Kummerkastenantwort 5.738 – Bin ich trans und lesbisch?
Hallo liebes Kummerkasten-Team.
Ich (afab) identifiziere mich als bigender und lesbisch, zögere aber immer, ob ich das Label lesbisch wirklich benutzen kann. Hab mich schon bei drei Leuten geoutet, haben alle gut reagiert, als ich gesagt hab, dass ich auf Mädchen stehe. Aber ich stelle mir so gut wie immer vor ein Mann zu sein, bei meinen ,,Fantasien“ und wie ich da was mit einer Frau habe. Manchmal wünsche ich mir einfach nur ein Typ zu sein, der straight ist. Ich bin mir deshalb nicht sicher ob ich vielleicht doch Trans bin…bekomm dann aber angst, dass ich es mir entweder nur vormache, oder ich es wirklich bin, und wie andere dann darauf reagieren würden. Vor allem, weil ich als kleines Mädchen eigentlich schon öfter pink und so getragen habe… aber inzwischen zieh ich mich immer schwarz an (bin ein Rocker) und wurde von zwei kleinen Kindern sogar schon als Junge gesehen. Es hat sich ungewohnt angefühlt… aber eben, an manchen Tagen ist es wieder okay wie ich aussehe und sie genannt zu werden, weshalb ich ja bigender bin.
Wenn ich dann über ne Beziehung mit nem Mann nachdenke fühlt es sich nie richtig an… ich hab schon manchmal Typen attraktiv gefunden, aber ich wollte nie wirklich Sex mit denen…
PS: Ich weiß, dass es bei Farben keine Normen gibt.
Frage: Könnte es sein, dass ich doch Trans bin? Kann ich mich überhaupt lesbisch nennen? Wie kann ich mich labeln? Manchmal wünschte ich mir ich könnte meinen Körper ändern. Nur selten will ich genau so sein wie ich bin. Hab auch manchmal Voice-Dysphoria.
Danke im Voraus!
– Cayven 🙂
Hallo Cayven, danke, dass du dich mit deiner Frage an uns wendest – und dass du so offen von deinen Gedanken und Gefühlen erzählst. Es klingt, als würdest du dich gerade mit ganz vielen verschiedenen Aspekten deiner Identität auseinandersetzen – das ist total mutig und auch ziemlich stark.
Zuerst mal: Ja, du darfst dich lesbisch nennen.
Es gibt viele lesbische Menschen, die nicht (nur) als Frauen leben oder sich so identifizieren. Du schreibst, dass du bigender bist – also fühlst du dich teils als Mann, teils als Frau (oder vielleicht wechselst du zwischen diesen Identitäten oder anderen zwei Identitäten). Wenn du dich zu Frauen hingezogen fühlst, ist lesbisch ein Label, das du für dich nutzen kannst – wenn es sich für dich richtig anfühlt. Identitäten sind nicht binär oder starr – viele queere Menschen leben und lieben jenseits von Kategorien, die sich nur an einem Geschlecht festmachen.
Und ob du trans bist?
Das kann gut sein – und es ist auch okay, sich da noch nicht sicher zu sein. Trans* sein bedeutet im Kern, dass mensch sich nicht (nur) mit dem Geschlecht identifiziert, das einem bei der Geburt zugewiesen wurde. Du schreibst, dass du dir oft vorstellst, ein Mann zu sein, dass du dir manchmal wünschst, ein „straight guy“ zu sein, dass du manchmal deinen Körper verändern willst, Voice-Dysphorie erlebst… All das können Hinweise darauf sein, dass du trans bist – müssen es aber nicht. Du musst keine Checkliste erfüllen. Vielleicht bist du trans, vielleicht bist du nicht-binär, vielleicht bist du genau richtig als bigender – vielleicht verändert sich das auch noch. Und das ist alles okay.
Was das Labeln angeht:
Labels sind Werkzeuge – sie helfen uns, uns selbst besser zu verstehen und mit anderen in Verbindung zu treten. Aber sie sind kein Test, den man bestehen muss. Du darfst ausprobieren, was zu dir passt – und du darfst dich umentscheiden. Lesbisch? Bigender? Trans? All das kann gleichzeitig stimmen. Vielleicht magst du auch Begriffe wie trans maskulin, genderfluid, genderqueer oder nonbinary lesbian erkunden. Oder du nimmst einfach das mit, was sich gerade stimmig anfühlt, und lässt den Rest erstmal offen.
Ein Gedanke noch:
Deine Kleidung, was du als Kind getragen hast, wie du von anderen gesehen wirst – das alles macht deine Identität nicht weniger oder mehr „gültig“. Viele von uns verändern sich im Laufe ihres Lebens. Wichtig ist, was sich für dich jetzt gerade gut und stimmig anfühlt.
Und ja, es ist total okay, manchmal unsicher zu sein, sich Fragen zu stellen, auch Angst zu haben. Du bist nicht allein damit. Es gibt viele Menschen, die Ähnliches fühlen – vielleicht magst du dich mal in einem queeren Peer-Support-Forum oder Discord umschauen. Und wenn du magst, kannst du auch jederzeit wieder hier schreiben.
Mit ganz viel Support und einem virtuellen Schulterklopfen 🖤
Berni vom Queer Lexikon