Kummerkastenantwort 2.465: Wie sage ich meinen Eltern, dass ich mich mit Kinderfotos von mir unwohl fühle?
Hallo liebes Kummerkasten Team,
Ich bin 16 und trans männlich, ich habe mich vor 1,5 Jahren geoutet und bin auch überall out.
Nun ist es so, dass meine Familie eigentlich super supportive ist, zwar klappt es teilweise nicht mit den richtigen Pronomen, aber das liegt wohl auch daran, dass ich nie korrigiere, weil ich nicht weiß, wie ich das machen soll.
Das Ding ist nur, überall im Haus hängen alte Kinderfotos und ich fühle mich einfach unglaublich unwohl, die dauernd zu sehen, weil ich am liebsten vergessen würde, dass ich die ganzen Jahre davor als Mädchen gelebt habe, ich möchte nicht diese „Mädchen Version“ von mir sehen.
Ich weiß aber nicht wie ich das ansprechen soll und ich glaube auch nicht, dass meine Mutter das ändern würde, wie kann ich also damit umgehen, sodass ich davon nicht immer so traurig werde?
In einem neuen Fotoalbum steht jetzt nämlich auch noch mein Deadname neben einem alten Foto, weil „du da ja noch ein Mädchen warst“, das stimmt aber nicht, ich war schon immer ein Junge und vor allem hatte ich mit 4 so null Ahnung von Geschlecht.
Ich weiß halt nicht, wie ich damit umgehen und auf solche Aussagen reagieren kann/soll.
Viele Grüße Leaf
Hej Leaf,
das klingt wirklich belastend für dich, gleichzeitig aber auch so, als könnten deine Eltern zum Thema Transsein auch noch dazulernen – wenn sie grundsätzlich supportive sind, besteht ja zumindest die Chance, dass sie da offen sind. Vielleicht kannst du den Mut finden, das Gespräch mit ihnen zu suchen, und ihnen die Dinge erklären, die dich verletzen. Falls es dir das einfacher macht, könntest du zum Beispiel Freund*innen oder (falls du welche hast) deine Geschwister dazu holen, damit du auch im Gespräch direkt Unterstützung hast. Sprich an, was du hier auch beschrieben hast, dass du als Kind keine Vorstellung von Geschlecht hattest, aber dass dich das nicht weniger zum Jungen machte, und dass du immer schon ein Junge warst. Bitte darum, den Deadname im Fotoalbum zu ersetzen – schließlich ist er ja eben ein Deadname. In dem Gespräch kannst du sicherlich auch noch einmal darum bitten, dass auf die richtigen Pronomen geachtet wird. Eine Alternative zu einem Gespräch könnte auch ein Brief sein, in dem du beschreibst, wie es dir mit der Situation geht.
Bezüglich der Fotos habe ich den Vorschlag, dass ihr anfangen könntet, neue Fotos von euch allen aufzuhängen. Wenn deine Eltern aber gerne die alten Erinnerungen behalten möchten – wie wärs wenn ihr einzelne Fotos nachstellt mit dir als 16-jährigem Teenager aber eben in einem farblich ähnlichen Outfit mit einer ähnlichen Aktivität wie auf den Bildern – aber so dass du dich mit allem wohl und als Junge fühlst?
Falls deine Eltern und du euch insgesamt Unterstützung suchen wollt für euch als Familie, könnt ihr euch, falls ihr es noch nicht kennt, auch ans Trans-Kinder-Netz wenden.
Liebe Grüße,
Valo
Hallo zusammen,
ich möchte gerne als Mutter einer Transtochter etwas schreiben.
Ich verstehe, dass es Leaf unangenehm ist, die Bilder von früher zu sehen. Und dann noch mit einem Namen, den es heute nicht mehr gibt.
Ich weiss aus eigener Erfahrung, wie hart und unangenehm eine Transition sein kann, ich habe mit meiner Tochter jahrelang (ab 18) in einer konservativen Gegend gekämpft und ich habe sie unterstützt, wo ich konnte. Ob männlich, weiblich oder was auch immer war für mich nie wichtig. Menschen sind Menschen.
Auch ich habe 2 Fotos von ihr aufgestellt, in meinem Schlafzimmer, wo sie 5 und 7 ist und wie ein kleiner wunderhübscher Knabe aussieht. Die Vergangenheit gehört zum Leben, es war eine wunderschöne Zeit, an die ich mich als Mutter gerne erinnere. Eine Vergangenheit kann nicht ausgelöscht werden, weil sie unangenehm oder “falsch” war. Wenn ich die Fotos sehe, sehe ich mein Kind, nicht einen Knaben, sondern einfach mein Kind, das ich über alles Liebe. Und daneben steht ein Foto meiner wunderschönen Tochter, wie sie heute aussieht. Und sie ist immer noch das beste in meinem Leben.
Ich selbst hatte keine besonders gute Kindheit. Es existieren von mir Bilder aus jener Zeit, die mich an diese Zeit erinnern und nicht glücklich machen. Aber auch ich muss meine Vergangenheit akzeptieren und ich musste lernen, dass sie zu meinem Leben gehört.
Bei der nächsten Gelegenheit werde ich mit meiner Tochter über die Fotos reden. Bis jetzt (seit 5 Jahren) hat sie sich noch nicht dazu geäussert.
Ich wünsche dir alles Gute Leaf, auf deinem Weg, in deinem Leben, viel Kraft und viele positive Begegnungen und wenn deine Eltern dich unterstützt haben, kannst du ihnen deine Gefühle sicher auch mitteilen, sie werden es sicher verstehen, Agnes