Kummerkastenantwort 2.212: Bin ich wirklich trans?

Hi,
ich bin 25 und seit 2,5 Jahren beschäftigt mich die Frage, ob ich trans bin. Ich habe mit meiner Partnerin darüber gesprochen und war bei einem Trans*mann-Stammtisch. Ansonsten bin ich nirgendwo geoutet.
Es gibt Tage, an denen ich unbedingt endlich als Mann leben will und es kaum erwarten kann, mich bei meinen Freund*innen zu outen. Dann wiederrum bin ich voller Zweifel und fühle mich komplett zerrissen.
1) Ich denke über mich selbst häufig als „sie“ und mit meinem weiblichen Geburtsnamen. Zeigt das meine wahre Geschlechtsidentität? Oder ist das die jahrelange Gewohnheit? Ist es normal, dass man selbst Zeit braucht, sich an neue Namen und Pronomen zu gewöhnen?
2) Ich möchte unbedingt Testosteron und die Mastek, bin mir aber nicht sicher, ob ich das Recht habe, meinen Körper zu verändern. Abgesehen vom trans-Thema sehe ich z.B. Schönheits-OPs kritisch und könnte es mir selbst gegenüber nicht vertreten.
3) Ich habe Angst, dass ich falsche Hoffnungen an das Leben als Mann habe oder mich von anderen Problemen ablenke. Ich habe z.B. wenig Selbstbewusstsein und fühle mich unter Menschen super unwohl. Schwer zu sagen, ob das daran liegt, dass ich im „falschen“ Geschlecht lebe, oder ob es nur ein dankbarer Erklärungsansatz ist. Außerdem bin ich auch mit manchen Dingen an meinem Körper unzufrieden, die nichts mit Geschlecht zu tun haben und sich nicht ändern würden.
4) Ich will mit meiner Entscheidung, als Mann zu leben, nicht existierende Geschlechtsstereotypen untermauern. Mache ich es mir zu einfach? Will ich nur als Mann leben, weil ich gemerkt habe, dass ich nicht dem üblichen Frauenbild entspreche? Lasse ich mich von der Gesellschaft in eine Schublade drängen? Bin ich ein Transmann oder bin ich einfach eine Frau, die sich gerne maskulin gibt? Ich habe bisher auch noch keine andere Geschlechtsidentität gefunden, die sich für mich richtig anfühlt.
Auch wenn ihr mir keine Antwort bezüglich meiner Identität geben könnt, freue ich mich auf eure Gedanken dazu.
Freddy

Hallo Freddy,

du hast 4 Fragen, und ich hab dir viermal Gedanken dazu.

Wie wir uns selbst in Gedanken ansprechen, hat sehr viel mit Gewohnheit zu tun. Ja, das kann belastend sein, weil es wirkt, als würde man sich nicht mal selbst glauben. Aber ich kann dir versichern: Das ist Gewohnheit. Und das kann sich ändern. Wahrscheinlich langsamer als dir es lieb wäre, aber da kann sich was tun.

Schönheits-OP als Begriff existiert erstmal nur, um eine künstliche Trennung zwischen “wirklich notwendigen” und “eigentlich überflüssigen” Behandlungen aufzumachen. Da wehre ich mich bisschen gegen. Planbare Operationen werden in der Regel durchgeführt, wenn der Nutzen in vertretbarem Verhältnis zu den Risiken steht. Wenn es das nicht täte, diese Schönheitsoperationen also wirklich überflüssig wären, würde es die so nicht geben. Die haben einen Zweck. Die sind gut und richtig. Und wenn du trans bist, gehts dabei ja auch um einen gewissen Leidensdruck. Darum, dass es dir ohne Brüste besser ginge. Das ist jederzeit legitim.

Die allerwenigsten Dinge im Rahmen einer Transition sind wirklich unumkehrbar. Dinge lassen sich ausprobieren und erkunden. Und falls du je merken solltest, dass zum Beispiele Hormone nicht das richtige für dich sind, setzt du sie eben wieder ab. Es ist auch okay, mehrere Baustellen und Struggles gleichzeitig offen zu haben. Nicht alles, was dich an dir stört, muss einen gemeinsamen Grund haben.

Die Entscheidung als Mann zu leben für dich ist eine persönliche. Und wenn sie auf dieser persönlichen Ebene richtig und gut ist, dann reicht das vollkommen aus. Du darfst da gesellschaftliche Aspekte ausblenden. Es wäre es schlicht nicht wert, drauf zu verzichten, dass es dir durch Transition besser geht, nur um damit keine Stereotype zu reproduzieren. Durch deinen persönlichen Verzicht ändert sich die Gesellschaft nämlich auch nicht.

Liebe Grüße
Xenia

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