Kummerkastenantwort 5.737: Ich habe Fragen zu romantischer Anziehug und mir ist mein Geschlecht egal.
Hi,
ich bin13,w und habe viele Fragen:
1. Vor ca. einem halben Jahr ein guter Freund von mir, mir erzählt das er mich(romantisch) mag. Das hat mich sehr gestresst und ich wusste nicht wirklich wie ich da mit umgehen sollte, danach haben wir nicht wieder darüber geredet. Im Nachhinein habe ich erfahren das es ihn verletzt hat wie ich damit umgegangen bin und ich weiß nicht ob ich ihn noch mal darauf ansprechen soll(er hat inzwischen eine Freundin)
Da er streng christlich lebt bezieht er sich bei Homophonen Kommentaren(von ihm)immer wieder auf die Bibel, da ich damit nicht einverstanden bin machen wir auch in letzter Zeit nicht mehr so viel zusammen. Ich weiß aber auch das seine Mutter sehr streng ist und habe manchmal das Gefühl das er einfach Angst hat Queer sein für sich zu erlauben.
2.Im Nachhinein hatte ich mal das Gefühl ich ihn doch(romantisch) gemocht haben könnte, habe jetzt aber eher das Gefühl das ich’s mir eingebildet habe und kann das Gefühl von damals auch nicht mehr wirklich fassen/erklären
3.Ich glaube nicht das ich schon mal verliebt war, nach Erzählungen dachte ich es könnte auch meine Freundin zustimmen. Dann habe ich aber von dem Begriff Squish gehört und fand ihn eigentlich ganz passend. Nun weiß ich aber nicht wie ich das auseinander halten soll. Wir kuscheln(wie unsere ganze Freundesgruppe)gerne und ich glaube nicht wirklich das sie einen Crush auf mich hat aber da sie Bi ist halte ich es doch irgendwie für möglich…
4.Durch die beschriebenen Gefühle für meinen Freund dachte ich ich könnte vielleicht Idemromo sein weiß dann wiederum aber auch nicht wissen soll ob ich das oder a-romo bin. Da ich gerne mein(e) Label(s) wissen würde bin ich offen für Vorschläge 😁
5.Eigentlich fühle ich mich mit meinem Namen und auch mit dem Pronomen „sie“ wohl, aber:
1. Ist mir mein Geschlecht eigentlich garnicht so wichtig, also auch welche Pronomen für mich benutzt werden
2. Mag ich in Serien Schwule Beziehungen lieber und finde sie auch anziehend
LG
Es ist richtig stark von dir, dass du so offen über all diese Themen nachdenkst und dich traust, sie auszusprechen. Du stellst viele sehr kluge Fragen – und das zeigt, wie achtsam und reflektiert du mit dir und deiner Umgebung umgehst. Wir versuchen, Schritt für Schritt auf alles einzugehen:
1. Dein Freund, sein Coming-out und euer Kontakt:
Dass es dich gestresst hat, als er dir seine Gefühle gestanden hat, ist absolut verständlich. Du warst überrascht und wusstest nicht, wie du reagieren sollst – das passiert vielen Menschen, egal wie alt und welches Geschlecht sie haben. Es ist okay, dass du überfordert warst. Du hast nicht absichtlich etwas falsch gemacht.
Ob du nochmal mit ihm darüber reden möchtest, ist deine Entscheidung. Wenn du das Gefühl hast, es würde euch beiden guttun, könntest du es versuchen – aber das ist und bleibt ganz Deine Entscheidung.
Aber: Wenn du das Gefühl hast, dass du Abstand brauchst, weil euch inzwischen vieles trennt – z.B. seine Haltung zu queeren Themen – dann ist das auch in Ordnung. Du darfst für dich sorgen.
Dass er sich auf die Bibel bezieht, um homofeindliche Dinge zu sagen, ist nicht okay. Es kann gut sein, dass er selbst innerlich mit seiner Identität kämpft – aber das ist keine Entschuldigung dafür, andere zu verletzen. Du darfst deine Grenzen ziehen.
2. Vielleicht-hatte-ich-Gefühle-für-ihn-Gedanken:
Auch das ist total normal. Gefühle können sich verändern – oder im Nachhinein anders anfühlen. Manchmal denkt man, man mochte jemanden „mehr als nur freundschaftlich“, manchmal war es einfach intensive Zuneigung. Es ist okay, dass du es heute nicht mehr genau einordnen kannst. Deine Gefühle waren trotzdem echt.
3. Gefühle für deine Freundin, Kuscheln & Squish:
Es klingt so, als wäre da eine tiefe Verbindung zwischen euch – und es kann gut sein, dass du einen sogenannten Squish auf sie hast. Ein Squish ist so etwas wie ein „freundschaftlicher Crush“: Man will einer bestimmten Person besonders nah sein, ihr Zeit schenken, vielleicht mit ihr kuscheln – aber nicht unbedingt romantische oder sexuelle Beziehungen eingehen.
Dass du nicht sicher bist, ob sie etwas für dich empfindet, ist verständlich – aber du musst dir auch keinen Druck machen, das rauszufinden. Kuscheln in Freundesgruppen ist wunderschön und sagt nicht automatisch etwas über romantische oder sexuelle Gefühle aus. Wenn du ihr irgendwann erzählen möchtest, was du empfindest – kannst du das in deinem Tempo tun.
4. Idemromantisch? Aromantisch? Oder was ganz anderes?
Toll, dass du dich mit diesen Begriffen beschäftigst! Idemromantisch bedeutet, dass man romantische und platonische Gefühle nicht unterscheidet – Aromantisch bedeutet, keine (oder kaum) romantische Anziehung zu empfinden. Beides kann sein – muss aber nicht sein.
Vielleicht bist du irgendwo dazwischen – oder auf dem aro-Spektrum. Du darfst dir Zeit lassen, das rauszufinden – ganz ohne Druck. Labels sind Werkzeuge, keine Verpflichtungen. 😊
5. Geschlecht & Pronomen – und wie du Beziehungen wahrnimmst:
Du fühlst dich mit „sie“ wohl, aber es ist dir nicht so wichtig? Es kann daher sein, dass du dich mit dem Begriff nicht-binär auseinander setzt. Aber auch hier gibt es Labels, die du für dich benutzen kannst und auch ändern kannst.
Auch, dass du schwule Beziehungen in Serien besonders gerne magst oder anziehend findest, ist etwas, das viele queere Menschen erleben, weil es queeres Leben wiederspiegelt. Vielleicht spiegelt es ein Gefühl von Freiheit, von Identifikation, von „So könnten Beziehungen auch sein“. Das ist alles völlig okay und schön.
Was wir dir mitgeben wollen:
Du bist auf einem richtig guten Weg. Du beobachtest, du reflektierst, du stellst kluge Fragen – und du gibst dir selbst Raum, verschiedene Möglichkeiten in Betracht zu ziehen. Du bist nicht komisch. Du bist nicht allein. Und du bist absolut normal – auf deine eigene, ganz wundervolle Weise.
Du darfst dich labeln, wie du willst. Oder auch erstmal gar nicht. Du darfst deine Gefühle ernst nehmen. Und du darfst dir Zeit lassen.
Wenn du nochmal schreiben willst – jederzeit.
Berni vom Queer Lexikon