Kummerkastenantwort 2.818: Ich möchte mich als trans outen, habe aber Befürchtungen

Liebes Kummerkasten-Team,
eure vielen Antworten hier zu lesen, hat mich sehr darin bestärkt, mich selbst, meine Gefühle und Bedürfnisse ernstzunehmen. Danke!

Ich bin fast 26 und möchte mich als trans outen. Nach über 3 Jahren Beschäftigung mit dem Thema (das letzte Jahr quasi besessenhaft) bin ich an dem Punkt, an dem ich trotz aller Zweifel das Gefühl habe, endlich etwas unternehmen zu wollen – weil ich nie wissen werde, ob es „richtig“ ist, solange es Theorie bleibt. Mein Plan steht soweit: Ich habe einen Namen und weiß, welchen Personen ich es wann und in welcher Reihenfolge sagen will.

Ich habe aber Angst vor Fragen, durch die ich mich für diesen Schritt rechtfertigen muss – und dass solche kommen werden, ist ja sehr absehbar.
Da ich ja sogar selbst noch Zweifel habe, weiß ich nicht wie gut ich mich dann behaupten kann.
Z.B. läuft es bei mir gerade in allen Lebensbereichen ziemlich gut eigentlich und ich kann mir vorstellen, dass es für Außenstehende dann schwer nachvollziehbar ist, warum ich an Dingen etwas ändern will. Gleichzeitig ist natürlich auch meine Angst groß, Dinge durch diesen Schritt kaputt zu machen, wie Freundschaften, Beziehung zu Kolleg*innen und meine Ehe.

Dazu kommt, dass ich einen sehr queeren Freund*innenkreis habe (zum Glück! ). Aber gerade dadurch erscheint die Notwendigkeit einer sozialen und medizinischen Transition teilweise so unnötig – weil viele meiner Freund*innen sozusagen gender-nonconforming leben und das völlig unkompliziert möglich ist. Es fällt mir schwer, vor diesem Hintergrund zu verteidigen, warum das für mich nicht ausreicht.

Habt ihr vielleicht Tipps, wie ich mit diesen Befürchtungen umgehen kann?
Schonmal ein riesiges Dankeschön 🙂

Hallo!

Sich behaupten zu können, ist oft eine Frage der Übung. Es erfordert Mut, sich unangenehmen Situationen zu stellen, doch vor allem am Anfang. Es wird mit der Zeit leichter! Vielleicht kannst du überlegen, ob und wann hattest du das letzte Mal für dich eingestanden bist und was dir dabei geholfen hat. Wenn du es schon irgendwann gemacht hast, ist das eine gute Nachricht: es bedeutet, du kannst das grundsätzlich!

Dass Fragen kommen, bedeutet für dich noch nichts. Du kannst entscheiden, ob du darauf reagierst, auf welche Fragen du antworten möchtest und wann. Egal wie ausführlich du die Fragen beantwortest, ist das eigentlich ausgeschlossen, dass das Gegenüber dich 100%tig verstehen kann. Kommunikation ist der Versuch, das zu tun, was nicht geht: nämlich Gedanken 1:1 auszutauschen. Das ist vielleicht hilfreich, zu bedenken.

Auch zu antworten, dass etwas deine Grenze überschreitet oder, dass du keine Kapazität jetzt hast, darauf gut zu antworten, wäre okay.

Andere müssen nicht nachvollziehen, warum du Sachen tust oder möchtest, damit du sie durchziehen kannst. Jeder Mensch hat ein anderes Empfinden und deswegen gibt es verschiedene Geschmäcker, Bedürfnisse und Lebensentwürfe. Manchen reicht ein kleines Tattoo, manchen nicht, manche wünschen sich genau zwei Kinder, andere gar keine. Über das eigene Leben zu bestimmen ist dein gutes Recht. Du bist du und nur du weißt am Besten über dich Bescheid.

Du könntest grundsätzlich folgendes bei Fragen sagen: „Ich habe mich dazu entschieden, weil sich das besser anfühlt / weil das stimmiger ist für mich / weil ich das brauche / weil es mir gut tut“. Das können grundsätzlich die meisten Menschen nachvollziehen und geben sich oft mit der Antwort zufrieden.

Es ist wahrscheinlich, dass Menschen nicht nachvollziehen können, was und warum du es tust und gleichzeitig dich weiterhin wertschätzen und lieben. Es kann auch gleichzeitig sein, dass für manche das Nichtverstehen ein großes Hindernis wird und sie sich für eine Zeit oder komplett distanzieren möchten. Egal, was davon eintreten wird: es hat mit der Perspektive / „Brille“ der anderen zu tun. Wie andere auf dich reagieren, sagt nichts über dich aus.

Die Angst, von Lieblingsmenschen abgewiesen zu werden, teilen viele Menschen. Dahinter steckt oft der Gedanke, dass andere aufgrund einer neuen Information über mich, entscheiden werden, ob sie weiterhin mit mir zu tun haben wollen. Das ist eine Vorstellung, in der wir auf andere angewiesen sind. Andere dürfen sich auch gegen uns entschieden, genauso wie ich mich gegen bestimmte Menschen entscheiden darf. Das zu akzeptieren, hilft möglicherweise gelassener zu werden.

Es wäre sehr schade und traurig, wenn Wege sich trennen. Auf deiner Reise findest du wahrscheinlich auch Menschen, die mit dir gehen möchten. Wenn du dich veränderst, verändert sich auch dein Umfeld. Es ist deshalb sehr gut, dass du jetzt schon ein queeres Supportnetzwerk hast.

Es ist auch völlig okay, wenn verschiedene queere Menschen verschiedene Bedürfnisse haben und etwas anderes brauchen, um sich gut zu fühlen. Keine Person ist weniger queer, weil sie Transition oder trans sein anders für sich definiert und nicht „den ganzen Weg geht“. Es ist möglich, dass Menschen aus deinem Umfeld irgendwann auch mehr benötigen und ich kann mir weniger vorstellen, dass deswegen eine Ausgrenzung stattfindet. Es könnte dir gut tun, sich mit Menschen zu umgeben, die anderen den Raum geben, sich so zu entfalten, wie er/sie/they/dey/per es für sich richtig findet.

Alles Gute,

Elizy

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