Uff, Dobrindt, nein

Ja I know, ihr wisst das das schon alle, und es wurde schon alles dazu gesagt, aber nicht von jeder, und deswegen will ich jetzt auch, weil wenn ich nicht bald meckern kann, explodier ich.

Heute: Verordnung zur Umsetzung des Gesetzes über die Selbstbestimmung in Bezug auf den Geschlechtseintrag im Meldewesen. Nein, den Namen hab ich mir nicht ausgedacht, das war das Bundesinnenministerium unter Alexander Dobrindt. Erstmal kurzer Recap, nur der Transparenz halber.

Dobrindts bisheriges politisches Wirken

Dobrindt war mal Minister für Verkehr und digitale Infrastruktur. Da wollte er irgendwie Breitbandinternet überall in Deutschland verfügbar machen – wir haben ja gesehen, wie gut das geklappt hat. Der Bundesrechnungshof war auch nicht so richtig Fan davon, dass er die Autobahn in seinem Wahlkreis über Bedarf ausbauen wollte. Dann war da noch die Geschichte, wie er die Musterfeststellungsklage gegen VW im Abgas-Skandal verhindert hat und wie er eine PKW-Maut einführen wollte, allerdings nur für Ausländer, was offensichtlich irgendwie nicht so richtig mit EU-Recht kompatibel war.

Unter Friedrich Merz wurde Dobrindt dann nun Bundesminister des Innern, wo er erstmal Zurückweisungen von Schutzsuchunden an deutschen Außengrenzen angeordnet hat, die sehr zeitnah gerichtlich unanfechtbar untersagt wurden.

Was wird nun verordnet?

Was wir nun alle ganz dringend brauchen, sind mehr Behörden, die Listen von trans Personen haben oder erstellen können. Anscheinend. Ungefähr genau das hat Dobrindts Ministerium nun per Verordnungsentwurf vorgeschlagen. Verordnungen werden, anders als Gesetze, ohne Zustimmung des Bundestags, lediglich durch Billigung des Bundesrates in Kraft gesetzt. Besagte Verordnung zur Umsetzung des SBGG im Meldewesen liest sich staubtrocken, der Großteil ist schlicht nach dem Schema: “In der Dingsbums-Verordnung wird in Paragraph soundsoviel Satz soundsoviel die Aufzählung hundertbisschenwas bis hundertbisschenwasundfünf durch hundertbisschenswas bis hundertbisschenwasundsieben ersetzt.” Bei all den Änderungen geht es um Daten, die den Einwohnermeldeämtern bereitgestellt werden oder die diese bereitsstellen. Die Zahlen verweisen dabei auf virtuelle Datenblätter nach dem DSMeld-Standard. Da, wo es bisher der aktuelle Vorname war, sind es jetzt immer auch die vorherigen Vornamen, und Datum und Behörde, die geändert hat. Da, wo es bisher der Geschlechtseintrag war, sind es jetzt auch immer bisherige Geschlechtseinträge, Datum der Änderung und ändernde Behörde.

Damit werden die Einwohnermeldeämter in der Position landen, jede trans, nicht-binäre und inter Person, die das SBGG genutzt hat, zu outen, sobald eine Anfrage bei ihnen eingeht.

Da sind auch ein paar beeindrückende Stilblüten dabei, weil zum Beispiel das Bundeszentralamt für Steuern das auch alles abrufen und bekommen können soll. Nur: Die bei Geburt vergebene Steuer-Identifikationsnummer ändert sich ein Leben lang nicht. Das identifiziert Leute schon eindeutig. Und wem’s nicht reicht, der kann ja noch einen Nachnamen oder ein Geburtsdatum dazu nehmen.

Was soll das alles?

Ich hab das Ministerium gefragt. Und ich hab eine Antwort.

