Kummerkastenantwort 665 – wie kann ich mich vor meiner Familie outen?

Hallo!

Ich bin trans und möchte mich bald bei meiner Familie outen. Leider ging mein letztes Coming Out (damals noch als lesbisch) total schief – meine Eltern haben mir immer wieder (direkt und indirekt) zu verstehen gegeben, dass sie mir nicht glauben und dass das nur eine Phase ist, und sie haben mich auch ständig gefragt, ob ich in meinen besten Freund verliebt. Jetzt habe ich ziemlich Angst davor, mich zu outen. Einerseits habe ich Angst, dass sie mir nicht glauben, andererseits will ich auch nicht, dass sie geschockt oder enttäuscht sind, wenn sie mir doch glauben und plötzlich damit klarkommen müssen, dass sie einen Sohn haben. Und die Tatsache, dass das mit dem lesbisch sein ja wirklich eine Phase war, hilft dabei auch nicht unbedingt… Außerdem bin ich schon über 20 und muss mir dann garantiert anhören, dass ich gar nicht trans sein kann, wenn ich es nicht schon als Kind gewusst habe und dass ich ja so ein mädchenhaftes Kind war… Habt ihr irgendwelche Tipps für mich?

Vielen lieben Dank!
L

Hallo L,

ich verstehe deine Sorge. Es ist ziemlich mies, dass deine Eltern dich bei deinem letzten Coming Out nicht ernst genommen haben. Dass das am Selbstbewusstsein und an deinem Vertrauen zu ihnen kratzt, ist voll verständlich.

Ein Coming Out unter diesen Umständen wird wahrscheinlich nicht einfach, und es tut mir sehr leid, dass dir da so viele Steine in den Weg gelegt werden. Es gibt keine Geheimformel für das perfekte Coming Out, das auf jeden Fall gut laufen wird und bei dem die anderen auf jeden Fall mit Akzeptanz reagieren – leider. Die Menschen in deinem Leben, und vor allem Eltern, haben meist ein fertiges Bild von dir im Kopf, und vielen von ihnen fällt es schwer, das anzupassen, wenn du ihnen Dinge mitteilst, die nicht zu diesem Bild passen.

Tipps für dich

Mein Rat wäre also: Plane dieses Coming Out nicht nach den Maßstäben deiner Familie. Plane es so, wie es für dich am besten ist und wie du dich am wohlsten fühlst. Was könnte dir gegen deine Angst helfen? Wäre es für dich einfacher, eine weitere Person mitzubringen, die dir den Rücken stärkt? Würdest du dich wohler fühlen, wenn du es ihnen nicht direkt sagen müsstest, sondern z.B. per Text, E-Mail oder Brief? Willst du lieber mit den Leuten einzeln reden oder mit allen auf einmal? Was hilft dir, damit dieses Coming out für dich so gut wie möglich läuft?

Ja, es kann am Ende immer noch sein, dass sie dir nicht glauben oder nicht damit klarkommen. Wichtig ist, dass du für dich weißt, dass du alles getan hast, was für dich richtig und gut ist.

Gut so, wie du bist!

Und wichtig ist auch, dass du gut so bist, wie du bist! Es ist okay, wenn deine Labels sich ändern, weil du mehr über dich herausgefunden hast! Es ist okay, “erst” mit über 20 zu verstehen, dass du trans bist – viele Menschen verstehen das erst viel, viel später und es ist Quatsch zu glauben, dass es immer schon “Zeichen” in der Kindheit gegeben hat. Das ist ein Märchen, das sich cis Leute gegenseitig erzählen, damit sie sich sicher fühlen, dass sie eine trans Person auf jeden Fall deutlich erkennen würden, wenn eine vor ihnen steht. Das stimmt aber nicht! So viele von uns haben keine ‘Anzeichen’ gezeigt als Kinder, oder nicht solche, die cis Menschen erkennen würden. Du musst dich für deinen Lebensweg und deine Labels vor niemandem rechtfertigen. Du bist trans, weil du es bist, nicht, weil du in irgendein Muster passt.

Für dein Coming Out wünsche ich dir alles, alles Gute und hoffe, dass es so gut wie möglich läuft. Und egal, wie es ausgeht: Du bist nicht allein. Es gibt überall Menschen, die dich unterstützen und die auf deiner Seite sind. Und wenn du noch mehr Fragen hast oder dir irgendwas vom Herzen schreiben willst, bist du in unserem Kummerkasten jederzeit willkommen.

Viele liebe Grüße,
Balthazar

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