal ein queeres Buch gelesen habe. Ich war total begeistert davon, wusste aber zu dem Zeitpunkt noch nicht, warum. (Seitdem besteht mein Bücherregal fast nur noch aus queeren Büchern 😊).

Ich habe mich viel mit der LGBTQIA+ Community beschäftigt und dachte, das mache ich nur, weil ich auch gerne dazu gehören würde, auch wenn das jetzt im Nachhinein für mich wie eine Ausrede klingt.

Ich dachte dann erstmal eine Zeit lang, ich wäre einfach ein Ally, und war in einen Jungen verliebt und damit erst mal beschäftigt. Trotzdem habe ich immer mal wieder darüber nachgegrübelt, warum ich weibliche und nicht-binäre Personen deutlich attraktiver finde als männliche und mir viel besser vorstellen könnte, sie zu küssen als Jungs, den Gedanken dann aber wieder verworfen, weil ich ja in einen Jungen verliebt war. Mein Problem war, dass für mich alles dafür gesprochen hat, dass ich lesbisch bin, nur war ich eben in einen Jungen verliebt. Aber bisexuell hat auch nicht gepasst für mich…

Dann habe ich mich erneut verliebt, diesmal in ein Mädchen, habe mir aber eingeredet, ich würde mir das nur einbilden, weil ich gerne queer wäre. (Dank Queer Lexikon weiß ich jetzt, dass es vielen queeren Menschen so geht und man dieses Gefühl Queeres Imposter-Syndrom nennt. Danke an euch an der Stelle, ihr habt mir bei so vielem weitergeholfen ♥️)

Das war ein endloses verwirrendes Gedankenchaos, bis ich dann auf das Split Attraction Modell gestoßen bin, und ich war nur so… WOW. Ich hatte einfach das Gefühl, dass etwas in mir an den richtigen Platz gefunden hat und fühlte mich hundertprozentig wie ich selbst. Inzwischen weiß ich, ich bin biromantisch lesbisch und ich mag es 🙂 Vielleicht ändert sich mein Label irgendwann noch, aber im Moment fühle ich mich wohl damit. Was ich euch sagen will: Tut das, womit IHR euch wohlfühlt, nicht da, was die Menschen um euch herum von euch erwarten. Labelt euch so, wie ihr es wollt, oder labelt euch nicht. Es ist egal, Hauptsache, euch geht es gut damit ♥️

Ich will mich auch ganz bald bei meiner besten Freundin outen, weil das ein Teil von mir ist, über den ich reden will und der zu mir gehört.

Dass ich zwei Jahre gebraucht habe, meine Gefühle einzuordnen, ist für mich ein Zeichen dafür, dass es auf der Welt mehr Aufklärung geben sollte über etwas, was viele Personen fühlen und nicht in Worte fassen können.

Und wenn es euch mal so vorkommt, als würdet ihr allein mit eueren Gefühlen sein, dann verspreche ich euch, dass das nicht so ist und dass das vorbeigeht! Seid stolz auf euch und liebt euch so, wie ihr seid, weil ihr wunderbar seid ♥️🥰!

Chili (sie/ihr), 13 Jahre, biromantisch lesbisch

Als ich das erste Mal etwas von transgender gehört habe (war wahrscheinlich irgendeine Doku), habe ich das gar nicht mit mir selber in Verbindung gebracht, aber dann habe ich gemerkt, dass es mir besser geht, wenn ich mich selbst als Junge sehe.

Ich habe mich dann als erstes bei meiner besten Freundin geoutet. Sie hat zum Glück sehr gut reagiert, nennt mich bei meinem Wunschnamen und wenn ihr doch mal mein Deadname rausrutscht, korrigiert sie sich und lässt sich auch korrigieren. Darüber bin ich sehr froh, denn ich weiß nicht, was ich gemacht hätte, wenn sie das nicht akzeptiert hätte.

Das hat mir dann Mut gemacht und ich habe mich bei meinen Eltern, bei der Schulpsychologin und vor kurzem sogar bei meiner Klassenlehrerin geoutet. Ich hatte echt großes Glück, da mich alle ernst genommen haben und mich auch unterstützen. Nur meine Mutter ruft meine kleine Schwester und mich noch häufig mit „Mädchen“. Aber auch sie lässt sich korrigieren und sagt, dass das nur Gewohnheit ist.

