Kummerkastenantwort 5.767: Ich weiß nicht, welche sexuelle Orientierung ich habe.

Hallo

Ich habe mir noch nie Gedanken darüber gemacht ob ich hetero– oder homo– sexuell bin.

Vor kurzem hat eine Freundin von meiner neuen Schule* mir erzählt dass sie Trans ist und ich wusste was das bedeutet denn mein Vater hatte oft über so etwas geredet.Ich selbst hatte aber nie darüber nachgedacht was für eine Sexualität ich habe in dieser Gesellschaft wurde man ja immer als heterosexuell eingestuft ohne dass man selbst gesagt hatte welche Sexualität man hat. Also kurz danach hat eine andere Freundin von meiner neuen Schule sich auch als Bi identifiziert danach aber festgestellt dass sie lesbisch ist. In dieser Zeit habe ich dann angefangen mich selbst zu fragen als was ich mich empfinde. Ich habe gemerkt dass ich meine lesbische Freundin irgendwie attraktiv finde und nachgedacht ob dass nur ist weil sie sich geoutet hat. Ich habe immer mal wieder Tests im Internet gemacht die aber immer sagten dass ich mir noch unsicher bin oder einmal dass ich wahrscheinlich auf beide Geschlechter stehe womit ich aber nicht zufrieden war. Irgendwie hatte ich erhofft dass ich lesbisch bin. Ich hatte aber mal Gefühle für Jungs oder ich dachte es nur. Ich bin total durch einander und wenn ich mich als lesbisch „outen“ würde ( nur vor meinen FreundInnen oder/und meinen Eltern bzw. Schritt für Schritt so wie ich mich sicher fühle) meine FreundInnen denken könnten dass ich meiner Freundin nur nachmache oder gar denken dass ich Gefühle für sie habe. Am aller meisten würde mich aber beschäftigen ob ich wirklich lesbisch bin oder es mir nur wünsche wegen meiner Freundinn.

Ich möchte nicht noch weiter meine Identität erforschen müssen ich möchte doch nur eine Antwort oder zumindest eine Person mit der ich offen darüber reden kann noch dazu bin ich schon lange mental überfordert es gibt einfach keine Person der ich so etwas anvertrauen kann/möchte.

Habt ihr vielleicht irgendeine Idee wie ich das ein bisschen in den Griff kriegen könnte?

*Ich bin in der 6. Klasse

Heyyo,

erstmal möchte ich dir sagen: Es ist unglaublich mutig und stark von dir, dass du uns so ehrlich geschrieben hast.
Wirklich, das ist keine Kleinigkeit – vor allem nicht, wenn du dich gerade so durcheinander und überfordert fühlst.
Entschuldige bitte, dass die Antwort so lange gedauert hat.

Deine Gedanken und Gefühle sind total verständlich. In unserer Gesellschaft wird oft einfach angenommen, dass alle hetero sind, und es kann sich verwirrend anfühlen, wenn man plötzlich anfängt, über die eigene sexuelle / romantische Orientierung nachzudenken. Gerade wenn Menschen um dich herum sich outen und du neue Begriffe und Möglichkeiten kennenlernst, ist es völlig normal, dass du beginnst, dir selbst Fragen zu stellen.

Es ist auch absolut okay, wenn du dir wünschst, endlich eine klare Antwort zu haben – dieses ständige Grübeln kann anstrengend sein, besonders wenn man sich sowieso schon mental belastet fühlt. Aber weißt du was? Du musst nicht sofort alles über dich wissen. Identität ist etwas, das sich entwickeln darf, das sich mit der Zeit zeigen darf. Und es ist kein Wettbewerb, bei dem man so schnell wie möglich die richtige Antwort finden muss.

Es ist okay, unsicher zu sein. Es ist okay, noch nicht alles zu wissen. Und es ist auch okay, dir selbst Zeit zu geben. Deine Gefühle für deine Freundin oder die Unsicherheit darüber, ob du vielleicht lesbisch bist oder es dir nur wünschst, sind ebenfalls völlig normal. Gefühle sind oft kompliziert, und sie verändern sich manchmal auch, besonders in der Zeit, in der du gerade bist. Du darfst neugierig auf dich selbst sein, ohne Druck.

Und egal, ob du am Ende lesbisch bist, bi, queer oder etwas ganz anderes – deine Gefühle und dein Erleben sind echt und wichtig. Niemand hat das Recht, dir einzureden, dass du nur jemandem „nachmachst“. Es geht hier um dich und deine Reise, nicht um die Erwartungen anderer. Wenn du das Gefühl hast, du hast niemanden, mit dem du offen reden kannst, dann will ich dir sagen: Du bist nicht allein.

Es gibt Menschen und Orte, an die du dich wenden kannst, wo du genauso willkommen bist, wie du bist – vielleicht eine Vertrauenslehrkraft, eine queere Jugendgruppe oder eine Beratungsstelle für junge Menschen. Wir haben außerdem ein queeres Chatangebot für Jugendliche ab 13 Jahre. Es ist völlig in Ordnung, Unterstützung zu suchen, und es ist stark, sich Hilfe zu holen, wenn man sie braucht. Du musst diesen Weg nicht alleine gehen. Und auch wenn es sich jetzt vielleicht noch chaotisch anfühlt: Du wirst deinen Weg finden. Und du darfst ihn in deinem eigenen Tempo gehen. Du bist genau richtig so, wie du bist.


Queere Grüße, Kay

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