Einführung in sexuelle, romantische und geschlechtliche Vielfalt

Was bedeutet eigentlich „intergeschlechtlich“? Was hat es mit dem Begriff „divers“ auf sich? Und was war noch mal der Unterschied zwischen Asexualität und Aromantik?

Hier wollen wir dir einen kleinen Überblick über sexuelle, romantische und geschlechtliche Vielfalt geben. Auf den einzelnen  Übersichtsseiten findest du über verschiedene Identitäten mehr Informationen.

Sexuelle, romantische und geschlechtliche Vielfalt umfasst verschiedene Ebenen: Das Geschlecht, die romantische und die sexuelle Orientierung. Alle sind vielfältiger, als oft angenommen wird oder bekannt ist.

Wir versuchen uns hier Begriffen anzunähern, denn oft gibt es keine endgültige Definition. Und: Wie du dich definierst, welche Begriffe und Label du für dich benutzt, ist deine Sache und die von niemandem sonst.

Sexuelle Orientierung

Zunächst zur sexuellen Orientierung. Sie beschreibt, Menschen welchen Geschlechts oder welcher Geschlechter eine Person sexuell anziehend findet. Von der sexuellen Orientierung einer Person muss z.B. die sexuelle Erfahrung abgegrenzt werden: z.B. können lesbische Frauen durchaus sexuelle Erfahrungen mit Männern gemacht haben – oder es können sich Menschen als bisexuell bezeichnen, obwohl sie bisher nur mit Frauen Sex hatten.

Es ist möglich, sexuelle Orientierung in vier grobe Kategorien einzuteilen:

  • Heterosexualität: Heterosexuell bzw. heteroromantisch sind Menschen, die sich sexuell oder emotional zu Menschen des bzw. eines anderen Geschlechts hingezogen fühlen. Diese sexuelle Orientierung gilt als Norm in unserer Gesellschaft. Üblicherweise bezieht sich der Begriff auf Männer, die sich zu Frauen hingezogen fühlen und andersherum.
  • Homosexualität: Homosexualität bezeichnet die sexuelle Orientierung, bei der sich Menschen zu dem bzw. einem eigenen oder ähnlichen Geschlecht hingezogen fühlen. Homosexuelle Männer bezeichnen sich oft als schwul, homosexuelle Frauen als lesbisch. Die Bezeichnung „homosexuell“ lehnen viele Lesben und Schwule ab, da der Begriff in seiner Entstehungszeit vor allem medizinisch gebraucht wurde.
  • Bisexualität bzw. Pansexualität: Bisexualität bezieht sich häufig darauf, dass eine Person Männer und Frauen sexuell / emotional attraktiv finden kann. Der Begriff ist aber nicht nur auf diese zwei Geschlechter beschränkt, sondern kann z.B. heißen, dass eine Person Menschen vieler, aber nicht aller Geschlechter anziehend findet. Pansexualität bezeichnet, dass eine Person sich zu Menschen aller Geschlechter hingezogen fühlen kann, was eine sehr ähnliche Idee wie Bisexualität beschreibt. Weitere Begriffe in der Bi-Kategorie sind z.B. multisexuell, polysexuell oder omnisexuell.
  • Asexualität: Eine asexuelle Person fühlt keine oder wenig sexuelle Anziehung gegenüber anderen Menschen. Asexualität ist ein Spektrum zwischen gar keiner bzw. wenig sexueller Anziehung zu anderen Menschen, bis hin zur grundsätzlichen Fähigkeit, sexuelle Anziehung gegenüber anderen Menschen zu verspüren (das nennt sich dann Allosexualität). Einige asexuelle Menschen haben Sex und viele verlieben sich auch und gehen romantische Beziehungen ein.

Romantische Orientierung

Bei vielen Menschen gibt es keinen Unterschied zwischen ihrer sexuellen und romantischen Orientierung, deswegen wird oft nur über sexuelle Orientierung gesprochen. Aber romantische Orientierung ist auch ein wichtiges Thema. Sie bezeichnet, in Menschen welchen Geschlechts oder welcher Geschlechter sich eine Person verlieben kann bzw. mit Menschen welchen Geschlechts oder welcher Geschlechter eine Person eine romantische Beziehung führen will. Die Begriffe sind analog zu sexuellen Orientierungen, d.h. es gibt heteroromantisch, homoromantisch, bi– und panromantisch, sowie aromantisch. Eine Person, die keine romantische Anziehung verspürt und/oder kein Interesse an romantischen Beziehungen hat, bezeichnet sich oft als aromantisch. Das geht nicht zwangsläufig mit Asexualität einher.

Es gibt auch noch weitere Arten von Anziehungen, z.B. die ästhetische Anziehung.

Geschlecht

Auch beim Thema Geschlecht gibt es eine große Vielfalt – auf allen Ebenen. Oft wird Geschlecht am Körper einer Person, insbesondere an den Genitalien, festgemacht. Geschlecht, auch körperliches Geschlecht (manchmal auch biologisches genannt), ist aber sehr viel komplexer als das. Zunächst müssen wir das körperliche Geschlecht, das selbstbestimmte Geschlecht (bzw. die Geschlechtsidentität), das soziale Geschlecht und das juristische Geschlecht einer Person voneinander unterscheiden.