Allerdings hatte ich (und habe immer noch) große Zweifel, ob das alles nur eine Phase ist und ich mir das alles nur einrede, aber inzwischen bin ich zu dem Schluss gekommen, dass selbst wenn es nur eine Phase ist, nichts falsch daran ist. Es geht darum, wie es mir JETZT am besten geht und nicht darum, dass ich jetzt festlegen muss, wie ich für immer leben muss.

Außerdem hatte ich am Anfang ständig so Gedanken wie:“Oh nein, ich tanze gerne Ballett, jetzt kann ich doch gar nicht trans sein!“ Aber Hobbys und Farben haben kein Geschlecht, du kannst auch ein balletttanzender Junge sein, das macht dich nicht weniger trans.

Zum Schluss möchte ich noch ein paar Dinge schreiben, die mir während meiner stärksten Zweifel geholfen hätten:

  • Es ist egal, wann und wie du es herausfindest.
  • Du musst dir nicht zu 100% sicher sein. Du kannst dich immer Menschen anvertrauen oder dich so labeln, wie es sich für dich gerade richtig anfühlt.
  • Selbst wenn es sich als anders herausstellt, wie du dachtest, ist das nichts schlimmes. Natürlich ist es unangenehm sich zu outen und dann wieder „zurückzuouten“, aber du überlebst das. Und wenigstens hast du dich mit dir und deiner Identität auseinandergesetzt und bestimmt etwas herausgefunden, was du vorher noch nicht wusstest.

Mein Weg hat vor 2 Jahren angefangen und ist noch lange nicht zu Ende, denn immer mehr kommt jetzt auch die Frage nach der Sexualität. Aber ich werde mich auch hier ausprobieren und irgendwann etwas finden, was passt.

Felix (er/ihn), 13 Jahre, trans Mann und schwul

Ich habe schon vor 4 Jahren einmal überlegt, ob ich vielleicht nicht hetero bin, war da aber erst 11 und kannte mich mit dem Thema gar nicht aus, ich wusste, dass es Menschen gibt, die nicht hetero sind, fand das damals schon anders als meine Freund* innen immer ganz normal und habe nicht verstanden, warum sie sich darüber lustig gemacht haben. Damals hatte ich mich persönlich nie mit der queeren Community in Verbindung gebracht, brauchte das auch nicht, ich war auch so zufrieden. Bis ich mich in meine damalige beste Freundin verliebt oder wenigstens verguckt habe. Ich hatte das damals überhaupt nicht gemerkt, ich war noch extrem jung und habe halt unheimlich gerne Zeit mit ihr verbracht, dachte ich mir. Wenn ich besser aufgepasst hätte, hätte ich es mir damals schon denken können, alle meine Freund* innen hatten ihren ersten Crush, nur ich habe davon bei mir angeblich nichts gemerkt, zumindest habe ich mir das eingeredet. Aus heutiger Sicht betrachtet hatte aber auch ich zu der Zeit schon meinen ersten Crush, aber eben auf ein Mädchen. Ich habe auch damals schon überlegt, ob ich vielleicht lesbisch bin, dachte mir aber immer, dass das nicht möglich wäre, warum wusste ich selber nicht. Heute denke ich, dass ich wahrscheinlich Angst vor der Wahrheit hatte. Nach diesem ersten queeren Crush kamen noch weitere, aber auch Jungs, weshalb ich lange Zeit dachte, dass ich straight wäre. Irgendwann habe ich durch Social Media sehr viel über die queere Community erfahren und war direkt ein riesiger Ally, ich wusste nicht, warum, aber ich war von der Bewegung fasziniert, dachte nur, dass ich selbst nie dazu gehören würde, weil ich eben ein paar Crushes auf Jungs hatte. Und dann irgendwann kam die Erkenntnis, sehr schleichend aber sie kam, ich merkte, dass ich auch Mädchen sehr attraktiv fand und spielte mit mehreren Labels, entschied mich dann letztendlich für bi. Bei diesem Label muss ich mir keine Gedanken darüber machen, wen ich ich mag, ich mag halt wen ich mag, und auch wenn es mehrere Labels in diese Richtung gibt, fühle ich mich mit bi am wohlsten. Vor ein paar Monaten war ich für zwei Monate in Frankreich und habe mich dort in eine Französin verliebt, das war dann der Moment, an dem ich mir zu 100 Prozent sicher war. Heute bin ich noch nicht geoutet, habe davor auch Angst, ich weiß nicht genau, ob und wie es in meinem Umfeld akzeptiert wird, dennoch habe ich es mir für das kommende Jahr vorgenommen, ich möchte mich nicht verstecken.

