Kummerkastenantwort 1.613: Bin ich wirklich asexuell?

Huhu liebes Queer Lexikon Team,
ich bin nach meiner letzten Therapiestunde äußerst verunsichert und hoffe ihr könnt ein wenig Licht ins Dunkel bringen:
Ich habe mich bis jetzt eigentlich immer als asexuell identifiziert, nun sagte aber meine Psychotherapeutin zu mir das das Quatsch sei und mein “Mangelndes Interesse” an meiner Depression und einer damit zusammenhängenden Störung des Vetrauens in interpersonelle Beziehung liege. Meine beiden Freunde (die einzigen, bei denen ich mich bis jetzt “offiziell” geoutet habe) meinten wenn sie das so sagt wird es schon stimmen, sie ist immerhin vom Fach. Aber eigentlich habe ich soweit ich mich erinnern kann noch nie Interesse an Bettsport gezeigt, und eigentlich kann ich mich auch mit so vielen online gefundenen Erfahrungsberichten identifizieren das ich mir sicher war, das ist mein Label; ich bin nicht mit meinen Empfindungen (oder halt Mangel an bestimmten Empfinden) alleine, es ist nicht nur ein seltenes Symptom von was anderem. Aber nach dieser Unterhaltung steh ich irgendwie wieder ganz am Anfang, und bin mir nichts mehr sicher. Die Psychotherapeutin müsste es doch besser/sicherer wissen als ich, oder?

Liebe Grüße und vielen Dank schonmal im voraus
pv

Hallo!

Es ist leider häufig so, dass gerade Therapeut*innen und andere Menschen im medizinischen Bereich nicht anerkennen, dass es Asexualität gibt, bzw. dass asexuell zu sein völlig normal und nicht ‘krankhaft’ ist oder behandelt werden muss.

Ob du ‘wirklich’ asexuell bist oder nicht, kann deine Therapeutin nicht wissen (und ich auch nicht!) – das ist eine Frage, die nur du beantworten kannst. Depressionen, Traumata und z.B. auch verschiedene Medikamente können dazu führen, dass eins keine oder weniger Libido hat und/oder kein oder weniger Interesse an Sex. Das ist soweit ganz normal. Das, was du beschreibst, klingt für mich aber auch so, als würde das Label schon lange oder immer zu dir passen und als würdest du dich in den Erfahrungen anderer asexueller Personen wiederfinden. Damit kann es sein, dass deine Asexualität nicht (nur) mit Depressionen zusammenhängen.

Ich würde sagen: Es schadet dir in keiner Weise, dich als asexuell zu bezeichnen, wenn du das willst. Und wenn du irgendwann, z.B. nach einer therapeutischen Behandlung oder so, doch merkst, dass asexuell nicht das richtige Label für dich ist, dann kannst du dir immer noch ein anderes suchen. Vielleicht kannst du das auch so deiner Therapeutin vermitteln: Du findest, asexuell ist das richtige Label für dich; aber du bleibst der Möglichkeit gegenüber offen, dass sich das irgendwann ändern könnte oder so.

Und vielleicht kannst du deiner Therapeutin das hier mitbringen.

Ich wünsche dir alles Gute!

Liebe Grüße,

Annika

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