Kummerkastenantwort 2.303: Ich bin trans & mit meiner Therapeutin frustriert.

Hey,
Erstmal danke, dass ihr die Möglichkeit bietet sich anonym Rat einzuholen.
Ich habe nicht so eine richtige Frage, ich bin trans ftm und einfach total frustriert.
Ich lebe jetzt seit über einem Jahr offen als männlich und bin mir auch total sicher, dass ich Testosteron bekommen möchte, worüber ich mich gut informiert habe. Ich bin auch in Therapie und habe vor einem halben Jahr bereits angesprochen, dass ich gerne, wenn dem nichts im Weg steht, die Indikation für Testo bekäme, da wurde ich vertröstet mit „Ja, mal gucken, die Diagnostik läuft jetzt erstmal“.
Jetzt ist die Diagnostik abgeschlossen, aber mir wurde gesagt ich könne die Indikation trotzdem nicht bekommen (und weil ich minderjährig bin, brauche ich die von zwei Therapeuten?) und das frustriert mich.
Die Therapeutin ist nämlich der Ansicht wegen meiner Ptbs wäre nicht sicher, ob ich wirklich trans bin oder das nur eine „Ausflucht aus meinen Traumata ist“ und ich erstmal symptomfrei von meiner ptbs sein muss, bevor nochmal über das „Trans-Thema“ geredet wird, so als ginge mein trans sein einfach wieder weg.
Problem an der Sache, keine Ahnung wie lange das dauert, mir sagt niemand was dazu und ich soll mich jetzt halt damit abfinden und dankbar sein, dass sie überhaupt meinen Namen nutzt und ich in Therapie bin. Dabei ist meine Dysphorie ein riesiges Problem für mich, egal was ich mache, ich werde immer als Mädchen wahrgenommen, ich habe echt schon alles an Haarschnitt und Kleidung ausprobiert, außerdem belastet mein weiblicher Körper mich einfach. Und solange ich noch weiblich gelesen werde, werde ich immer wieder mir sie und meinem deadname angesprochen, aber ich ertrage das einfach nicht mehr, ich wünschte niemand würde diesen Namen kennen.
Es kotzt mich einfach an, immer nur vertröstet zu werden und weiter aushalten zu müssen, ich will nicht die nächsten fünf Jahre noch als Frau rumlaufen. Ich verstehe ja den Gedankengang meiner Therapeutin, aber muss ich das einfach so akzeptieren?

Hey Du!

Deine Frustration kann ich sehr gut verstehen. Das, was deine Therapeutin da mit dir macht, ist falsch. Sowohl moralisch gesehen, als auch faktisch. Es tut mir sehr leid und macht mich wütend, dass du dieser Art von Gatekeeping ausgesetzt bist!

Den Gedankengang deiner Therapeutin musst du nicht einfach so akzeptieren. Was du dagegen machen kannst, hängt aber sehr stark von deiner persönlichen Situation ab, deswegen kann ich dir da keinen genau ausgearbeiteten “Plan” geben, sondern nur die Möglichkeiten aufzählen, die ich generell sehe.

Therapeut*in wechseln

Wenn es dir möglich ist, empfehle ich dir, deine*n Behandler*in zu wechseln. Offensichtlich ist diese Person in trans Belangen nicht geschult und/oder hängt veralteten wissenschaftlichen Ansichten nach, die mittlerweile überholt sind. Trans sein geht nicht einfach so wieder weg – und ist in den seltensten Fällen ein Fluchtmechanismus aus einer PTBS. Falls ein Wechsel für dich möglich ist, empfehle ich dir, direkt bei der Suche darauf zu achten, dass du eine*n Therapeut*in findest, der*die schon vorher (erfolgreich) mit trans Menschen gearbeitet hat. Das kann etwas schwierig sein. Das Trans-Kinder-Netz kann dir dabei helfen! Eine gute Vernetzung ist, was Transition im Jugendalter angeht, sehr wichtig, denn die Versorgungsstrukturen in Deutschland sind festgefahren und (salopp gesagt) etwas scheiße.

Das Gespräch mit deiner Therapeutin suchen

Wenn ein Wechsel zu einer*m anderen Behandler*in nicht möglich ist, bleibt eigentlich nur, das Gespräch mit deiner Therapeutin zu suchen. Falls deine Eltern oder Sorgeberechtigten dich unterstützen, kannst du sie auch bitten, dich bei diesem Gespräch zu unterstützen. Du kannst deine Therapeutin auf folgende Dinge hinweisen:

  • Die S3-Leitlinie (also die Leitlinie, an der sich Mediziner*innen bei der Behandlung orientieren sollen) wird aktuell überarbeitet, weil sie stark veraltet ist
  • Ob du 1 oder 2 Indikationsschreiben brauchst, hängt von der behandelnden Klinik ab, wo du die Hormone tatsächlich verschrieben bekommst (meist eine Endokrinologie, manchmal auch Urologie oder Gynäkologie). Es ist also dafür, ob sie dir ein Indikationsschreiben ausstellt, vollkommen irrelevant
  • Betroffenenverbände (z.B. Trakine.ev) fordern freien Zugang zu verantwortungsbewusster, medizinischer Transition

Behandler*innen mögen es in der Regel allerdings nicht, wenn ihnen Patient*innen widersprechen oder eigenes Wissen einbringen. Deswegen ist die Wahrscheinlichkeit, dass ein Gespräch Erfolg hat, sehr gering. Dass deine Therapeutin von dir erwartet, ‘dankbar zu sein’ dafür, dass du in Therapie bist und sie dich korrekt anspricht (also dafür, dass sie höflich ist und ihren Job macht, für den sie bezahlt wird) ist obendrein ein schlechtes Zeichen. Und dreist von ihr.

Pass auf dich auf!

Falls sich deine Situation nicht verbessert, kannst du dich gerne wieder melden!

Viel Glück,
Elias

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