So, ein paar Dinge möchte ich noch loswerden, die mir bei meinem Weg mich selbst zu finden geholfen hätten:

  • du musst nicht verliebt (gewesen) sein um zu wissen, dass du queer bist
  • es ist vollkommen in Ordnung, mal nicht zu wissen, wer man ist, das gehört dazu und machen wir alle durch
  • Struggels sind normal, es braucht seine Zeit, sich selbst zu finden
  • nur weil du nicht genau so bist, wie die anderen, heißt das nicht, dass du allein bist
  • deine Sexualität und deine Genderidentität sind nicht deine gesamte Identität, du bist mehr als das , du bist ein wundervoller Mensch und ein einzigartiges Individuum, du kannst dich mit so vielen und so wenigen Dingen identifizieren wie du willst
  • tu nur das, wozu du auch bereit bist
  • egal welche Sexualität und welche Genderidentität du hast, wenn du queer bist bist du queer, das ist so und auch richtig so, auch wenn es seine Zeit braucht, das zu glauben, du bist nie zu wenig oder zu viel queer, du bist richtig so wie du bist

Aber egal wer du bist und wen du liebst, was du für eine Zeit gerade durchmachst, fühl dich umarmt. Geh deinen Weg, so wie es für dich am leichtesten ist und lass dich dabei nicht von anderen unterkriegen 💜💙💚💛🧡❤️

Isa (sie/ihr), 15 Jahre, bi

Ich (w) habe mich vor zwei Jahren in eine Freundin verliebt. Es war sehr verwirrend. Meine Erfahrung mit Liebe war sowieso nicht so groß, weil ich bis dahin nur einmal einen kleinen Crush auf einen Jungen hatte. Mein Label war dann erstmal bisexuell. Aber ich war extrem unsicher, ob es vielleicht nur eine Ausnahme ist (das ich auf ein Mädchen stehe) oder dass ich es mir nur einbilde. Das war der Grund, warum ich es fast niemandem erzählt habe, außerdem habe ich viel darüber nachgedacht, wem ich es erzählen kann. Und gerade jetzt frage ich mich oft: Wieso kann es nicht einfach egal sein? Wieso muss ich überlegen, wem ich sagen kann, wer ich wirklich bin?

Jetzt habe ich es ein paar Freundinnen gesagt, die es zum Glück alle gut aufgenommen haben.

Dann kam eine Zeit, in der ich das ganze queer sein eher verdrängt habe. Ich hatte teilweise immer noch die Hoffnung, es wäre etwas Einmaliges gewesen. Wo ich mich jetzt auch frage: Wie kann es sein, dass ich gehofft habe, anders zu sein als ich bin?

Ich habe dann irgendwann bemerkt, dass ich insgesamt öfter Mädchen hinterhergucke als Jungs. Nach einiger Zeit kam dann von mir die Einsicht: Ja, das bin ich. Also habe ich mich auf die Suche nach einem passenden Label gemacht, weil ich mit bi nicht so ganz zufrieden war. Das lag vor allem daran, dass ich auch viele Definitionen von Bisexualität gelesen hatte, in denen es nur um Genitalien ging, und ich aber ganz klar der Meinung war: Das ist mir komplett egal. Mir geht es um den Charakter der Person. Deswegen habe ich dann pan benutzt.

Dann habe ich mit einer Freundin meiner Eltern geschrieben, die eine Freundin hat. Sie hat auf meine Frage, welches Label sie benutzt, geantwortet: „Keins. Es ist einfach, wie es ist.“ Ich fand das eine sehr gute Antwort und konnte mich damit dann auch ganz gut identifizieren.

Als ich auf das Queer Lexikon und den Kummerkasten gestoßen bin, wurde mir klar, dass es mir eigentlich egal sein kann, wie andere meine Label interpretieren. Oder anders gesagt: Wenn ich denke, bi-sein (mit Präferenz) beschreibt, dass ich einfach auf Mädchen und manchmal auch auf Jungs stehe, dann ist das für mich eben so.

Mittlerweile denke ich mir meistens, es ist halt, wie es ist. Auch dadurch, dass ich mich jetzt wieder in ein Mädchen verliebt habe, ist meine These, es wäre einmalig, klar widerlegt. Manchmal denke ich auch eher, ich bin homoflexibel, oder einfach queer.

