Kummerkastenantwort 922: Ich glaube ich bin trans.

Hallo liebes Queer-Lexikon Team,
erst einmal möchte ich mich für eure Arbeit hier bedanken. Ihr habt mir schon nur mit eurem Glossar unglaublich weitergeholfen 🙂 Vielen, Vielen Dank dafür 😉
Es kann sein, dass die Nachricht recht lang wird, sorry dafür.
Also, jetzt zu meiner Frage. Ich bin biologisch weiblich und 13 Jahre alt (ich weiß, recht jung, aber das hat ja nicht wirklich was zu sagen). Bei meiner Sexualität bin ich mir immer noch nicht ganz sicher. Ich habe meine Genderidentität zum ersten Mal vor 2 1/2 Jahren angezweifelt. Ich bin zu dem Ergebnis gekommen, dass ich Genderfluid bin, allerdings komme/kam ich mit diesem Label nicht wirklich klar, weshalb ich mich meistens als Non-Binary identifiziere. Ich bin bei meinen besten Freundinnen und meiner Mutter geoutet und ich habe meinen geschlechtsneutralen Namen, den ich mir ausgesucht hatte, auf Wunsch meiner Mutter in einen geschlechtsneutralen Spitznamen von meinem Geburtsnamen umgetauscht. Leider bin ich mit diesem nicht wirklich zufrieden, aber meine Mutter wird keinen anderen annehmen, da sie mein Outing als eine Phase angesehen hat. Jetzt, aufgrund dieser Lage mit Corona, hatte ich wieder sehr viel Zeit zum Nachdenken und habe auch immer wieder euer Lexikon durchforstet, weil mir an meiner Selbstfindung irgendetwas gefehlt hat. Ich habe in dieser Zeit auch immer mehr gemerkt, dass ich mich immer mehr als Mann identifiziere und weiblich fast gar nicht mehr. Ich habe auch schon öfter mit dem Gedanken gespielt, mir die Haare kurz schneiden zu lassen, aber meine Mutter war dagegen und ich bin ein Mensch, der nicht gerne die Gefühle von anderen verletzt und den das dann auch emotional mitnimmt. Ich trage bevorzugt Jungskleidung und fühle mich damit auch viel wohler, allerdings ist meine Mutter auch da dagegen. In letzter Zeit hat sich der Gedanke in mir eingenistet, dass ich vielleicht trans sein könnte. Ich würde sehr gerne meine Brust abbinden, aber ich traue mich nicht wirklich. Auch habe ich mit meiner Periode ein ziemliches Problem, was vor allem kurz bevor sie einsetzt, auftritt, währenddessen geht es dann einigermaßen. Ich stelle mir immer wieder vor, dass mich meine Freunde und Eltern mit Er/Ihm Pronomen ansprechen und auch meinen eigens gewählten geschlechtsneutralen Namen verwenden, das zaubert mir ein Lächeln auf das Gesicht. Eine OP würde ich nie machen. Allerdings habe ich auch ziemliche Angst, was das Outing angeht. Mit Sie/Ihr Pronomen habe ich mich noch nie wirklich wohlgefühlt, aber ich habe ziemliche Angst, dass sich meine Freunde und Familie von mir abwenden, wenn ich mich oute. Vor allem, weil ich mir noch recht unsicher bin.
Außerdem wird mir von meiner Mutter immer wieder vermittelt, so etwas sei unnormal und es gebe es nicht, was mich noch mehr verunsichert. Ich weiß einfach nicht, was ich fühlen und tun soll.
Vielleicht könnt ihr mir ja helfen. Vielen Dank schon mal im Voraus, eure Arbeit ist toll 😉
Euer Alex

Hallo Alex,

von dem, was du schilderst, bist du nicht die Person, die sich irgendeine von Hilfe oder Unterstützung suchen sollen müsste. Sondern vielmehr deine Eltern. Aber die haben mich nicht gefragt und ich bin mir auch nicht sicher, ob sie mir zuhören würden.

Das Ding ist nur: du sagst, dir tut es gut, Jungskleidung zu tragen, dir würden kurze Haare gut tun, er-Pronomen zu verwenden. All das tut niemand weh. All das schadet niemand. Und deine Eltern könnten es dir einfach ermöglichen. Aber deine Mutter blockt ab – obwohl sie ein Interesse daran haben sollte, dass es dir gut geht. Das ist weder schlüssig noch hilfreich. Nicht für sie, weil du dich dann am Ende entweder von absonderst oder sie immer wieder nach Dingen fragst, die sie nur verneint und nicht für dich dich, weil du all diese Dinge nicht darfst oder bekommst.

Daher, auch wenns Arbeit macht und Frust kosten wird, mein Vater sagt oft “von nix kommt nix, en leere Sack schdoad ned aloi noa.” Also. Versuchs mit Logik. Sachlich und klar, dass dir Dinge wichtig sind und dass du sie für dich und wegen dir gerne machen möchtest. Denn: wenn du das aussprichst und benennst, hat deine Mutter einerseits Gelegenheit dich besser zu verstehen und andererseits auch die Chance ihre Bedenken zu formulieren. Wenn du damit nicht weiterkommst, weißt du immerhin, dass sie weiß, worum es geht, und sich bewusst verwehrt. Das macht die Lage nicht schöner, aber klarer. An der Stelle kannst du versuchen, dir Hilfe von Geschwistern oder anderen Verbündeten zu holen. Steter Tropfen höhlt den Stein und so. Am Ende ist das eine Kindeswohl-Frage. Und dem nachzukommen ist keine Geste der Großzügigkeit, sondern gesetzliche Pflicht deiner Eltern. Zeit, ihnen das bewusst zu machen.

Liebe Grüße
Xenia

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