Kummerkastenantwort 3.237: Ich will nicht transfeindlich sein
Hallo, ich brauche einmal Hilfe.
Ich(w, lesbisch) bin so ein Arschloch, sorry für die Ausdrucksweise. Ich habe so Angst gerade, dass ich trans*feindlich bin. Eigentlich bin ich glaube ich aufgeschlossen und ich habe mich mit dem Thema Transidentität auch viel auseinandergesetzt, da viele meiner Freunde trans* sind.
Das Problem ist jetzt, ich bin sehr sensibel. Ich weiß nicht warum, aber ich komme schlecht damit klar, wenn Personen, die ich wenig kenne oder bei denen ich mich halt nicht so wohlfühle, so sexuelle Witze machen.
Vor ca. einem Jahr war eine Freundin von mir genau so. Ich habe mich bei ihren Witzen irgendwie nie wohlgefühlt. Ist jetzt nicht schlimm, aber ich habe mal erzählt, dass ich zum Arzt musste. Sie hat darauf gleich gefragt, ob ich zum Gynäkologen gegangen bin und ob bei mir unten alles ok ist, vor ganz vielen Menschen. Es war mir einfach zu privat und etwas aufdringlich, so viel kannten wir uns nicht. Diese Freundin ist trans und jetzt habe ich gerade eine andere trans* Frau kennengelernt.
Sie macht ähnliche Dinge. Haupt Sorge bei mir ist eigentlich, dass sie nicht auf meine Signale achtet, mir ständig schreibt(heute 8 mal ohne das ich geantwortet habe) und Komplimente macht „ich sei so erwachsen“. Bin übrigens 16 und sie 18. Aber ich bekomme direkt ein schlechtes Gefühl. Jetzt habe ich Angst, dass ich trans* Frauen irgendwie damit unterbewusst verbinden könnte. Das stimmt natürlich nicht, es sind alles eigenständige Personen und ich habe viel mehr übergriffige cis Männer erlebt. Ich weiß nicht woher das kommt, aber es macht mir Angst! Ich will nicht trans*feindlich sein. Ich will keine TERF sein. Trans* Personen sind keine Gefahr und sind eher viel häufiger von Übergriffen betroffen. Das weiß ich. Aber ich stelle so eine Verbindung zwischen den beiden her und ich habe eben Angst, dass es aufgrund ihrer Transidentität ist.
Was soll ich machen? Ich will nicht trans*feindlich werden!!
Hallo,
Also erstmal: bin mir ziemlich sicher, dass du kein Arschloch bist, allein schon, weil einzelne Verhaltensweisen einen Menschen nicht definieren. selbst, wenn du dich wie ein Arschloch verhält – das definiert nicht dein ganzes Wesen. Du kannst dich scheiße verhalten – aber du -bist- dadurch nicht scheiße.
Zweitens: Das klingt erstmal auch nicht, als hättest du terfige ansichten oder wärst diskrimminierend gegenüber trans Menschen. Hierbei ist auch viel wichtiger, wie du dich verhälst, und nur bedingt wichtig, was du denkst. Klar, sein eigenes Denken hinterfragen ist wichtig – aber erstmal ist wichtig, dass du nicht auf TERF-Demos gehst, Falschinfos über trans Menschen im Netz verbreitest oder versucht, trans Menschen ihr Geschlecht abzusprechen, ist das schonmal ein guter Anfang.
Drittens: Ich weiß, dass das manchmal sehr schwer ist, aber meistens hilft es, deutlich zu kommunizieren. Vielleicht bemerkt diese Freundin deine Signale schlicht und ergreifend nicht. Da würde es dann helfen, wenn du ihr direkt sagst: „Ich möchte nicht, dass du sexuelle Witze machst“ oder „Ich möchte nicht, dass du mich in der Öffentlichkeit über meine Gynäkologie-Besuche ausfragst.“
Das klingt erstmal relativ stumpf, und wie etwas, das dir vielleicht selbstverständlich vorkommt, aber manche Menschen sind einfach nicht so gut darin, Signale zu deuten. Und da hilft dann direkte Kommunikation, auch wenn sie im ersten Moment vielleicht unangenehm ist.
Viertens: Es klingt, als würde dir diese Freundin sehr viel näher kommen, als du willst. Das ist nicht okay, egal wie alt ihr seid. Wenn sich das, auch nachdem du klar kommuniziert hast, was deine Grenzen sind – z.B. „Bitte schreib mir nicht so oft“ oder „bitte mach mir keine Komplimente“ nicht ändert, wäre es vielleicht ratsam, etwas mehr Distanz zwischen dich und diese Freundin zu bringen, oder den Kontakt (wenn möglich) komplett abzubrehen.
Vielleicht hilft es dir, dich mal bei uns im Regenbogenchat zu melden – da gibt es viele queere Jugendliche in deinem Alter.
Ich wünche dir viel Kraft
LG,
Elias