Ich frage mich nur manchmal, ob ich mir den Crush auf den Jungen nur eingebildet habe, damit ich mich nicht lesbisch nennen muss. Ich wollte es einfach nicht, vermutlich weil es so oft als Schimpfwort benutzt wird. Ich weiß, dass das kein guter Grund ist, aber ich denke, es kommt für mich trotzdem nicht in Frage.

Wenn ich meinen Weg durch die queere Welt bis jetzt so betrachte, dann fällt mir auf, dass ich mir viel zu oft Gedanken darüber gemacht habe, was andere denken oder denken könnten. Ich wünschte, das wäre nicht nötig, weil es mir egal sein kann, was andere denken und weil es anderen egal sein sollte, in wen ich mich verliebe.

Ida (sie/ihr), 15 Jahre, pan/bi/queer/homoflexibel

Als ich gemerkt hab das ich non binär bin hab ich mich relativ schnell geoutet, keine Pronomen und einen neuen Namen benutzt, jetzt denke ich dass das vielleicht zu früh war, aber ich bin glücklich damit.

Ich hab dann nach einiger Zeit für mich rausgefunden das ich Non binär und trans maskulin bin und fest gestellt das ich mich mit er/ihm Pronomen wohl fühle.

Ich habe mir einen Binder gekauft und trage den auch oft.

Ich schaue viele Videos von trans Männern und glaub mittlerweile das ich ein Non binärer Trans Mann bin, denn mir ist bewusst geworden das Trans Männer feminin sein können genau wie cis Männer auch wenn der Begriff Mann immer noch nicht gut behaftet ist, in meinem Kopf.

Du kannst deine eigene Definition von Mann sein und musst nicht dem stereotypischem Mann entsprechen.

Ich lerne viel über mich selbst, meine Reise ist noch nicht vorbei.

„pass dich nie an, pass auf dich auf“-Makko

Tyler, 14 Jahre, Non Binärer Trans Mann

Das Thema queer sein zieht sich eigentlich schon durch alle Facetten meines Lebens, seitdem ich ein junger Teenager war. Aus diesem Grund könnte ich viele meiner Erfahrungen teilen. Ich werde mich aber speziell auf Erfahrungen rund um Beziehungskonzepte, Amatonormativität und aromantisch sein beziehen, da dieses Thema mehr Aufmerksamkeit benötigt.

Die ersten richtigen Berührungspunkte mit dem Label aromantisch habe ich auf einer Jugendfreizeit gemacht. Eine Freundin von mir und ich haben über Beziehungen geredet und das Verliebt sein. Ich habe ihr erzählt, dass ich noch nie verliebt war und die Erzählungen über romantische Liebe und romantischen Beziehungen nicht nachvollziehen kann. Sie hatte mir dann das Label aromantisch gezeigt und ich hatte mich sofort darin wieder gesehen.

In der Zeit zwischen damals und jetzt hatte ich viele Labels auf dem Spektrum ausprobiert. Quoiromantisch, grauromantisch, aroflux, demiromantisch … Ich war nie von dem Konzept von Beziehungen an sich abgestoßen. Dies ist entgegen der typischen Auffassung, die Menschen haben, die aromantisch als Label kennen, sich aber nie mit dem Thema richtig damit auseinandergesetzt haben. Auch bin ich nicht asexuell, was viele im gleichen Atemzug auch annehmen.

Heute ist mir das ganz genaue Label nicht mehr so wichtig und meine Auffassung zu romantischer Liebe ist gleich geblieben … naja fast. Eine unerwartete Veränderung kam in mein Leben, eine Person. Wir verstanden uns auf Anhieb super, so gut, dass irgendwann die Frage aufkam: Nennen wir das, was wir haben jetzt Beziehung? Anlass war die Tatsache, dass wir über das Konzept der Beziehungsanarchie bzw. im Englischen relationship anarchy gesprochen haben und das Smörgåsbord ausgefüllt haben, was ich aus Zufall in der Vergangenheit entdeckt habe. Unsere Antwort auf diese Frage ist: Ja, wir sind in einer Art Beziehung, aber was soll bitte Romantik genau sein? Was ist romantische Anziehung überhaupt? Eine spezifische Antwort auf beide Fragen haben wir immer noch nicht. Also Beziehung ja, aber auch irgendwie offen, wahrscheinlich nicht monogam und nicht romantisch, aber queerplatonisch fühlt sich auch nicht richtig an? Wir sehen uns nicht in der Darstellung von anderen Paaren und Romantik wieder, wir wollen nicht Heiraten, Kinder wollen wir auch nicht und wir lehnen die normativen Regeln der Gesellschaft rund um wie genau romantische Beziehungen ausgelebt werden müssen ab. Naja, ist ja auch eigentlich egal. Sich der Amatonormativität zu beugen, ist sowieso nicht unser Ziel.

