Folge 12 – Antifeminismus

Frühsexualisierung, Homolobby: Kampfbegriffe der Antifeminist*innen. Antifeministische Stimmen sind in Deutschland in den letzten Jahren lauter, prominenter und organisierter geworden. Mit dem Aufschwung rechter Meinungen wird Antifeminismus für queere Projekte, Feminist*innen und Frauen im Allgemeinen mehr und mehr zu einem Problem. Was genau ist denn aber nun Antifeminismus? In unserem neuen Video lernt ihr mehr über Antifeminismus, antifeministische Ideen, Frühsexualisierung, Homolobby, und warum diese Ideen so problematisch sind.

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Hallo und herzlich willkommen zu unserer neuen Folge. Antifeminismus! Homolobby! Frühsexualisierung!!! Das sind alles Schlagwörter, die ihr bestimmt in den letzten Jahren öfter mal gehört habt. Was diese Begriffe genau bedeuten und was dahintersteckt, wollen wir euch heute erklären. Los geht’s!

Was ist eigentlich Antifeminismus?

Antifeminismus wendet sich gegen feministische Personen, Ideen und Politiken. Es gibt dabei die Haltung, dass Feminismus lächerlich, überflüssig oder sogar schädlich ist und dass zum Beispiel der Kampf um gleiche Bezahlung, die Arbeit gegen Gewalt an Frauen und nicht-binären Personen und das Eintreten für sexuelle Selbstbestimmung oder wissenschaftliche Geschlechterforschung Quatsch sind. In vielen gesellschaftlichen Bereichen gibt es Antifeminismus – auch innerhalb der queeren Szene oder in der politischen Linken – besonders laut ist aber seit einigen Jahren eine andere Strömung: Konservative, rechtspopulistische, rechtsextreme und nationalistische Gruppen, wie zum Beispiel die AfD, haben feministische Projekte und Politiken als ihr Feindbild entdeckt.  Sie machen dagegen online und offline Stimmung und beleidigen und bedrohen feministische Personen und Projekte, und oft auch Frauen ganz allgemein. Diese Einstellungen werden immer weiter bis in die Mitte der Gesellschaft getragen und werden immer salonfähiger. Das zeigt sich zum Beispiel durch die Angst vor der „Frühsexualisierung“ von Kindern durch sexuelle Aufklärung, die Vorstellung einer „Homolobby“, die die Welt beherrschen will und die angebliche Verweiblichung der Männer – aber dazu gleich mehr. Antifeminist*innen fordern die Wiederherstellung einer „natürlichen Geschlechterordnung“; das bedeutet:  es gibt keine trans Personen, Frauen stehen am Herd und kümmern sich um die Kinder, und Männer sind stark und verdienen das Geld für die Familie. Außerdem sollen Abtreibungen und die Ehe für gleichgeschlechtliche Paare absolut verboten werden, oder es soll sogar gleich eine Strafe für Homosexualität eingeführt werden. Oft werden diese Ideen mit pseudoreligiösen oder pseudowissenschaftlichen Überzeugungen gepaart. Antifeminismus geht auch oft mit Rassismus und Homo- und Transfeindlichkeit einher. Antifeminist*innen leugnen, dass Frauen und queere Personen heute noch benachteiligt werden und behaupten, dass heutzutage Männer die Opfer von geschlechtlichen Normen und Sexismus sind.

Und was hat die queere Community damit zu tun?

Jetzt soll es um zwei verschiedene Begriffe gehen, mit denen die queere Community von Antifeminist*innen attackiert wird. Erstens: „Homolobby“

Der Begriff „Homolobby“ wird benutzt, um queere Gruppen abzuwerten. Dahinter steckt die Verschwörungstheorie, dass die queere Community angeblich eine geheime Agenda verfolgt und die Gesellschaft, die Medien und die Politik zu kontrollieren versucht. Als zum Beispiel 1973 Homosexualität als Krankheitsbild aus dem DSM-II, also dem Diagnostic and Statistical Manual of Mental Disorders, einem Krankheitskatalog für psychische Krankheiten der amerikanischen Psychiatrie-Vereinigung gestrichen wurde, und dann später in den 1990er auch durch die Weltgesundheitsorganisation nicht mehr als Krankheit bezeichnet wurde, , behaupteten Antifeminist*innen, dass queere Aktivist*innen sich verschworen und die Verantwortlichen bedroht hätten. Auch in Bezug auf den Vatikan, also die katholische Kirche, gibt es Verschwörungstheorien bezüglich der angeblichen Unterwanderung der Kirche durch die „Homolobby“. Antifeminist*innen sehen durch queeren Aktivismus, der z.B. die Ehe für alle fordert, Mutter-Vater-Kinder-Familien bedroht.

Aber ganz ehrlich: Leider gibt es in allen Machtpositionen auf der Welt immer noch viel zu wenige queere Menschen, und deswegen immer noch ein riesiges Ungleichgewicht und eine Benachteiligung. Wir queeren Personen und Vereine wünschen uns, wir hätten tatsächlich die Macht, die uns da zugesprochen wird, um die Gesellschaft einmal kräftig umzukrempeln. Unsere Agenda ist relativ einfach: Freiheit für alle und Diskriminierung für niemanden.

 

Zweitens: „Frühsexualisierung“

Als in Baden-Württemberg sexuelle und geschlechtliche Vielfalt Teil des Bildungsplans werden sollte, demonstrierte eine Gruppe namens „Besorgte Eltern“ dagegen. Ihre Angst war: die sogenannte Frühsexualisierung ihrer Kinder. Aber was meinten sie eigentlich damit genau?