Das körperliche Geschlecht wird in verschiedene Ebenen unterteilt: die äußeren Geschlechtsorgane (Genitalien), die inneren Geschlechtsorgane, die Keimdrüsen (Gonaden), die Hormone, die Chromosomen und die sekundären Geschlechtsmerkmale. Dabei gibt es jeweils mehr als nur zwei Optionen: Menschen, deren körperliches Geschlecht nicht den medizinischen Normen von Geschlecht entsprechen, werden intergeschlechtlich genannt. Sie haben z.B. sowohl Hoden und eine Vagina oder ein Organ, das als „Mikropenis“ oder „Megaloklitoris“ bezeichnet wird. Intergeschlechtlichkeit bedeutet, dass eine Person entweder innerhalb einer der genannten Kategorien von der Norm abweicht (z.B. eine Person mit XXY-Chromosomen) oder, dass verschiedene Ebenen nicht zusammenzupassen scheinen (z.B. eine Person mit XY-Chromosomen und Brüsten). Intergeschlechtliche Kinder werden sehr häufig ohne medizinische Notwendigkeit operativ einem Geschlecht zugewiesen, was schwerwiegende körperliche und seelische Folgen haben kann.

Das selbstbestimmte Geschlecht bzw. die Geschlechtsidentität einer Person, erfahren wir, indem wir sie fragen. Viele Menschen sind Männer oder Frauen – und stellen das auch nicht in Frage. Manche sind aber sowohl Männer als auch Frauen oder weder Männer noch Frauen. Diese Personen nennen sich selbst oft „nichtbinär“, da sie aus dem binären Geschlechtermodell herausfallen, manchmal auch zusätzlich „trans“ oder, wenn sie intergeschlechtlich sind, „inter*“. Für Personen, deren selbstbestimmtes Geschlecht mit dem Geschlecht übereinstimmt, dem sie bei der Geburt zugewiesen wurden, ist der Begriff ‚cis‘ geprägt worden. Für Personen, die ein anderes selbstbestimmtes Geschlecht haben als das zugewiesene, ‚trans‘. Nicht alle Personen, auf die das zutrifft, nutzen diese Begriffe für sich.

Das soziale Geschlecht besteht aus mehreren Dimensionen:

Die Geschlechtspräsentation beschreibt, wie eine Person Geschlecht nach außen präsentiert, z.B. über Kleidung, Make-Up oder Körpersprache. Wenn z.B. Männer oder Menschen, die als Männer wahrgenommen werden, Make-Up tragen, müssen sie häufig mit Kommentaren, Diskriminierung oder sogar Gewalt rechnen.

Die Geschlechterrolle beschreibt verschiedene Verhaltensweisen, die gesellschaftlich als typisch für ein Geschlecht gelten. Zum Beispiel beinhaltet die weibliche Geschlechterrolle es, zurückhaltend, auf das Aussehen fixiert, häuslich und emotional zu sein. Wenn eine Person von ihrer Geschlechterrolle abweicht, also z.B. als Frau selbstbewusst oder „burschikos“ ist, muss sie ebenfalls häufig mit Abwertung, Diskriminierung oder sogar Gewalt rechnen.

Das juristische Geschlecht beschreibt den Personenstand. Seit 2019 gibt es in Deutschland dafür 4 Optionen. Eingetragen wird das im Reisepass oder in der Geburtsurkunde. Die Möglichkeiten sind: Männer, Frauen, Menschen ohne Personenstand und den Personenstand ‚divers‘. Seit 2013 mussten intergeschlechtliche Kinder ohne Personenstand in die Geburtsurkunde eingetragen werden. Das Bundesverfassungsgericht hat 2018 entschieden, dass es einen dritten positiven Eintrag geben muss. Dieser heißt „divers“. Eine Änderung des Geschlechtseintrags ist in Deutschland zwar möglich, aber unnötig kompliziert.

Das Geschlechterverhältnis verweist auf ein gesellschaftliches Machtverhältnis: Männer haben gesamtgesellschaftlich gesehen mehr Macht und Einfluss als Frauen und nicht-binäre Menschen und üben Macht über diese aus.

Geschlechternormen beschreiben dabei Geschlechterzuschreibungen, -erwartungen, -vorstellungen und -rollen. Diese sind ungeschriebene gesellschaftliche Regeln, die z.B. vorschreiben, dass Männer keine Röcke anziehen dürfen oder dass von allen Menschen erwartet wird, dass sie heterosexuell sind. Wenn Personen von Geschlechternormen abweichen, erleben sie häufig Diskriminierung und Gewalt.

In der Wissenschaft werden alle hier genannten Dimensionen gemeinsam betrachtet und unter dem Begriff Gender zusammengefasst. Geschlecht ist gesellschaftlich so tief verankert, dass diese gemeinsame Betrachtung notwendig ist, weil die Untersuchung von Geschlecht losgelöst von der Gesellschaft gar nicht möglich ist.