Kummerkastenantwort 1.276: Bin ich non-binary oder trans männlich?

Hey liebes Team,

Ich hab durch euch schon sehr viel gelernt und mag auch den Regenbogenchat sehr gerne, auch wenn ich nur aktiv bin, wenn ich Fragen habe (was mir das Gefühl gibt, unzuverlässig und ausnutzend zu sein, aber das ist ein anderes Thema 😊)

Ich bin seit November als non binary geoutet, inklusive Genderneutralem Namen, aber meine genderstruggles haben seitdem nicht aufgehört.
Ich überlege, ob ich nicht doch ein binärer trans Mann bin. Das Problem ist: ich kann einfach nicht einschätzen, ob meine negativen Gefühle bezüglich Körper und Weiblichkeit von den der Ablehnung der patriarchalen Stereotype und Erwartungen an die Rolle als Frau herrühren, oder ob es tatsächlich Dysphorie aufgrund einer Transidentität ist. (Damn, ich bin grad bissl stolz auf diesen Satz :D)

Ich hab meine Brüste nie gemocht, aber ich hab auch ein H bis I Körbchen. Ich bin hochgewichtig und hab noch nie dem Schönheitsideal entsprochen. Ich weiß z.B. nicht, ob ich mich eher mit kleineren oder gar keinen Brüsten wohler fühlen würde.
Wenn ich mir einen Bart anmale, fühle ich mich urplötzlich mega wohl. Auch, wenn ich männlicher aussehe. Letztens hab ich mir die Haare abrasiert und hatte dabei als Zwischenschritt eine als typisch männlich angesehen Frisur – und will diese unbedingt haben!

Aber wie kann ich unterscheiden, ob ich mich damit wohler fühle, weil ich als Mann in der Gesellschaft einfach mehr anerkannt wäre, als als Frau, oder ob es am trans sein liegt?

Ein Teil von mir denkt sich “Jetzt eier nicht rum, du bist definitiv trans, jetzt steht dazu”…. ein anderer Teil denkt sich, dass ich mir das alles nur einrede, da ich bald 22 werde und erst seit etwa 3 Monaten sowas wie Dysphorie habe. Der 2. Teil ist auch der, der vermutet, dass ich nur die stereotype Frauenrolle ablehne.
Der erste Teil aber will die Brüste weg, einen Bart und eine tiefe Stimme haben – und hat auch schon riesige Angst vor den Konsequenzen eines coming outs als trans Mann. Ob mein Freund damit klar kommt. Dass ich anderen Aufwand aufdrücke, meinen neuen Namen und er/ihm Pronomen zu nutzen. Die Auseinandersetzung mit Ärzt:innen (bei denen ich n Trauma habe und sie einfach hasse) um an Testo und Master etc zu kommen. Und dann natürlich noch die typischen Imposter-Syndrom-Gedanken á la “du bildest dir das nur ein” oder “das ist nur eine Phase”.

Das war jetzt sehr viel und vermutlich recht verwirrend, entschuldigt bitte. Letztendlich verwirrt mich auch einfach der Fakt, dass ich mein ganzes Leben lang kein Problem mit meinem Gender hatte (aber trotzdem mit meinem Körper, aber eher Richtung Dysmorphia) und das jetzt anscheinend auf einmal total in die vollen geht. Ich wälze das schon ein paar Monate im Kopf rum und komme einfach zu keinem wirklichen Ergebnis.

So, genug geschriebeb
Liebe Grüße
Basti (wäre mein Spitzname als Mann)

Hi Basti!

Ich bezweifle stark, dass du dir das nur einbildest oder für bessere gesellschaftliche Stellung tust. Cis Frauen hätten auch gerne eine bessere Stellung, aber kaum eine von ihnen würde sich deshalb mit flacher Brust, tiefer Stimme und Bart wohl fühlen. Im Gegenteil. Du merkst, was dir gut tut – und das reicht! Was genau die Gründe dafür sind, ist gar nicht so wichtig.

Dass die Dysphorie dabei erst so spät kam, muss auch nichts heißen. Sie ist einerseits kaum erkennbar, wenn sie einfach der Normalzustand ist, zum anderen kann sich die Geschlechtsidentität auch einfach ändern. Vielleicht warst du vorher weiblich, dann nicht-binär und jetzt männlich. Geschlecht ist nicht in Stein gemeißelt und was heute gut ist, kann in einem Jahr komplett falsch sein. In diesem Sinne: ja, vielleicht ist es nur eine Phase. Aber das macht es jetzt nicht weniger real. Es kann aber auch sein, dass du trans maskulin UND nicht-binär bist. Ja das geht und solche Menschen gibt es (Hi! o/). Aber das kannst letztlich nur du sagen.

Die Aussicht auf Outings, Stress mit Ärzten und ähnlichem, ist jetzt natürlich nicht die schönste. Aber die Frage ist, was brauchst du, um mit dir glücklich sein zu können? Das schöne ist, dass du dir auch genau das rauspicken kannst, was du möchtest. Du willst er Pronomen und männliche Bezeichnungen und Namen, aber keinerlei medizinische Transition? Kein Ding, lässt sich ziemlich einfach umsetzen. Du willst nur Testo oder nur eine Mastek, aber sonst alles lassen, wie es grade ist? Mit den richtigen Ärzt*innen durchaus möglich.

Ich glaube, du weißt eigentlich selbst schon, was du willst und was du brauchst. Ich kann dir daher nur sagen: das ist ok! Du darfst das! Mach, was dir gut tut!

Und noch ein kleines Nachwort zum Chat: alle haben unterschiedliche Brdürfnisse. Du suchst den Kontakt primär, wenn du ein Problem hast, andere wollen so oft und viel Kontakt, wie möglich. Das ist beides in Ordnung und stört niemanden. Du bist willkommen und gern gesehen, egal wann und wie viel du schreibst!

Liebe Grüße
Lir

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