Die Verordnung stellt sicher, dass Personen, die ihren Geschlechtseintrag und ihre Vornamen geändert haben, in den bezeichneten amtlichen Registern und amtlichen Informationssystemen weiterhin identifiziert werden können und deren Identität nachvollziehbar ist. Dies ist zugleich Voraussetzung, um die bereits zu der Person gespeicherten Daten zu aktualisieren. Zudem werden die Datenempfänger mit der Änderung in die Lage versetzt, in ihrem Aufgabenbereich das Offenbarungsverbot nach § 13 Absatz 1 des Gesetzes über die Selbstbestimmung in Bezug auf den Geschlechtseintrag zu erkennen und wirksam durchzusetzen.

Was will ich sagen, naja, das ist ein bisschen Käse. Denn Leute ändern nicht erst seit dem SBGG Vornamen, Geschlechtseinträge oder beides. Tausende haben das schon vorher gemacht, wohl über 20’000 Leute mindestens. Die konnten bisher immer ausreichend identifizert werden und ich seh nicht, wieso das jetzt anders sein sollte.

Dazu kommt ja, dass die Melderegister nicht die einzigen Register sind. Das Geburtenregister, aus dem der Geschlechtseintrag letztlich hervorgeht, wurde immer nur fortgeführt, nie geändert. Man hätte, sollten irgendwo Zweifel auftauchen, immer den Weg übers Geburtenregister gehen können. All diese Daten jetzt den Meldebehörden dauerhaft zugänglich zu machen ist also strukturell auch gar nicht nötig.

Und die Sache mit dem Offenbarungsverbot, find ich, nun ja, interessant. Denn: Um Notiz davon zu bekommen, dass ein möglicher Verstoß vorliegt, sind die veralteten Daten gar nicht notwendig. Es reicht schlicht zu sehen, dass da auf andere Namen / Geschlechtseinträge referenziert wird, als die, die laut Register richtig wären. Im Laufe weiterer juristischer Klärung kann immer noch, sollte das relevant werden, auf die Daten aus dem Geburtenregister zurückgegriffen werden. Wer das Offenbarungsverbot von vornherein auf “tatsächliche Information” verkürzt, schützt trans, inter und nicht-binäre Personen jedoch nicht im notwendigen Rahmen.

Ich will einfach nicht mehr

Das ist alles so dermaßen gestapelter Käse, dermaßen anmaßend und frech. Aber nicht auf die gute Art. Warum? Ich hab ein paar Gründe

Grund 1: Das Ministerium erhebt sich über den Bundestag

Wenn der Gesetzgeber, also der Bundestag, gewollt hätte, dass es derat umfangreiche Informationsflüsse zwischen den verschiedenen Behörden im Rahmen von SBGG-Verfahren gibt, hätte der das einfach ins Gesetz schreiben und das so beschließen können. In die Richtung wurde diskutiert, aber letztlich wurde das verworfen. Wenn das Ministerium jetzt gegen den so erklärten Willen des Bundestags durch Verordnungshintertür genau das dennoch versucht, zeugt das für mich auch von Verachtung vor dem Parlament.

Grund 2: Es geht ohne genauso gut.

Wenn jemand Vornamen ändert (oder Nachnamen, Leute heiraten ja angeblich manchmal), dann gehört neben der amtlichen Änderung immer dazu, einer ganzen Menge Stellen Bescheid zu geben, dass Dokumente da geändert werden können. Es macht den redensartlichen Bock sicher nicht fett, wenn da auch noch eine Mail an die Rentenversicherung und eine an das Bundeszentralamt für Steuern rausgeht. Oder eben nicht, weil die Krankenversicherung die Rentenversicherung informieren kann und weil andererseits bei der nächsten Steuererklärung das Finanzamt das ja auch bekommt. Steht der Verdacht von Straftaten im Raum, haben Leute Fingerabdrücke, Gesichter, Geburtsdaten, Geburtsorte und Daten, die sich nicht ändern. Wenn die Polizei nicht chancenlos da steht, wenn nach einem Verbrechen geheiratet wird, wird sie es nicht, wenn danach ein SBGG-Verfahren ansteht. :shrug_emoji:

