Kummerkasten Antwort 108 – Welche Labels passen für mich?

Hallo zusammen!
seit einiger Zeit bin ich mir sowohl über meine Identität als auch über meine sexuelle Orientierung im Unklaren. Ich bin mir nicht sicher, ob ich Männer sexuell attraktiv finde oder nur neidisch auf ihr gutes Aussehen bin. Mittlerweile glaube ich aber, dass es das erstere sein könnte. Mein Herz hat auch schon höher geschlagen, als ich einen transsexuellen Mann gesehen habe. Ich kann definitiv sagen, dass ich auf Frauen stehe, aber bei Männern und anderen Identitäten bin ich mir nicht sicher. Wo könnte man das zuordnen?

Des Weiteren habe ich schon früh gemerkt, dass ich mich in der Gesellschaft von Frauen viel wohler fühle und mit ihnen auch besser unterhalten kann. Schon in der Schule hatte ich immer den Eindruck, dass sich Jungs nur für Fußball interessierten und ich mich nach diesem typisch patriarchalen männlichen Stereotyp verhalten sollte in ihrer nähe (wenig Emotionen, rau, der Gewalt zugeneigt, z.B. in Ballerspielen). Mein Verhalten würde man in eher konservativen Kreisen als feminin bezeichnen. Ich hätte auch nichts dagegen, weibliche Kleidung zu tragen (wobei ich diesen Begriff nicht mag, denn jeder sollte tragen, was einem gefällt unabhängig von Geschlecht oder Identität!). Daher frage ich mich, ob ich möglicherweise genderfluid bin, denn es gibt Zeiten, da ich mich schon als Mann identifiziere, in anderen Zeiten wünsche ich mir, ich wäre eine Frau, oft sogar, dass ich als Frau (nochmal) geboren werden könnte und neu anfangen könnte.

Ich frage mich auch, ob die LSBAATIPQQ+ Community auch Leute einschließt, die sich – wie ich auch – nicht mit ihrem Alter identifizieren. So habe ich bisweilen den Wunsch, wieder ein kleines Kind, häufig sogar ein Baby zu sein.

Ich freue mich schon auf eure Antwort! 😀

LG

Hallo liebe*r Unbekannte*r,

zuerst einmal möchte ich sagen, dass es immer vollkommen okay ist, nicht genau zu wissen, wer man ist oder auf wen man steht – manche Menschen brauchen sehr lange, um das herauszufinden, manche verstehen das erst sehr spät in ihrem Leben, andere können das nie so genau sagen. Und das ist vollkommen okay. Es gibt keine Regel, die sagt, dass du genau wissen musst, wer du bist. Viele Menschen in deiner Situation entscheiden sich, ganz auf Labels zu verzichten oder ein Label zu verwenden, das mehr ein Überbegriff ist, wie zum Beispiel “queer” oder “polyromantisch/polysexuell”. Selbst ein Begriff wie “bisexuell” kann so ausgelegt werden, wie du es gerne möchtest – in deinem Fall könntest du es so auslegen, dass es bedeutet, dass du auf Frauen und evtl. Menschen anderer Geschlechter stehst. Wenn du dich noch nicht konkret festlegen willst, dann helfen dir vielleicht so Begriffe wie “bicurious” (zu dem ich bisher keine deutsche Entsprechung kenne, aber vielleicht möchtest du den Begriff aus dem Englischen übernehmen oder dir selbst eine deutsche Entsprechung ausdenken) oder “questioning”, also “fragend” (wie auch bei bicurious kenne ich dazu kein deutsches Wort – vielleicht tut es “unentschlossen” aber ganz gut). Beide Begriffe werden von Menschen verwendet, die sich noch nicht ganz sicher sind, zu wem sie eigentlich hingezogen sind. Wichtig ist aber auch: Egal, für welches Label du dich entscheidest – falls du nach einer Zeit bemerkst, dass es doch nicht oder nicht mehr passt, dann kannst du es jederzeit ändern. Du musst keine Entscheidung für den Rest deines Lebens treffen; Sexualität ist für viele Menschen fließend und in ständigem Wandel.

Es kann nach deinen Beschreibungen sehr gut sein, dass du genderfluid bist oder irgendwo anders unter die Schirmbegriffe “trans”, “genderqueer”, “gendervariant”, “nichtbinär” oder “gender non-conforming” (also nicht deinem bei der Geburt zugewiesenen Geschlecht und dessen Normen entsprechend) fällst. Am besten findest du das heraus, indem du dich ausprobierst – zum Beispiel mit verschiedener Kleidung -, indem du dich mit anderen austauschst, die auch genderfluid sind oder andere Erfahrungen mit trans sein gemacht haben, und indem du weitere Informationen sammelst. Mit der Zeit wirst du sicher herausfinden, was sich für dich richtig anfühlt und was nicht. Egal, ob du ein Label dafür findest oder nicht, du kannst immer du selbst sein und schuldest niemandem eine Erklärung oder eine einfache Schublade dafür, in die dich andere Menschen packen können. (Und du hast vollkommen Recht: Kleidung hat kein Geschlecht und alle sollten tragen dürfen, was sie wollen!)

 Die Sache mit dem Alter kann ich dir leider nicht so gut beantworten. Das hat erstmal nichts mit LSBAATIPQQ+ Sein zu tun, aber vielleicht findest du da in Kink Communities weiter Auskunft darüber – es gibt dort das so genannte Age Play, was allerdings nicht unumstritten ist, also achte gut darauf, woher du deine Informationen beziehst und welche Bedürfnisse hier angesprochen werden. Wir kennen uns mit dieser Thematik nicht gut genug aus, um darüber weiter Auskunft zu geben.

Wir wünschen dir alles Gute!
Viele Grüße,

Balth

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