Kummerkastenantwort 5.292: Bin ich genderqueer, oder mag ich nur den Begriff „Frau“ nicht?
Hallo,
Ich bin als „Mädchen“ geboren und aufgewachsen und habe mich bis zu meiner Pubertät nie wirklich als Mädchen gefühlt, bzw. ich fand es doof anders behandelt zu werden als „Jungs“ und bin immer oberkörperfrei rungelaufen und habe mich so verhalten wie ich wollte und nicht wie ein „typisches Mädchen“ (schon krass was Kindergartenerzieher*innen den Kindern so sagen?!).
In meiner Pubertät habe ich mein gender dann krass performt, mit Beine rasieren, schminken, fast nur mit anderen Mädels befreundet sein, etc.
Danach in meinem Studium habe ich Abstand davon genommen. Ich schminke mich nicht mehr, ich habe Achselhaare, rasiere mir meine Kopfhaare ab wenn ich Bock drauf habe, usw.
Und ich denke mir so, das alles kann mensch ja auch als „Frau“ tun, so viel hat uns der Feminismus ja schon gebracht. Aber irgendwie fühle ich mich nicht wohl wenn mensch mich mit Frau XY anspricht oder sagt, dass ich eine Frau oder ein Mädel sei.
Ich fühle mich einfach nur hart verwirrt. Ich bin ok mit meinem Körper, ich will kein Mann sein. Ich fühle mich nur irgendwie nicht als Frau.
Ist das ein Problem meiner Sozialisierung und der Gesellschaft, die „frau“ mit Dingen besetzt hat mit denen ich mich nicht identifiziere? Und eigentlich bin ich eine Frau und muss den Begriff nur für mich neu besetzen? Oder bin ich genderqueer?
Aus meinem bürgerlichen Umfeld kommt manchmal die Rückmeldung „Warum kreuzt du divers an? Du bist doch ne Frau? Willst du bloß was besonderes/anderes sein? Weil du siehst gar nicht queer aus.“.
Ich bin verwirrt und würde mich über Hilfe freuen!
Hej,
eigentlich ist das recht einfach. Eigentlich. Wenn dir Frau als Begriff, dich zu beschreiben nicht gefällt, dann benutzt du es nicht. Wenn für dich relevant ist, warum das so ist, denkst du drüber nach und vielleicht findest du das irgendwann raus, oder hast ne Theorie, mit der du zufrieden bist.
Aber: das hilft ja nicht, wenn du irgendwo im Supermarkt an der Kasse angesprochen wirst, weil Leute halt irgendwie „Frau“ annehmen und das halt so die übliche Anrede wäre. Nicht so toll gesellschaftlich, aber halt auch nix, was weggehen würde, nur weil es unsinnig ist. Aber da hilft halt auch: bewusst machen, dass du gemeint bist und bewusst machen, dass Leute einfach nicht wissen wer du bist und versuchen das ein bisschen zu trennen, und nicht zu sehr bei jeder Gelegenheit dich nerven zu lassen. Schwierig, aber so bisschen hilfreich auch manchmal.
Vielleicht klickt es für dich auch mit anderen Labels eher Genderfae oder vielleicht auch Demifrau – und das fühlt schlicht besser und fühlt eine Lücke. wo Frau nie reinkam oder so. Vielleicht ist und bleibt das einfach unbequem.
Eine Sache hat noch meine Aufmerksamkeit in deiner Frage gewonnen. Du sagst, du bist okay mit deinem Körper. Und das ist ein guter Anfang. Den eigenen Körper wird man irgendwie nur schwer los. Aber gleichzeitig ist da halt Luft nach oben. Während du für dich gemerkt hast, dass keine glatt rasierten Beine oder Make-Up brauchst, kann sowas einerseits ein Ding sein, was von okay mit dem eigenen Körper zumindest zeitweise zu mehr Zufriedenheit mit selbigen führt, oder aber umgekehrt, dass Dinge, die eher männlich verstanden, von dir irgendwie stattdessen genutzt werden. Schauen, ob du mal einen Binder antesten kannst, vielleicht ein paar kantigere Gesichtszüge konturieren und so die Unsicherheit deines Umfeldes und gerade derer, die dich nicht kennen, vergrößern, dass da vielleicht auch mal ein „Herr“ rauskommt so als Bonus. Aber eben vor allem auch für dich, zum rausfinden: fühl ich mich so mit diesem Körper wohler?
Liebe Grüße
Xenia