2.000 Kummerkastenfragen – hier kommen eure positiven Geschichten!

Diese Woche haben wir die 2.000. Frage in unserem Kummerkasten beantwortet. Wow!

Und weil die Fragen im Kummerkasten oft von Angst und Unsicherheit geprägt sind haben wir euch dazu aufgerufen, uns zum Jubiläum eure positiven Geschichten zu schicken.

Hier sind drei davon:

Coming Out auf der Toilette

Ich schließe die Toilettentür hinter mir und schiebe den Riegel vor, der mit einem Knacken einrastet. Während ich mich langsam zu Milena umdrehe, rauscht das Blut in meinen Ohren und ich weiß wirklich nicht, wo ich meine Nervosität hinschieben soll, weil sie mich beherrscht. Milena sieht mich erwartend an und ich drücke mich an ihr vorbei, um mich auf den Klodeckel setzen zu können, da meine Knie bedenklich wackeln und ich nicht weiß, ob sie mein Gewicht weiter halten werden. Ich höre die Spülung des Klos neben mir und ich warte, bis die Tür zum Mädchenklo zuschlägt, um sicher zu gehen, dass wir wirklich alleine sind.

Milena verschränkt die Arme vor der Brust und sie verharrt in dieser Position, damit ich endlich anfange. Aber ich weiß nicht wie. Ich versuche, Sätze in meinem Kopf zu bilden, aber mein Gehirn hat anscheinend seine Funktion aufgegeben. Systemfehler. Ich schnaube innerlich, wütend über mich selber, weil ich ihr ja entgegenkommen will, und hole dann mit zittrigen Fingern mein Handy aus der Hosentasche. Auf dem Sperrbildschirm erscheint Clarisse LaRue und scheint mich anzufauchen, dass ich mich verdammt noch mal zusammenreißen soll. Ich seufze leise, während ich mit einem Anflug von Panik meinen Bildschirm vor Milenas neugierigen Augen schütze. Meine Hände zittern inzwischen so sehr, dass ich den Gallerie-Button meines Handys nicht treffe und stattdessen den Spiegel öffne. Als ich es dann endlich schaffe, das Bild heraufzubeschwören, was ich ihr zeigen will, bin ich fast genervt von mir selbst. Ich will das und trotzdem schaffe ich es nicht, wie ich es gestern Abend noch stundenlang im Bett geübt habe.

Ich drehe mein Handy um und gebe Milena freien Blick auf den Bildschirm. Die Lesbian Pride Flag. Sie sieht mich nur verwirrt an.

„Weißt du, was das ist?“, frage ich und verfluche meine Stimme dafür, dass sie schwach und zittrig ist.

Sie verneint und ich gebe ihr den offensichtlichen Hinweis. Die LGBTQ+ Pride Flag. Die Regenbogenflagge. Ich schlucke, als ich die Erkenntnis in ihren Augen sehen. Furcht bemannt mich und die Sekunden, bis sie etwas sagt, kommen mir vor wie Stunden.

„LGB…“, beginnt Milena, stockt dann aber und sieht mich fragend an.

„LGBTQ+“, antworte ich, noch immer gespannt wie ein Pfeil, der kurz vor dem Schuss steht. „Weißt du, was es bedeutet?“ Ich weiß selbst nicht, warum ich diese Frage stelle, aber ich habe das Gefühl, dass ich mich von meinem Coming Out ablenken will.

Als von Milena nichts kommt außer ein Schulterzucken, fahre ich fort. „Lesbian, Gay, Bisexual, Transgender, Queer.“

Milena zögert, bevor sie ausspricht, was ihr vermutlich schon auf der Zunge liegt, seit ich ihr die Regenbogenflagge gezeigt habe. „Und… und du gehörst da dazu?“

Ich sehe ihr in die Augen, suche nach irgendeinem Zeichen von Ekel oder Hass, finde aber nichts. „Ja“, sage ich dann leise, aber bestimmt. „Ich bin lesbisch.“ Es ist das erste Mal, dass ich es vor einem anderen Menschen ausspreche außer mir selbst und irgendwie fühlt es sich gut an. Und trotzdem merke ich, wie mir die Tränen in die Augen schießen.