Grund 3: Recht auf informationelle Selbstbestimmung

Wir haben ein paar Grundrechte und manche davon hat das Verfassungsgericht erst erfunden. So auch das Recht, dass wir alle jeweils selbst darüber entscheiden (können müssen) welche Daten von uns Preis gegeben werden. Wenn aber einfach alle Daten frei haus durch Register und Auskunftspflichten und -ersuche durch die Gegend geworfen werden, klappt das gerade nicht. Jedes Grundrecht findet Schranken, auch dieses, aber die Sache hier ist schlicht: Informationen zu Geschlecht sind dabei immer besonders geschützt, das heißt die Schranken sind auch besonders hoch, hier darüber hinwegzugehen. Dabei bleiben also mindestens Zweifel an Verfassungsmäßigkeit des diskutierten Vorschlags. Die Historie aus Ausländer-PKW-Maut und Einreiseverbot lässt aber in Frage stellen, ob dieses Argument im Ministerium Gehör finden würde.

Grund 4: Niemand hat gefragt

Niemandem gehts schlechter, so lange diese Daten nicht übermittelt werden. Einer Menge Leute ginge es besser, würde man sich um Probleme, die das SBGG grade tatsächlich mitbringt oder um die Lücken, die es offenlässt, kümmern würde. Eltern müssen immer noch ihre eigenen Kinder adoptieren, das Bundessozialgericht hat gehört, dass der ICD-11 und damit neue Diagnosekriterien draußen ist, und gibt Versicherungen Recht, die daraufhin lebensnotwendige Gesundheitskosten für trans Personen nicht übernehmen wollen und alles, was der Bundesregierung einfällt, ist trans Personen ein bisschen gläserner, ein bisschen vulnerabler und ein bisschen gefährdeter zu machen.

Grund 5: Listen sind eine beschissene Idee

Vielleicht hat die CDU gar nichts gegen trans Personen. Vielleicht niemand in der aktuellen Bundesregierung. Vielleicht auch nicht nicht Manuel Neuer. Nur: wenn die nächste Bundesregierung das anders sieht, und hier geht der besorgte Blick nach rechts außen, gefährdet so ein Datenreichtum trans, inter und nicht-binäre Personen unmittelbar. Und es muss einfach nicht sein, potenziellen Autokrat*innen und Demokratieverachter*innen die Daten derer, gegen die sie Kulturkampf spielen, und die sie teilweise einfach ausrotten wollen, vor die Füße zu kippen. Das Konzept ist ja nicht nicht mal neu, und eine staatlich geförderte Neuauflage von Rosa Listen braucht wirklich genau niemand.

Grund 6: Niemand brauch Geschlechtseinträge

Das Bundesverfassungsgericht hatte 2017 entschieden, dass es eine nicht-zumutbare Benachteiligung für Personen, die weder männlich noch weiblich sind, darstellt, dass es zu dem Zeitpunkt personenstandsrechtlich keine Möglichkeit gab, das auch entsprechend einzutragen. Der Gesetzgeber entschied sich damals für die Einführung eines weiteren positiven Geschlechtseintrag. Das Gericht ließ ausdrücklich eine andere Möglichkeit offen:

Davon abgesehen steht es dem Gesetzgeber frei, in personenstandsrechtlichen Angelegenheiten ganz auf den Geschlechtseintrag zu verzichten.

Niemand zwingt diesen Staat, überhaupt irgendwo Geschlecht im Personenstandsrecht zu erfassen. Und dafür, dass er sich diese Mühe komplett überflüssig macht, macht er für mein Dafürhalten einfach zu viel Quatsch damit. Wer keine Geschlechtseinträge erfasst, muss die auch nicht aktualisieren und hätte erstrecht keinen Grund, das ständig und fortwährend sämtlichen denkbaren Behörden in sämtlichen irrelevanten Zusammenhängen auf die Nase zu binden.

Und jetzt?

