Kummerkastenantwort 1.652: Was kann ich gegen Dysphorie tun?

Hallo liebes Queer Lexikon-Team.

Ich bin trans feminin und ich habe das Problem, dass ich unfassbare Dysphorie wegen bestimmter Gesichtszüge habe, die mich so stark einschränkt, dass ich meistens das Haus nicht verlassen kann. Jetzt wird eine FFS aber auch nicht von der Krankenkasse bezahlt und selbst genug Geld dafür zusammen zu bekommen klingt erstmal utopisch. Habt ihr Ideen, was ich sonst machen kann? Irgendwelche Tipps, wie ich die Dysphorie lindern kann?
Danke schon mal im Voraus.

Hey du,

das ist echt nicht einfach. Dysphorie ist verdammt kompliziert und es gibt dafür keine einfache Lösung. Auch Operationen sind nicht automatisch ein absolutes Heilmittel – oft geht es ja bei Dysphorie um ein Ideal, das erreicht werden soll, nicht um irgendeine greifbare Realität.

Dysphorie – was soll das?

Was du tun kannst, ist eigentlich vor allem: an deiner Einstellung arbeiten. Deine Dysphorie sagt dir vielleicht, dass dein Gesicht nicht ‘feminin genug’ ist. Vielleicht ist es auch belastend, dass Leute dich im Alltag misgendern und du den Eindruck hast, dass das an deinen Gesichtszügen liegt. Das ist alles sehr verständlich.

Wahr ist aber auch: Körper haben kein Geschlecht. Es gibt mit Sicherheit massig feminine Personen, cis und trans, die ähnliche Gesichtszüge haben wie du. Alle von ihnen sind unabhängig von ihrem Gesicht vollkommen valide in ihrem Geschlecht. Alle von ihnen verdienen Respekt, richtige Behandlung und eine Anerkennung ihres Geschlechts. Auch du.

Am Selbstbild arbeiten

Der Wunsch, Dinge an deinem Körper zu ändern, widerspricht nicht unbedingt dem Akzeptieren von deinem Körper, so wie er ist. Gerade wir trans Menschen müssen oft hart an unserem Selbstbild und unserer Selbstliebe arbeiten – so vieles davon ist eng verknüpft mit transfeindlichen und cisnormativen Erwartungshaltungen der Gesellschaft. Sich selbst anzunehmen ist harte Arbeit. Du musst dein Gesicht nicht lieben. Stattdessen kannst du versuchen, eine neutrale Beziehung dazu zu entwickeln – vielleicht so wie zu deinen Nieren oder deiner Kniekehle oder welchem Körperteil auch immer, dem du keine besondere Beachtung schenkst. Du kannst dein Gesicht als Werkzeug verstehen. Es hilft dir, Leuten mitzuteilen, wie du drauf bist – wütend, amüsiert, traurig. Es hilft dir zu reden und zu atmen und tut seinen Job. Dafür ist es da. Es ist okay, Spiegel und Fotos zu vermeiden. Manchmal ist es besser, die Körperteile zu ignorieren, die dich dysphorisch machen, statt dir ständig den Kopf darüber zu zerbrechen.

Unterstützung – du bist nicht allein!

Diese ganze Arbeit kann einfacher werden, wenn du dir Unterstützung suchst. Das kann für jede Person ganz unterschiedlich aussehen. Für mich persönlich ist es unheimlich hilfreich, mich mit anderen trans Menschen zu umgeben, die wie ich nicht in die Normen und Ideale der Gesellschaft passen. Ich versuche, mich mit Leuten zu umgeben, die ein cis Ideal ablehnen. Gleichzeitig vermeide ich es, mich ständig mit trans Instagram Models zu umgeben. Auch eine gute, transfreundliche Therapeutin hat mir sehr geholfen. Wie für dich gute Unterstützung aussieht, kannst du nur selbst herausfinden.

Wenn du irgendwann doch noch Zugang zu einer Operation kriegst – umso besser. Bis dahin wirst du sicher Wege finden, mit deiner Dysphorie umzugehen.

Ich wünsche dir dafür alles Gute!
Liebe Grüße,

Balthazar

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