Zum TDoV

Ein Text von einer unbegeisterten Xenia.

Heute ist trans Day of Visibility. Klingt wie guter Tag. Sichtbarkeit. Yay. Das auch gemütlich, weil das so klingt, als müsste man da nicht groß was von außen tun, weil sich Leute selbst sichtbar machen und Feiern können, was sie erreicht haben.

Well. Funfact: Ne.

Sichtbarkeit > gesehen werden

Aber trans Personen sind doch sichtbar? Die eine auf YouTube, die da stundenlange Videoessays macht? Und diese eine Person aus Bayern im Bundestag, und der Copyright-Experte, wo mal bei den Piraten und der Schauspieler und die Sängerin in der einen Punk-Band‽

Die werden gesehen. Aber Sichtbarkeit ist mehr als die Wahrnehmbarkeit, weil wir den selben Planeten bewohnen. Die Tatsache, dass all diese Leute offen trans leben können, ist gut. Ist schön. Aber hat die Person, die am Ende deiner Straße wohnt da was von? Und was haben andersrum die erwähnten Personen von ihrer Sichtbarkeit (außer Post von Leuten, die nicht damit einverstanden sind, dass sie existieren).

Nein, Sichtbarkeit beschreibt mehr als reines gesehen werden. Da geht es notwendigerweise sehr schnell um ein paar mehr Dimensionen. Um das ankommen in gesellschaftlicher Normalität. Darum auch in Gesetzen gesehen zu werden. Darum, tatsächlich chancengleich und gleichberechtigt und trans sein zu können.

Da ist es zwar schön, einen Schauspieler, einen Politiker, eine Historikerin, eine Abgeordnete benennen zu können, aber eben noch lange nicht, warum wir heute feiern und fordern.

Hier ist Unfug

Manche Menschen müssen nachweisen, und den Spaß für mehrere Tausend Euro selber bezahlen, was für ein Geschlecht sie haben.
Wenn wir wirklich wollen, dass wir alle vorm Gesetz gleich sind, nun dann muss das entweder für alle so sein. Oder für niemand. Tja.

Und kommt mir nicht um die Ecke damit, dass es dafür ja Geschlechtsorgane gibt. Das Bundesverfassungsgericht hat dankenswerterweise schon geklärt, “dass sich das Geschlecht nicht allein nach genetisch-anatomisch-chromosomalen Merkmalen bestimmen oder gar herstellen lässt”.

Weg damit!

Nach dem sicher alle keinen Bock auf so ein unsinniges Prozedere haben – kann das einfach einfach weg.

  • Änderung des Geschlechtseintrags in möglichst umständlichem und teurem Verfahren: weg.
  • Gesetzgebung, die drauf basiert, dass Männer keine Männer heiraten durften: weg.
  • Vornamensrecht, das noch auf Nazi-Ideen basiert: weg.
  • Staatlich festgelegte Geschlechtseinträge: weg.

Einfach weg mit dem ganzen Scheiß. Weg mit allem, was umständlicher ist als das Preussische Landrecht zu dem Thema. (Ja kein Scheiß, das ist in Teilen fortschrittlicher als der ganze Müll hier). Wir müssen da noch bisschen drüber raus gehen, aber nun.

Das Ding ist, das gehört genau hier und genau heute an diesen Platz. Genau heute am TDoV. Weil Sichtbarkeit mehr ist und mehr sein muss als hingucken und feststellen, dass da auch wer ist, wo trans ist. Wichtiger erster Schritt. Mag sein. Aber wir kommen als Gesellschaft und als Staat halt nicht aus dem Quark, und es wäre Zeit, dass hier was passiert. Dass – nachdem Wissenschaft und Medizin und das Verfassungsgericht anerkannt haben, dass Geschlecht nicht objektiv zu messen und erstrecht nicht binär ist – der Staat das auch in seiner Gesetzgebung nachvollzieht.

Bisher sind schlicht alle Regelungen, irgendwas mit seinem eigenen Geschlechtseintrag zu machen (implizit) von sowas wie einer Diagnostik abhängig. Eine Diagnose freilich nicht nach medizinischen Standards sondern nach Formulierungen, die irgendwer ins Gesetz getackert hat, dass da halt Ordnung herrscht oder so. Der ganze Witz dabei ist, dass ungefähr alles, wofür diese Einträge irgendwann vielleicht ihren Sinn hatten, komplett ded ist:

  • Verbot von einvernehmlichem gleichgeschlechtlichen Sex bei Männern: aufgehoben
  • Ehe-Verbot für gleichgeschlechtliche Paare: aufgehoben
  • Schließen von gleichgeschlechtlichen Partnerschaften: aufgehoben
  • Zustimmungspflicht des Ehemanns für Berufswahl/Anstellung der Ehefrau: aufgehoben
  • Zustimmungspflicht des Ehemanns für Eröffnung eines eigenen Bankkonto: aufgehoben
  • Wehrpflicht: (quasi) aufgehoben

In anderen Worten: der Staat brauch diese Einteilung nicht mehr. Er benutzt sie stellenweise noch – zum Beispiel bei Sozialversicherungsnummern (die unsinnigerweise Geschlecht mit codiert). Das Verfassungsgericht hat ausdrücklich freigestellt, auf die Erhebung von Geschlecht für Registerzwecke zu verzichten. Das geht also prinzipiell.

Und wenn wir vom Gesetz wirklich gleich sein sollen, Gleich in Rechten, in Chancen und in Pflichten, nun dann wäre es das mal Zeit.

Sichtbarkeit ist mehr als an dreieinhalb Tagen im Jahr ein paar Transflaggen zu sehen. Mehr als spontan drei Menschen auf YouTube, Twitch, Twitter und im Fernsehen benennen zu können, die trans sind. Sichtbarkeit muss nicht nur in einer individuellen Perspektive (Diese Person ist trans) sondern auch gesellschaftlich und rechtlich da sein. Rechtlich wurde das bisher mit irgendwelchen Sonderregelungen versucht, bei denen das Bundesverfassungsgericht gefühlt alle Nase lang eingeschritten ist und das schlimmste dran beseitigt hat – oder genau dafür angerufen wurde. Wird Zeit das hier auf den Kopf zu stellen, damit alle, wirklich alle, vor dem Gesetz nun gleicher gesehen werden können.

 

 

Das könnte dich auch interessieren …