Wer eine tiefere inhaltliche Auseinandersatzung sucht, ich hätte da Vorschläge:

Ansonsten würde ich ja sagen, schreibt euren Abgeordneten, dass ihr erwartet, dass sie dagegen stimmen, aber ja lol, wenn man den Bundestag nur genug verachtet, übergeht man ihn einfach. Dennoch: Schreibt euren Abgeordneten, die Website des Bundestags hat Suche nach Ort und Kontaktdaten, dass ihr empörend findet, dass solche gravierenden Grundrechtseingriffe am Parlament vorbei passieren sollen. Die können da zwar nicht unmittelbar dazwischen gehen, aber immerhin ist das Parlament im Wesentlichen theoretisch Chef der Bundesregierung.

Und ich wiederhole mich, ich fände wirklich schön, wenn jemand, irgendjemand, mal real existierende Probleme zu lösen versuchen würde. Gesetzgebung, die mich als queere Person betrifft, und die umgebenden Diskussionen waren mein Leben lang schon frustrierend, und ich weiß sehr sicher, dass es für Leute, die älter sind als ich, nicht anders war. Am Ende ist das vor allem eins: unwürdig und ziemlich beschämend.

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5 Antworten

  1. Anonym sagt:

    Also zum Thema, warum es überhaupt Geschlechter im Meldewesen gibt: Das liegt auch daran, dass das Recht gewisse Folgen nur für gewisse Geschlechter vorsieht: Z.b. Wehrpflicht nur für Männer, Frauenquote nur für Frauen, etc. Wenn man den Geschlechtseintrag abschaffen würde, wie soll dann die Wehrpflicht oder die Frauenquote durchgesetzt werden?

    Das hat Xenia glaub ich vergessen gehabt. 😀

    • Xenia sagt:

      Nene, Xenia hat das nicht vergessen. Xenia bezieht sich einerseits auf die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts zur sogenannten dritten Option, wo genau das, das Ende der staatlichen Erfassung von Geschlecht, wie wir es kennen, vorgeschlagen wurde. Und andererseits weiß Xenia, dass Geschlechterquoten, auch Frauenquoten eigentlich immer auf Selbstauskunft und nie auf Geburtsurkunde basieren.

      • Anonym sagt:

        Ah danke, das mit der Selbstauskunft wusste ich nicht. 😅 Wie wäre es dann aber mit der Wehrpflicht? Basiert die nicht auf den Geschlechtseintrag?

        • Xenia sagt:

          Einerseits Wehrpflicht ist ausgesetzt. Niemand hat grade Wehrpflicht. Die basierte auf dem Geschlechtseintrag, als sie noch da war. Der Trick ist: das Konzept männlich bedeutet auch was, wenn der Staat es nicht extra erfasst. Wer keinen Wehrdienst will, aber muss, hat ein Grundrecht drauf zu verweigern. Und wenn man als Gesellschaft wirklich wollen würde und wirklich für notwenig erachten würde, dass es Pflichtdienste gibt, dann ist es in sich unlogisch, circa die Hälfte der Leute da kategorisch nicht mitreinzunehmen. Wenn man das wirklich für notwendig und relevant hält, dann kann man auch Pflichtdienste für alle manchen.

          Ich find spannend, wie die Frage nach der Wehrpflicht immer an solchen Stellen auftaucht. Die Antwort ist vollständig profan: Die individuellen Rechte und die individuelle Würde eines jeden Menschen liegen bewusst höher als das Recht des Staates an diesem Menschen. Wehrpflicht ist ein Ding von Verwaltung. Geschlecht ein Ding von Individualität und Würde. Wenn wir das erste über das zweite Stellen als Gesellschaft, hielte ich das für ein fateles Signal.

  2. Yo sagt:

    „Die individuellen Rechte und die individuelle Würde eines jeden Menschen liegen bewusst höher als das Recht des Staates an diesem Menschen.“ Wunderbar auf den Punkt gebracht. Der Staat ist dafür da, unser Zusammenleben irgendwie zu organisieren, nach den Grundwerten unserer Verfassung. Da gibt’s noch einiges auf der ToDo-Liste, „Personen, die ihren Personenstand geändert haben, grundlos überwachen“ gehört meines Erachtens nicht dazu. Nochmal: „Die individuellen Rechte und die individuelle Würde eines jeden Menschen liegen bewusst höher als das Recht des Staates an diesem Menschen.“ Danke, Xenia.

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