Kummerkastenantwort 1.628: Bin ich vielleicht agender?
Hey,
ich frage mich wer ich eigentlich bin. Mir wurde bei der Geburt das weibliche Geschlecht zugewiesen und das hat für mich auch 19 Jahre gepasst, weil ich es nicht hinterfragt habe und auf einmal denke ich, nicht-binär zu sein und das löst in mir Chaos aus.
Vor ungefähr einem halben Jahr hatte ich einen ziemlich krassen Heulkrampf, weil ich mich nicht traute, die Frage zuzulassen, ob ich mich überhaupt als Frau sehe und was es in mir auslöst, wenn Menschen von „sie“ sprechen. Ich habe dann irgendwann gedacht, „ja Geschlecht spielt für mich keine Rolle, es ist ein Konstrukt und ich fühle es nicht“, aber es ist ok, wenn Menschen mich als Frau lesen oder mit Frau soundso ansprechen. Aber irgendwie ist es das nicht. Ich fühle mich nicht männlich und nicht weiblich, eigentlich fühle ich dahingehend nichts und das lässt mich verzweifeln. Weil irgendwie ist in mir das Gefühl, dass ich auf die Frage „Wo ordnest du dich ein?“ eigentlich etwas fühlen müsste, aber es passiert nichts. Ich fühle mich damit ziemlich allein, weil ich von keiner Person aus meinem Freund*innenkreis/Bekanntenkreis weiß, die sich als nicht-binär identifiziert.
Ist es ok, dass ich nichts fühle? Bin vielleicht agender? Was ist eigentlich der Unterschied zwischen nonbinary und agender?
Außerdem wollte ich euch fragen, ob ihr gute Literatur zum Thema nonbinary/agender kennt, weil bei meiner Suche bin ich nicht weit gekommen oder einen Blog, den ihr empfehlen könnt. Vielleicht hilft mir das schon weiter.
Liebe Grüße
Alma
PS: Ein großes Dankeschön an euch, dass ihr das alles hier macht!
Hallo Alma,
Es tut mir leid zu lesen, dass dieses Thema für dich so schwierig ist und du so leidest. Bei Themen, die wirklich tief treffen und unseren innersten Kern betreffen kann es schon mal sein, dass es sehr emotional wird, wenn eins darüber nachdenkt. Vielleicht hilft es dir grundsätzlich nicht so sehr über die Frage nachzudenken, was dir weh tut, sondern was dir gut tut? Was würdest du dir wünschen, welche Pronomen und Bezeichnungen Menschen für dich verwenden? Und dann von da aus deine Selbsterkennungs-Reise starten.
Aber: Auf die Frage „Wo ordnest du dich ein?“ keine Antwort zu haben ist ok – und zwar nicht nur jetzt, sondern immer. Du schuldest anderen Menschen keine Erklärung dafür, wer du bist und wie du dich identifizierst und was das bedeutet. Du verdienst auch ohne all das Respekt. Deswegen: Ja, es ist absolut ok, dass du nichts fühlst.
Ob du agender bist oder nicht, kann ich leider nicht für dich beantworten. Für mich klingt es absolut möglich, aber leider musst du das selbst herausfinden. Vielleicht passt aber auch nicht-binär als eher grobe Umschreibung für dein Geschlecht oder ein anderes Label – gib dir selbst einfach Raum und Zeit, das herauszufinden.
Agender wird manchmal als eins von vielen Nicht-binären Geschlechtern gezählt, dass also nicht-binär der Überbegriff für agender und andere Begriffe ist. Manchmal wird agender aber auch spezifisch außerhalb von nicht-binär gesehen, weil es kein Geschlecht ist, anstatt eines bestimmten Geschlechts, das nur nicht ‚männlich‘ oder ‚weiblich‘ ist (das wäre dann nicht-binär). Wie du das für dich handhabst, ist ganz dir überlassen.
Ich glaube übrigens, dass dir der Kontakt zu anderen queeren jungen Menschen gut tun würde. Vielleicht magst du ja mal in unserem Chat vorbeischauen? Oder du schaust mal nach einer trans Gruppe in deiner Nähe?
Ich kenne leider keine spezifischen Bücher und/oder Blogs zum Thema agender – aber vielleicht haben unsere Follower*innen auf Twitter ja Ideen?
Liebe Grüße,
Annika