Unsere Entscheidung: Einfach unser Ding durchziehen und machen, was uns glücklich macht, ist unser jetziges Motto. Ein genaues (Beziehungs) Label ist zweitrangig und Label können sich auch ändern.

Trotz alledem fühle ich mich mit der aromantischen Community verbunden, aufgrund meiner beschriebenen Erfahrungen.

J (alle Pronomen), 20 Jahre, queer, trans*, nicht-binär, aromantisches Spektrum, bisexuell, Beziehungsanarchist, nicht-monogam

Auf das Thema Queerness bin ich tiefergehend eigentlich erst mit dem Queer Lexikon gestoßen. Es hat mir neue Worte gegeben, in denen ich mein Empfinden wiedererkennen konnte. Ich hatte schon zuvor die gleichen Gefühle, dass ich mich nocht nicht verliebt habe und auch kein Bedürfnis nach einer romantischen oder sexuellen Beziehung habe, aber erst durch das Queer Lexikon bin auf Worte gestoßen, die das beschreiben können. Dass es zu den Tatsachen, dass ich mich in meinem Leben noch nicht verliebt habe, dass ich Menschen verschiedener Geschlechter ästhetisch finden kann, dass das bei der Geburt zugewiesene Geschlecht nicht so ganz passt, Worte gibt, hat mich dazu angeregt, genauer über mich selbst nachzudenken. Dadurch habe ich mich besser kennengelernt.

Trotzdem ist es mir nicht so wichtig, diese neuen Erkenntnisse mit anderen Menschen zu teilen. Ich habe mich nicht offen geoutet, denn queere Personen sollten das meiner Meinung nach nicht tun müssen, wenn sie es nicht wollen. Queerness ist einfach nur eine Eigenschaft, so wie Haarfarbe. Durch Färben geht die ursprüngliche Farbe nicht weg. Sie bleibt erhalten, kann sich aber auch im Laufe des Lebens etwas ändern.

Was zählt ist, dass eins selbst ein gutes Gefühl in der aktuellen Situation hat. Dazu gehört auch, zu erkennen, wenn es gerade nicht gut ist, und dann nach Möglichkeit etwas dagegen zu tun. Ich schaue beispielsweise keine Romantikfilme und sie sind auch kein geliebtes Gesprächsthema. Falls doch so was mal aufkommt oder auch Fragen in die Richtung, welche Personen eins »hot« findet, weiche ich meist vom Thema ab. Damit komme ich gut zurecht. Ich spreche nur selten über meine Queerness, fast nur im Regenbogen-Chat. Meine Ratschläge wären:

  • Schau, was dir guttut/bessertäte und setze es nach Möglichkeit um.
  • Es ist völlig valide, einen binär gelesenen Körper zu haben und sich darin wohlzufühlen, auch wenn eins nicht (vollständig) cis-binär ist.
  • Außerdem ist es nicht nötig, ein genaues Label zu haben (oder überhaupt eines), wenn eins das nicht für sich braucht. Zudem ist es auch hilfreich, sich klarzumachen, dass sie Hilfen zum Beschreiben von Tatsachen sind, aber nicht diese Realität vorgeben. Wenn ich also sage, dass meine romantische Orientierung eher auf dem aromantischen Spektrum liegt, heißt das nicht, dass ich mich nicht verlieben darf, sondern einfach, dass ich mich normalerweise nicht verliebe. Falls ich mich doch mal verlieben sollte, kann ich mir dann nochmal Gedanken drüber machen und die Beschreibung behalten oder verwerfen, aber zurzeit beschreibt das meine romantische Orientierung recht gut.

Ich wünsche euch, dass ihr glücklich seid.

Mark (am liebsten ohne Pronomen, sonst nach Wahl), 19 Jahre, nichtbinäres und aromantisches Spektrum

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