Über Machtlosigkeit
Ich habe vor ein paar Tagen etwas gelesen und es lässt mich nicht mehr los. Ich würde mir wünschen, dass das eine Empfehlung ist, weil ich das allerbeste Buch gefunden hätte. Das schönste Gedicht. Oder das schlechteste Wortspiel.
Nein, das hier wird ein Text über Machtlosigkeit. Über Frust. Und auch ein wenig über Wut. Das ist ein Text, um das aus meinem Kopf rauslassen zu können. Ein Text, um damit nicht allein zu sein. Ein Text, der ein bisschen von der Seele schreit.
Was war es, dass mich so sehr getroffen hat? Es war ein Thread auf Twitter. Ich weiß nicht mehr, worum es eigentlich ging. Ich weiß nicht mehr, was sonst im Tweet stand. Ich erinnere mich nur an das eigentliche Wortgefüge.
trans-identified male
Irgendsoein Tweet, 2019
Warum trifft mich das? Weil es unsere Worte sind. Ich weiß, es ist nicht klar, ob es die beste Idee ist, „ich identifiziere mich als Frau“ zu sagen. Identifikation heißt Zuschreibung. Und wenn Geschlecht zugeschrieben werden kann, scheint es oft eine offene Debatte zu sein, wer da etwas zuschreiben darf und wer nicht. Let‘s not go there.
Trotzdem. Identifizieren ist (noch) queere Sprache. Trans ist queere Sprache.
Und ich glaube, ohne Kontext wäre das für mich nicht wild gewesen. Ohne Kontext hätte ich vielleicht eine Augenbraue gehoben, mich gewundert und geschlossen, dass es um einen Mann geht, der trans ist.
Es ging um eine Frau. Eine Frau, die trans ist. Und das macht, dass das immer noch weh tut. Weil so sind diese zwei Worte mächtiger als jeder Aufsatz, der auf überholten Prämissen fußt und behauptet, dass es uns nicht gebt. Weil sie ganz klar sagen, dass diese Zuschreibung, die wir über uns machen, nicht valide ist. Unser Geschlecht, im Falle des Tweets, Frau, wird noch nicht mal genannt. Die Formulierung biegt das hin darauf, dass wir von uns sagen, trans zu sein und Männer sind. Sie spricht uns ungefähr alles ab, was wir sind. In zwei Worten. In Schärfe. In Präzision. Direkt. Gnadenlos. Endgültig.
Und das tut weh. Das macht mich sauer. Das ist keine Sache auf persönlicher Ebene. Das ist kein Versehen aus Unwissen. Das ist Sprache geschaffen dazu, uns verschwinden zu lassen, uns auf ein „wir glauben, wir sind, aber eigentlich“ zu projizieren.
Da ist Frust. Da ist sehr viel Frust. Ich werde Menschen, die diese Formulierungen bauen, nie debattieren, ich werde nie Argumente liefern können. Ich werde nie zeigen können, wie viel so etwas zerstört. Selbst wenn, ich wüsste nicht, ob das irgendwas ändern könnte.
Vielleicht, vielleicht wäre das der Moment für einen Aufruf. Einen Aufruf, Menschen nicht mit so Mist durchkommen zu lassen. Diese Wortwahl, diese Rhetorik outzucallen, wo immer sie auftaucht. Zu sagen, warum das so falsch ist.
Oder das ist ein anderer Moment. Der Moment für die bedingungslose Zusage. Wenn ich sage, dass ich eine Frau bin, bin ich eine Frau. Wenn du sagst, dass du eine Frau bist, bist du eine Frau. Und niemand hat das Recht, an dieser Stelle zu widersprechen.
Wahrscheinlich eher nicht. Wir wissen, dass das eine falsch ist, und das andere haben wir uns schon tausend Mal zugesprochen.
Es ist der Moment, in dem ich nichts davon tue. Mir ist nicht danach, jetzt die Revolution zu wollen, ich glaube gerade nicht dran, dass ich oder wir da was verändern können. Es ist nicht der Moment, an dem ich irgendwem zusprechen kann, dass es besser wird, dass der Tag in Sicht ist, wo wir das alles hinter uns lassen, und auch nur ein Wort davon glaube. Es ist der Moment in dem ich noch nicht mal mehr „Nein“ sage oder den Kopf schüttle.
Es ist der Moment, an dem ich genau gar nichts tue und der, an dem ich, selbst wenn das sehr schwierig wird, nicht kaputt gehe. An dem ich mich erinnere, dass es um mich geht. Darum, was ich schon erreicht habe, darum wer ich bin, und darum, wo ich vielleicht noch hinwill. Und daran, dass es eine Person, die ich noch nicht mal kenne, die mich nie direkt angesprochen hat, niemals so viel Macht über mich haben darf.
Denn: Egal welche Worte es sind, egal, was sie sagen, egal, was sie bedeuten. Ich bin noch da. Die Worte können ein Weltbild ausdrücken, in dem es nicht gibt. Diese Worte können versuchen mich aus der Existenz zu schreiben, aber am Ende bin ich noch hier. Weil diese Worte niemals wahr sein können.