Aber bevor Milena auch nur ansatzweise etwas sagen kann, fange ich wieder an zu reden. „Das, ähm, war es noch nicht“, versuche ich mich selbst zu erklären. „Ich habe es schnell bemerkt, nachdem ich wusste, dass ich lesbisch bin, aber… ich habe Angst, Milena. Angst, es dir zu sagen, weil es schwer ist. Ich bin nicht-binär, ich bin kein Mädchen, kein Junge. Ich bin Camille und meine Pronomen sind es/es oder sie/ihr. Ich…“

Sie unterbricht mich mit einer Handbewegung, denn sie weiß, ich würde mich nur wieder in meinen eigenen Sätzen verstricken. Dann zieht sie mich vom Klodeckel hoch, zieht mich an sie und legt ihre Arme um mich. „Ich bin immer für dich da, Marshmallow“, flüstert sie mir ins Ohr und ich lächele bei dem Spitznamen. „Ich werde niemals weg sein und ich würde dich niemals für so etwas verurteilen oder hassen, Camille. Ich hab dich lieb.“ Sie presst ihre Stirn in einer bekannten Geste gegen meine, während ihre Hände an meinem Hinterkopf liegen. In ihren Augen kann ich Wahrheit sehen und die Liebe, die sie mir entgegenbringt.

„Danke“, hauche ich und lächele.

– Camille (14)

2. Eine liebe Nachricht an uns

Hallo liebes Queer-Lexikon Team,

Ich möchte euch herzlich für eure tolle Arbeit bedanken. Sie hat mir super weitergeholfen.
Ich bin 20 Jahre alt und habe durch euch herausgefunden, dass ich Demifluid bin. Bei mir ist der feste Part non-binary und die fluiden Teile demigirl und demiboy. Ich hatte lange gedacht, ich wäre cis und hetero, doch habe festgestellt dass ich Pan und demisexuell bin und habe kurz darauf auch mein Gender hinterfragt.
Durch die viele, bereits vorhandene, Antworten, aber auch dadurch, dass ihr mir meine Fragen beantwortet habt, bin ich mir jetzt sicher, wer ich bin und bin super glücklich damit.
Da ich teilweise eine Dysphorie wegen meinen Brüsten hatte, hab ich mir einen Binder gekauften und mich an eurer Broschüre orientiert. Jedes mal, wenn ich ihn trage, fühle ich mich endlich angekommen in meine Körper.
Geoutet bin ich bis jetzt nur bei meinem Partner und einer Freundin. Tatsächlich glaube ich auch, dass ich mich wenn überhaupt nur noch bei meiner besten Freundin oute, da ich denke, dass es keinen direkt was angeht, wer ich bin und wie ich empfinde.

Wie gesagt: herzlichen Dank für eure Arbeit. Macht weiter so❤️
Viele Grüße Jesse

3. Ein Besuch auf dem CSD

Ich war dieses Jahr in fast keinem CSD, in Freiburg nur ganz kurz.
Dann wurde ich spontan auf dem CSD in Tübingen eingeladen. Da ich Anschluss hatte und nicht alleine war, war es einfacher für mich mit zu laufen. Und kurze Zeit später nahm ich meine BiFlag raus und habe sogar ein Foto machen lassen und in den sozialen Medien gepostet.

Es ist nicht das erste Mal, dass ich die Bi-Flagge raus geholt habe. Aber es war alles passend. Wir haben sogar ein Gruppenbild gemacht.
Ich habe gemerkt, dass es im Grunde niemand interessiert. Ich habe mich echt wohl gefühlt. Ich glaube mir sogar versprochen zu haben, wann immer es Gelegenheit gibt mich zu outen, werde ich es auch tun.

(Anonym)

Vielen Dank an Camille, Jesse und anonym für eure Geschichten! Wir freuen uns immer, von euch zu hören, z.B. dazu, ob wir euch mit unseren Antworten im Kummerkasten weiterhelfen konnten.

Liebe Grüße,

Euer Kummerkastenteam

 

 

 

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