Kummerkastenantwort 310: Mein Geschlecht ist ein Durcheinander

Lieber queerer Kummerkasten,
Ich (20, biologisch weiblich) komme gerade aus einem großen Durcheinander nicht mehr raus.
Ich war schon immer ein ziemlicher Tomboy, wurde oft auch auf den ersten Blick als Kind für einen Jungen gehalten. Heute passiert mir das auch unbeabsichtigt manchmal, weil ich kurze Haare und weite, gerade Kleidung trage. Mit meinem Körper hatte ich nie ein Problem und auch nach der Pubertät bin ich sehr zufrieden mit allem, auch mit den Geschlechtsmerkmalen fühle ich mich wohl.


Als ich klein war, habe ich bei Spielen aber immer gerne die männlichen Rollen gespielt. Heute sind Rollenspiele auch ein Hobby von mir und auch dort finde ich es viel ansprechender, einen Mann zu spielen. Ich fühle mich wohl damit, als Mann angesprochen zu werden oder sogar so wahrgenommen zu werden. Vor einiger Zeit habe ich angefangen, bewusst ab und zu zu crossdressen. Also mit Binder und Packer. Das funktioniert auch gut und es gibt mir immer sehr viel, wenn ich als Mann gesehen werde. Ich fühle mich inzwischen mit meinem weiblichen Namen irgendwie unwohl und habe das Gefühl, dass ich das einfach nicht bin. Ich bin eigentlich ein Jakob (why ever, aber ich weiß einfach, dass das mein richtiger Name ist).

Kann man denn mit seinem biologischen Geschlecht übereinstimmen, aber nicht mit dem Sozialen? Bin ich ein Sozialtrans-Mann? Das ist in der Ausführung halt auch so schwer, denn um als Mann angesehen zu werden, muss mein Körper in dieser Gesellschaft ja dazu passen. Für mich passt er, aber der Rest der Menschen kann mich dann ja nicht als Mann wahrnehmen. Ich bin halt ein Jakob mit Brüsten und Eierstöcken. Ich möchte irgendwann eine Mutter sein. Aber ich möchte auch, dass man auf dem Herrenklo mich nicht schief anguckt und einfach mich als Mann sieht und nicht als Frau in Männerkleidung.
Habt ihr eine Ahnung, ob es dieses Phänomen gibt? Gibt es einen Namen dafür? Und habt ihr vielleicht sogar einen Tipp, wie ich als Mann mit sozial nicht dazu passendem Körper erkannt werden kann?

Hallo Jakob,

ich verrate dir mal ein sehr geheimes Geheimnis: Namen haben kein Geschlecht. Gut zugegeben, das ist kein Geheimnis. Aber es ist so das große Ding, das ich dir gerne mitgeben möchte. Wenn es sich für dich richtig und gut anfühlt, mit “Jakob” angesprochen zu werden, dann ist es egal, was du für einen Körper hast, oder wie der aussieht, oder was auf deiner Geburtsurkunde steht.

Gibt es das?

Die Trennung, die du mit sozialem und biologischem Geschlecht aufmachst, ist, finde ich, ein schwieriges Konstrukt. Ich glaube nicht so richtig dran, dass Geschlecht so in Kategorien wirklich sauber und allgemein gültig trennen lässt. Und da diese Unterteilungen daher oft dermaßen unscharf sind, geht da ziemlich alles. Aber an sich, selbst wenn das der Definition nach nicht ginge, dürfte das kein Hindernis sein, wenn es für dich trotzdem das ist, was dir gut tut. Das schließt sich auch an die Frage an, ob es das Phänomen gibt: Ja. Es gibt ungefähr alles und wenn du es beschreiben kannst, wenn es für dich zutrifft, ja, dann gibt es auch das.

Wie heißt das dann?

Wenn du ein Label dafür suchst, wirst du vielleicht bei bigender fündig. Oder bei genderqueer. Oder genderfluid. Vielleicht erscheinen dir diese Worte auch alle unpassend, auch das ist okay. Vielleicht ist für dich richtig, gar kein Label zu nutzen. Oder, vielleicht passt Tomboy ja doch.

Du kannst aber auch einfach ein (trans) Mann sein, der Eierstöcke und Brüste hat. Das ist absolut legitim – und damit bist du nicht alleine. Und du hast das Recht darauf, dass du respektiert wirst, egal ob du in die Geschlechterkategorien der Gesellschaft passt oder nicht. Das heißt: Du kannst ein Mann sein und Mutter sein. Du kannst Brüste haben und aufs Herrenklo gehen. Alles davon ist absolut in Ordnung.

Ich wünsche dir Alles Gute!

Liebe Grüße
Xenia

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