Kummerkastenantwort 5.092: Ich bin hin und hergerissen zwischen lesbisch und anderen Labeln, und ich habe Impostersyndrom
Hallo,
ich heiße Mika, bin 15 Jahre alt und identifiziere mich als weiblich. Ich dachte lange, dass ich lesbisch bin, weil ich mich, glaube ich, vor allem in Mädchen verlieben kann. (ich war noch nie verliebt) Lesbisch hat sich aber nie so angefühlt, als würde das ganz zu mir passen. Vor kurzem hab ich dann herausgefunden, dass ich auch nicht-binäre Personen romantisch anziehend finde und bin auf das Label neptunic gestoßen. Meine Gefühle zu Jungs kann ich noch nicht genau einschätzen, weil ich Jungs halt schon irgendwie interessant, und sie ästhetisch auch anziehend finde, aber eine Beziehung will ich dann doch nicht. Ich habe mich dann als neptunic und biästhetisch gelabelt, was sich am Anfang auch sehr richtig angefühlt hat. Jetzt gibt es aber so Tage, an denen sich auch Lesbisch richtig anfühlt. An anderen Tagen finde ich dann neptunic homoflexibel und biästhetisch am passendsten. (ich hoffe, das widerspricht sich nicht total) Mit welchem Label ich mich am wohlsten fühle, ändert sich gefühlt wie das Wetter. Jetzt weiß ich halt nicht, welche Label ich verwenden soll und wie ich das anderen Menschen erklären kann. Meine romantische Orientierung bleibt ja immer gleich (glaub ich zumindest), nur wie ich es ausdrücken möchte, ändert sich.
Und habt ihr vielleicht Tipps wie ich das Queere Impstersyndrom „loswerden“ kann? Neben der ganzen Labelsache ist es super anstrengend, sich auch noch zu fragen, ob ich mir das alles nur einbilde und doch nicht queer bin.
Danke für eure großartige Arbeit. Ihr habt mir und anderen Menschen schon so oft weitergeholfen, dass dieses Wort eigentlich gar nicht ausreichend ist!
Liebe Grüße Mika
Hej Mika,
diese Antwort schreibt dir ein Mensch, der nach vielen, wirklich vielen Jahren queeren Lebens letzte Woche mit 31 Jahren das erste Mal auf einem CSD war und FURCHTBAR nervös war, dafür dann doch nicht queer genug zu sein. Was ich sagen will: Dieses elende queere Imposter Syndrom kann leider ganz schön hartnäckig sein, selbst wenn das Außen schon nur noch den Kopf schüttelt, weil man vielleicht die queerste Person ist, die sie kennen.
Von allem, was du so erzählst, klingst du verdammt queer. Also so richtig doll. Und vielleicht hilft es, queer als Hauptlabel zu nehmen, und wenn Leute das genauer wissen wollen – und du ihnen das auch anvertrauen möchtest – dann mehr zu erklären, zu sagen, dass es ein bisschen fluide ist, aber so oder so ist es meistens. Jede deiner Anziehungen und Empfindungen sind so doll valide. Und es darf sich verändern, es darf schwanken, es darf fluide sein. Du musst nicht jeden Tag genau gleich empfinden. Und vor allem: du bist niemandem eine Erklärung schuldig. Du darfst, aber musst das niemandem erklären.
So, ich sag es noch mal für uns beide und alle, die es sonst lesen müssen:
Wir sind queer genug. Immer.
Liebe Grüße
Valo