Kummerkastenantwort 3.808: Hypermaskuline Personen in meiner Klasse machen mich dysphorisch

Hallo!
Für den Kontext: ich kann mich mit keinem richtigen Label identifizieren, bin aber mehr oder minder transmaskulin und seit einer Weile out, in der Schule verwenden zumindest meine Lehrer und Freunde meinen richtigen Namen und Pronomina. Die erste Frage, die ich hätte: Wie kann man mit absichtlichem deadnaming umgehen? Speziell in diesem Fall denke ich, dass eine direkte Konfrontation eher in Hänseleien als Besserung enden würde (hat sie auch schon) und bin deshalb etwas ratlos, möchte aber auch nicht nichts dagegen tun. Die zweite Frage hängt ein wenig mit der ersten zusammen: Ist es normal sich als trans Person in Anwesenheit von (hypermaskulinen) cis Jungen irgendwie defensiv über die eigene Maskulinität zu fühlen oder geradezu dysphorisch? Ich frage nur, da ich mich in Anwesenheit der cis Jungen (speziell derer, die geradezu hypermaskulin sind) in meiner Klasse so fühle, als müsse ich meine maskuline Identität verteidigen und berechtigen, was dazu führt, dass mir meine körperliche Weiblichkeit bewusster wird und, dass ich als Frau/Mädchen auf andere wirke und mich invalid oder “nicht maskulin/trans genug” fühlen lässt. Im Grunde möchte ich nur wissen, ob andere sich auch so fühlen/fühlten, oder ob das ein Ich-Problem ist, mit dem ich einfach fertig werden muss. Die dritte Frage: Fühlt man sich als queere Person sein ganzes Leben lang irgendwie unzulänglich (die Identität betreffend) und/oder schuldig anders zu sein, oder kann man diesen Gefühlen irgendwann entkommen?
Bitte verzeiht, dass ich euch so viel zumute, diese Fragen beschäftigen mich einfach schon eine Weile.
Ich möchte euch auch noch dafür danken, dass ihr das hier macht. Es hilft schon zu wissen, dass jemand helfen möchte. Ich zumindest fühle mich zeitweise schon dadurch nicht ganz so allein, also: Vielen Dank.

Hallo!

Erstmal vielen Dank für das Lob! Es freut uns immer, zu hören, dass das, was wir tun, jemandem hilft. Das gibt uns den Mut, weiter zu machen.

Zu deinen Fragen:

Wie kann man mit absichlichem Deadnamnig umgehen?

Das ist eine schwierige Frage. Beziehungsweise, es ist eine einfache Frage, aber es gibt eigentlich keine zufriedenstellende Antwort darauf. Eigentlich gibt es nur die drei Möglichkeiten a) selbst kontra zu geben, b) eine Lehrperson zur Hilfe zu holen oder c) es “einfach” zu ertragen. Wenn du sagst, selbst kontra zu geben, bringt nichts, dann fällt das als Option schonmal raus. Wenn deine Lehrer*innen den richtigen Namen und Pronomen verwenden, wäre b) vielleicht eine Option. Auch das kann aber natürlich nach hinten losgehen. Wenn es eine Lehrer*in gibt, der du vertraust, könntest du versuchen, dich dieser Person anzuvertrauen. Wie ihr dann gemeinsam weiter vorgeht und ob sich an der Gesamtsituation etwas ändert, ist aber nicht wirklich abzuschätzen. c) Ist eine ziemlich schlechte Idee, denn das macht dich auf Dauer nur kaputt. Davon, dass man Mobbing ignoriert, geht es nicht weg.
Wenn es keine Lehrpersonen gibt, denen du vertraust, oder wenn das Gespräch mit deinen Lehrer*innen zu nichts führt, bliebe als letzte Möglichkeit, die Schule zu wechseln. Das wäre keine (!) Niederlage auf deiner Seite, sondern die einzig verbleibende Möglichkeit, die deine Gesundheit und dein Wohlbefinden fokussiert. Natürlich ist nicht gegeben, dass an deiner neuen Schule alles Friede-Freude-Eierkuchen wäre. Aber wenn dort von Anfang an vernünftig mit den Lehrkräften kommuniziert wird, könnte es vielleicht klappen, dass von deinen Mitschüler*innen niemand deinen Deadname erfährt.

Ist es normal, sich als trans Person in Anwesenheit von cis Jungen defensiv über die eigene Maskulinität zu fühlen, oder ist das ein Du-Problem?

Ja, und ja. Es ist völlig normal, gerade, wenn man selbst (noch) unsicher ist, z.B. weil mein ein junger, queerer Mensch in einer unangenehmen Situation ist (so wie du), dass man sich von extrem selbstbewussten (oder sich zumindest so gebenden) Klassenkameraden verunsichert fühlt.
Das ist leider etwas, wo man selbst dran arbeiten muss, weil die anderen Menschen in diesem hypermaskulinen Geschlechtsausdruck (der oft auch ziemlich viel mit Unsicherheit zu tun hat) genauso valid sind, wie jeder andere Geschlechtsausdruck.
Das gute ist aber: das wird besser. Selbstbewusstsein ist etwas, das man mit der Zeit ganz langsam entwickelt, und irgendwann ist es da. Und dann lässt du dich auch von den Typen aus deiner Klasse nicht mehr verunsichern.

Fühlt man sich als queere Person ein ganzes Leben lang unzulänglich?

Nein. Auch das wird besser, versprochen. Das, was du beschreibst, klingt nach dem Queeren Imposter-Syndrom. Dazu haben wir einen Blogeintrag, vielleicht hilft der dir weiter.

Wenn du weitere Fragen hast, kannst du dich gerne bei uns melden!

Liebe Grüße,
Elias

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