Kummerkastenantwort 5.741: Ich bin verwirrt über mein Label und weiß nicht, ob ich mich bei meiner Familie outen soll

Hi, ich blicke bei den ganzen Labels nicht mehr durch. Ich bin in ein Mädchen verliebt war aber auch schon in einen Jungen. Aber den Jungen fand ich irgendwie auch nur „hot“ das Mädchen, da bin ich richtig verliebt. Ich finde auch das Bi irgendwie nicht so passend dafür ist, weil es ja eigentlich nur beschreibt das man die Geschlechter nicht sexuel und romantisch unterscheidet. Aber für mich ist da eindeutiger Unterschied. Ich kenn mich da wie schon gesagt nicht so gut aus mit den Labels. Könnte ich vielleicht einen Vorschlag bekommen was vielleicht passen würde?



Dann hätte ich noch eine Frage und zwar bei meinem Outing. Vor meiner Freundes Gruppe hab ich mich schon fast überall geoutet aber noch nicht bei meiner Familie. Meinem Bruder würde ich es auf jeden Fall schon mal nicht erzählen, wir haben nämlich ein ziemlich schlechtes Verhältnis zu einander. Meinen Vater hab ich letztes gefragt, was bi sexuell bedeutet um zu schauen wie er darauf reagiert und er meinte dann das bi sexuelle eigentlich nur die Teilzeit Schwulen sind und die nur in die Queere Familie wollen und sich dann so was ausdenken. Er meinte aber auch, dass er Queer sein ganz ok findet aber halt dieses bi sexuell zeug hasst. Soll ich mich vor ihm als queer outen? Ich hatte aber auch den Eindruck dass er nur Trans und Homo kennt. Wie soll ich ihm das erklären? Außerdem ist er der christlichste von unserer Familie. Meiner Mutter möchte ich es unbedingt sagen aber ich weiß halt nicht wie. Sie spricht dauernd davon Enkelkinder zu haben und so. Und wie könnte ich ihr das sagen? Ich weiß nur, dass sie nichts gegen Queer hat nur halt kein Plan hat, was für Bezeichnungen und Labels es da gibt.



❤️❤️

Heyyo,

danke, dass du dich mit deinen Fragen an uns wendest und entschuldige bitte, dass die Antwort so lange gedauert hat!

1) Zu den Labels
Ich kann verstehen, dass die Vielfalt der Labels überfordernd sein kann, gleichzeitig dient sie den Menschen dazu, ihre romantische / sexuelle Orientierung oder Geschlechtsidentität möglichst genau für sich selbst in Worte fassen zu können.
Bi“ bedeutet primär, dass du dich zu mehr als einem Geschlecht sexuell und / oder romantisch hingezogen fühlst – das können zwei sein, oder auch alle Identitäten. Allerdings hast du da noch eine „Präferenz“, zu wem du dich hingezogen fühlst. Hast du diese Präferenz nicht, kannst du beispielsweise das Label „Pan“ für dich verwenden.

Wenn du aber das Gefühl hast, dass du manche Geschlechtsidentitäten nur romantisch und andere nur (oder auch) sexuell anziehend findest, könntest du dich mit dem „Split Attraction Model“ auseiandersetzen. Mit dem Konzept wird deutlich, dass es verschiedene Arten von Anziehung geben kann, beispielsweise sexuelleromantischesensuelleästhetische und platonische. Während bei vielen Menschen die sexuelle und romantische Orientierung überlappen, stimmt dies nicht für alle Menschen. Diese können mit dem Split Attraction Modell die Unterschiede zwischen verschiedenen Arten von Anziehung für sich selbst erkennen und mit anderen kommunizieren.

Generell ist es so, dass sich das Label oder die Labels für dich selbst passend anfühlen müssen und es ist auch okay, wenn sie sich über die Zeit ändern.


2) Zu deinem Coming-Out
Zuallererst tut es mir leid, dass du keine leichte Situation mit deinem Coming-Out hast. Ich kann verstehen, dass du es deinen Eltern erzählen möchtest, damit sie dich richtig sehen können. Gleichzeitig ist es aber auch wichtig, dass du auf deine eigene Sicherheit achtest.

Du bist niemandem ein Coming-Out schuldig, weshalb es total in Ordnung ist, wenn du es deinem Bruder nicht sagen möchtest, besonders dann, wenn du dich nicht sicher oder wohl dabei fühlst.

Zu deinem Vater: was er über Bisexualität sagt, ist leider eine sehr verbreitete Fehleinschätzung und gleichzeitig sehr verletzend. Du hast recht: Es klingt, als ob er nur grob zwischen „schwul“, „trans“ und „hetero“ unterscheidet und alles andere für ihn eher „ausgedacht“ wirkt. Wenn du das Gefühl hast, dass ein direktes Coming-out bei ihm momentan nicht sicher oder hilfreich wäre, ist es völlig in Ordnung, zu warten – oder auch einen anderen Weg zu wählen.
Wenn du ihm aber doch gern sagen möchtest, wer du bist, könntest du es vielleicht erstmal allgemein halten, indem du ihm nicht deine genaue Orientierung sagst. Auch wenn es sein kann, dass er dann nachfragt und es wissen möchte. Wenn du den Eindruck hast, dass er „queer“ besser akzeptiert, kannst du das als Überbegriff nutzen – viele queere Menschen nutzen „queer“ genau dafür, um sich nicht in ein ganz konkretes Label pressen zu müssen. Aber das würde ich nur machen, wenn du dich selbst mit dem Label wohlfühlst!
Viele religiöse Menschen haben verinnerlichte Vorurteile, aber viele schaffen es auch, über die Zeit ihren Glauben mit Akzeptanz in Einklang zu bringen. Manchmal hilft es, wenn man das Gespräch nicht auf Theologie oder Moral lenkt, sondern auf dich als Mensch. Gleichzeitig ist es aber auch ein Vorurteil, dass „alle christlichen Menschen homo- und transfeindlich sind“.

Zu deiner Mutter: es klingt so, als sei sie offener, nur nicht so informiert. Das ist an sich schon mal eine gute Basis. Du kannst ihr queere Themen einfach langsam näher bringen, indem du mit ihr darüber redest oder Videos oder Artikel schickst.
Wenn sie oft von Enkelkindern spricht, erzeugt das natürlich eine Erwartungshaltung, aber es ist total in Ordnung, wenn du keine Kinder möchtest!

Allgemein: du darfst dir die Reihenfolge und das Tempo selbst aussuchen. Du kannst es beiden gleichzeitig sagen oder nacheinander. Du darfst eine vertraute Person mitnehmen, wenn es das für dich angenehmer macht. Du darfst es ihnen selbst sagen, aber auch einen Brief schreiben, den sie in Ruhe lesen können.


Queere Grüße, Kay

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2 Antworten

  1. Anonym sagt:

    Hiii,
    ich bin Omni und wahrscheinlich demigirl (ich habe diesbezüglich letztens auch schon eine Frage gestellt).
    Also jetzt zu meiner Frage ich habe mich bisher noch nicht vor meinen Freunden und Familie geoutet was ich aber gerne machen würde,nur bin ich mir unsicher wie sie reagieren werden und ich wollte fragen wie ich rausfinden könnte ob sie homophob oder so sind aber halt ohne es ihnen direkt zu sagen/fagen.Weil ich mir da ziemlich unsicher bin und ich es eher tuen würde wenn ich weiß das sie positiv reagieren würden,ich würde es zwar nicht demnächst machen aber bin jetzt schon dankbar für eure Antwort.
    Viele Grüße T

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