Kummerkastenantwort 5.752 – Meine Eltern und Freunde unterstützen mich nicht, wie verläuft eine Transition?

Ich bin transmännlich, seit Jahren bei meinen Eltern geoutet aber sie reden es klein, meinen abwechselnd dass sie mich voll unterstützen, und dass das alles Scheiße ist und sies nicht kapieren. Sie misgendern mich permanent und ich kriege andauernd schwere Nervenzusammenbrüche und rede mit niemandem mehr da mir meine Stimme Angst macht. Andauernd beschuldige ich meine Eltern mich zu beleidigen (da sie mich misgendern), aber sie verstehen es nicht und ich fühle mich schlecht. Kürzlich habe ich mit meiner Mutter ‚diskutiert‘ dass ich ja nichtmal weiß wie ich als Mädchen agieren soll. Irgendwann hab ich aufgegeben.

Meine ehemaligen Freundinnen haben mich bei meinem Coming-Out ausgelacht, was ich meinen Eltern nicht erzählen will (sie meinen dass ich alles falsch verstehe und diese Freundinnen mich gar nicht hassen).

Bin nur zu einer entfernt lebenden Person geoutet, die vermutlich ebenfalls Probleme hat und ich weiß nicht ob es sie unnötig belasten würde.



Ich habe Angst dass ich nie ich selbst sein kann.



Meine Fragen sind:

Wie verläuft das alles mit der Transition, wie lange dauerts und wo muss ich das anmelden?

Bin fünfzehn, hab ich irgendwelche Rechte ohne die Einverständnis meiner Eltern Therapie und HRT zu kriegen ohne mich vor ihnen zu blamieren?

Dürfen mich Andere überhaupt misgendern?

Kann ich mich an meiner Schule einfach mit meinem gewählten Namen vorstellen?

Was kann ich gegen Dysphorie und so tun, wenn ich nichtmal wen zum Reden hab?

Hallo!

Bei einer Transition solltest du dir erst ein Mal ausführlich recherchieren und überlegen, welche Schritte für dich in Frage kommen. Also, ein anderer Name und Pronomen, evtl. Pubertätsblocker, Hormontherapie, etwaige OPs, etc.
Um einen neuen Namen und Pronomen zu verwenden, musst du dir „nur“ überlegen, welche und sie dann den Leuten in deinem Umfeld mitteilen / dich so vorstellen. Das kannst du einfach machen. Dafür musst du vorher nichts weiter tun, auch in deiner Schule. Obwohl du da deine Lehrer auch bitten solltest, einen Vermek im Klassenbuch evtl zu machen, damit sie dich auch dementsprechend aufrufen (auch Vertretungslehrer). Du solltest dir aber bewusst sein, dass die Leute verschiedenste Reaktionen dazu haben können und werden und dich darauf vorbereiten.
Dein Zeugnis wirst du aber, bis zu einer offiziellen Namensänderung auf deinen Deadname bekommen, da es ein offiziellen Dokument ist
Wenn du eine offizielle Namens-und Personenstandsänderung machen möchtest, musst du eine Erklärung beim jeweiligen Standesamt abgeben. Diese Erklärung kannst du selber abgeben, deine Sorgeberechtige*n müssen dem allerdings zustimmen, solange du zwischen 14 und 17 Jahren alt bist.

Für eine Hormontherapie brauchst du einen behandelnden Arzt (meist ein*e Endokrinolog*in, Gynäkolog*in oder auch Urolog*in), der auch Vorbehandlungen mit dir macht oder dich dazu zu anderen Ärzten schickt (z.B. Blutabnahme) um zu entscheiden, ob auf körperlicher Seite etwas gegen eine Hormontherapie spricht und auch mit dir bespricht, welche Verabreichungsart für dich geeignet ist. Diese*r Ärzt*in verlangt idR auch ein Indikationsschreiben. Das wird meist von einem Psycholog*in oder Psychotherapeut*in ausgestellt. Manche Praxen, die sich bei trans* Themen nicht auskennen, wollen dies nicht machen, es gibt aber auch Praxen, die spezialisiert sind. Auf QueerMed findest du hier vielleicht Anlaufstellen in deiner Nähe. Einige Ärztinnen arbeiten da auch auf einer informed Consent-Basis. Ob das ohne Einverständnis deiner Eltern geht, ist etwas schwieriger. In der Theorie muss ein Arzt einschätzen, ob du verantwortungsvoll und einwilligungsfähig bist. Dafür wird in der Regel keine Einwilligung deiner Erziehungsberechtigten gebraucht. Allerdings, sollten deine Eltern komplett dagegen sein, können sie deinen Arzt mindestens verklagen. Dieses Risiko wollen Ärzt*innen in der Regel nicht eingehen und werden dir daher bis du 16 oder sogar 18 bist, keine Hormone ohne Zustimmung deiner Eltern verabreichen wollen. Das ist zumindest so der Präzedenzfall.
Gerade bei Testosteron kann es nochmal spezieller sein, da es unter das Dopingmittel-Gesetz fällt.

Ob dich Leute misgendern dürfen, ist auch schwierig. Es gibt keine ausdrückliche Regelung dazu. Misgendern und Deadnaming fällt zwar in das Offenbarungsverbot vom Selbstbestimmungsgesetz, allerdings gilt es als Ordnungwidrigkeit und auch nur dann, wenn jemand einer trans* Person damit absichtlich schaden möchte. Und auch dann gibt es Ausnahmen dafür.
Allerdings würde ich mich an deiner Stelle an eine Beratungsstelle für Jugendliche in deiner Nähe wenden. Denn, was deine Eltern (und auch andere) nicht dürfen, ist dich in irgendeiner Weise zu gefährden. Und wenn sie bei dir schwere Nervenzusammenbrüche auslösen, dann ist das eine Gefährdung.

Auch wenn ich dir empfehlen und wünschen würde, dass du mit jemandem reden kannst, kannst du für dich schon etwas gegen Dysphorie tun. Vielleicht ist es möglich, dir neue Klamotten zu besorgen, die Dysphorie lindern, vielleicht in dem sie weiter geschnitten sind und deinen Körper „verstecken“ oder in denen du dich anderweitig wohler fühlst, als in denen die du jetzt hast. Vielleicht hast du auch die Möglichkeit einen Binder oder Tape auszuprobieren. Oder eine andere Frisur.
Es gibt einige Möglichkeiten Dysphorie zu lindern, das kommt ganz drauf an, was genau deine Dysphorie auslöst.

Alles Gute

Joshua

 

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