Kummerkastenantwort 1.376: Darf ich mich als trans Mann bezeichnen?

Hallo liebes Queer-Lexikon-Team,
Erstmal vielen Dank für eure großartige Arbeit und die Information, die ihr bereitstellt, ich hatte zuvor nicht einmal von nicht binären Geschlechtsidentitäten gehört.
Nun zu meiner Frage, ich bin 15, afab und trans männlich, aber momentan bin ich irgendwie unsicher, ob ich mich noch so bezeichnen darf. Die meisten Trans*personen erzählen, sie hätten irgendwie schon als sie noch klein waren gewusst, dass etwas nicht stimmt und hätten sich bei z.B. typisch mädchenhaften Dingen immer unwohl gefühlt, aber so ist es bei mir irgendwie nicht gewesen. Ich meine, mich hat mein Geschlecht früher nie so richtig interessiert, ich hatte halt kurze Haare und habe mit den Jungs gespielt, mochte aber auch „mädchenhafte“ Sachen, ich trage teilweise auch gerne Röcke. Und jetzt weiß ich nicht, ob ich mir das trans* sein nicht vielleicht einfach nur einbilde, zumal sich mein Geschlecht irgendwie ändert, immer auf so einem Spektrum zwischen agender und Junge, was ich wirklich versucht habe zu ignorieren. Eigentlich würde ich deswegen auch zwischen den Pronomen er und es, und den Namen Charlie und Noah wechseln, aber wenn ich mir das nur einbilde, wäre das ja unnötig und ich müsste einfach nur warten, bis es wieder weggeht. Bei einem Vorgespräch für einen stationären Aufenthalt in der Psychiatrie hat mir der Psychologe auch gesagt, dass das vermutlich nur von meiner depressiven Episode kommt oder mit meinem Autismus zusammenhängt und der hat ja bestimmt irgendwie mehr Ahnung, als ich.
Und deswegen bin ich jetzt recht verwirrt und die Nachricht ist ziemlich lang geworden, sorry.
Liebe Grüße
Noah

Hallo Noah,

während viele Menschen, die trans sind, das quasi schon immer wussten, gibt es vermutlich genausoviele auf die das nicht zutrifft. Aber selbst, wenn du die einzige Person, die trans ist, und das noch nicht von klein auf wusste, wärst, würde das nichts ändern. Es gibt keine Extrapunkte, keinen Bonus, keine Sondererlaubnis dafür, Dinge schon länger zu wissen. Selbst wenn du gestern dein Coming Out hattest, bist du nicht weniger trans als eine Person, die das schon länger wusste.

Auch, wenn dein Geschlecht nicht statisch ist, ist es okay, trans Mann als Label zu nutzen – wenn das für dich passt. Du bist da die einzige Instanz, die entscheiden kann, ob das Label das richtige ist. Fluidität verbietet dir das nicht.

Ein Wort zu dem erwähnten medizinischen Personal. Die wissen Dinge, die können Dinge – aber öfter als nie haben sie nicht immer Überblick darüber wie queersein sozusagen funktioniert. Denn: selbst wenn das für dich “nur” wegen Autismus oder Depression zustande käme, wäre es ja trotzdem nicht weniger real.

Auch: sich ändernde Geschlechtsidentitäten sind an der Stelle quasi nicht vorgesehen und was nicht vorgesehen ist, passiert auch nicht, oder geht weg, wenn man nur genug Therapie macht. Das kann frustrierend sein, vor allem ist die Grundannahme halt auch eher so Unfug. Kurz gesagt: gib nicht so viel drauf, was Menschen in Arztkitteln dir über dein Geschlecht erzählen wollen.

Liebe Grüße
Xenia

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