Der Begriff „Frühsexualisierung“ beinhaltet, dass die Aufklärung über Sexualität „zu früh“ passiert – aber wann ist zu früh? Laut den besorgten Eltern: alles vor der Ehe. Seit den 1990er Jahren protestieren Antifeminist*innen und rechtsextreme Personen z.B. gegen das Magazin „Bravo“, weil es angeblich zu einer Übersexualisierung von Kindern führte. Der Begriff „Frühsexualisierung“ meint also, dass unschuldige Kinder, die keine Ahnung und keine Fragen zu Sexualität haben, von bösen, queeren Pädagog*innen überfordert werden – und im schlimmsten Fall dadurch schwul gemacht werden. Antifeminist*innen stellen sich damit gegen jegliche Sexualaufklärung – und vor allem gegen eine altersgerechte Sexualaufklärung, in der sexuelle und geschlechtliche Vielfalt vorkommen. Dabei ist das für queere Jugendliche so wichtig. Wie sonst sollen sie Begriffe für sich selbst kennenlernen oder lernen, wie sie sich vor sexuell übertragbaren Krankheiten schützen sollen? Aufklärung, die nicht nur die Unterschiede zwischen cis Mädchen- und Jungen-Körpern beschreibt und über Heterosex informiert, wird als Ideologie verteufelt – dabei wird ganz außer Acht gelassen, dass die Annahme, dass alle Menschen cis und hetero sind, selbst ideologisch ist

Und die wichtigste Frage: Wie viele von euch sind denn durch unsere Videos schon schwul geworden? Schreibt es in die Kommentare!

 

Was bedeutet das also alles genau?

Wenn wir uns das Wahlprogramm der AfD anschauen, dann wimmelt es da nur so von Antifeminismus. Dort wird der Verfall der „traditionellen Familie“ beklagt, wobei z.B. queeren Personen auch abgesprochen wird, gute Eltern zu sein. Sex soll nur noch der Fortpflanzung dienen, traditionelle Geschlechterrollen – also der Ernährer und die Hausfrau sollen wieder positiv besetzt werden, geschlechtergerechte Sprache soll abgeschafft werden, die Geschlechterforschung nicht mehr finanziert, sexuelle und geschlechtliche Vielfalt und Regenbogenfamilien im Unterricht verschwiegen und Projekte, die die Geschlechtergerechtigkeit fördern wollen, verboten werden.

Antifeminismus richtet sich also nicht nur gegen Feminismus, sondern auch gegen queere Politik. Und Antifeminist*innen wollen die vielen Rechte und Antidiskriminierungsprojekte, die queere Menschen sich erkämpft haben, zunichtemachen und verbieten. Deswegen ist es wichtig, dass wir alle zusammenstehen und gegen den Rechtsruck in der Gesellschaft kämpfen. In der Infobox findest du viele weitere Informationen und Argumentationshilfen gegen antifeministische Behauptungen.

 

Literatur und Quellen

 

Heinrich Böll Stiftung / Rosa Luxemburg Stiftung (Hrsg.) (2017): Gender Raus! Zwölf Richtigstellungen zu Antifeminismus und Gender-Kritik. (https://www.gwi-boell.de/de/2017/07/04/gender-raus-12-richtigstellungen-zu-antifeminismus-und-gender-kritik)

 

Friedrich Ebert Stiftung (Hrsg.) (2017): Das Märchen von der Gender-Verschwörung. Argumente für eine geschlechtergerechte und vielfältige Gesellschaft. (library.fes.de/pdf-files/dialog/13544.pdf ) 

 

Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (Hrsg.): Für eine Pädagogik der Vielfalt. Argumente gegen ultrakonservative, neu-rechte und christlich-fundamentalistische Behauptungen.  (https://www.gew.de/gleichstellung/gender-diversity/paedagogik-der-vielfalt/)

 

http://www.diskursatlas.de/index.php?title=Antifeminismus (Abruf 03.04.2019).

http://www.vielfaltfueralle.info/index.php/aktuelles/afd-analyse (Abruf: 3.4.2019).

 

 

Wenn ihr nach Argumentationshilfen gegen Antifeminismus sucht, findet ihr bei der bukof (Bundeskonferenz der Frauen- und Gleichstellungsbeauftragten an Hochschulen e.V.) eine Zusammenstellung verschiedenster Broschüren zum Download:
https://bukof.de/argumentation-antifeminismus/

z.B. diese Broschüre der Heinrich-Böll-Stiftung,
http://www.gwi-boell.de/de/2017/07/04/gender-raus-12-richtigstellungen-zu-antifeminismus-und-gender-kritik

diese Broschüre der Friedrich-Ebert-Stiftung,
https://www.fes.de/e/das-maerchen-von-der-genderverschwoerung

oder diese allgemeine Broschüre mit Argumentationshilfen gegen Rechts der Rosa-Luxemburg-Stiftung.
https://www.rosalux.de/publikation/id/37599/haltung-zeigen/

Außerdem eine Seite mit Argumentationshilfen von Genderdings.
https://genderdings.de/argumente/

Mehr Informationen zu Antifeminismus von rechts findet ihr auch bei der Amadeu-Antonio-Stiftung:
https://www.amadeu-antonio-stiftung.de/antifeminismus/

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