Kummerkastenantwort 246 – Coming Out trotz Unsicherheit?
Hi, ich bin Toni und habe eine Frage.
Ich lebe in einer ziemlich zurückgeblieben Gegend wo 90% der Menschen nichts von anderen Sexualitäten/Geschlechtsidentitäten gehört haben. Also hier gibt es nur zwei Geschlechter (männlich/weiblich), jeder fühlt sich dem zugeordneten Geschlecht angehörig und es gibt nur hetero Paare. Nun habe ich aber festgestellt, dass ich in dieses Bild nicht ganz hinein passe. Da ich aber nicht wirklich Kontakt zu jemanden habe, der nicht so unaufgeklärt ist, und daher beim hinterfragen meiner Sexualität nicht weiter komme, frage ich mich, ob ich einfach sagen kann ich bin Pan* oder Poly*, obwohl ich mir noch nicht sicher bin. Schließlich kenne ich ja nur Cisgender-Heteros.
Hallo Toni,
ich komme selbst aus einer sehr konservativen, ländlichen Gegend und kann dein Gefühl gut nachvollziehen, mit deiner queeren Identität dort ganz alleine dazustehen. Das ist kein schönes Gefühl. Erstmal möchte ich dir allerdings versichern, dass es sicher auch in deiner Gegend andere queere Menschen gibt, die bestimmt genauso dringend wie du Austausch suchen. Und deswegen möchte ich dich auch ermutigen – wenn du bereit dazu bist und das Gefühl hast, dass du mit möglichen Reaktionen auf dein Coming Out umgehen kannst – dich zu outen. Ich weiß, das kann besonders schwierig sein, wenn du das Gefühl hast, du bist die einzige Person, der es so geht, und wenn du noch niemanden hast, dier dir den Rücken stärken kann. Vielleicht gibt es ja eine oder ein paar Personen, denen du besonders vertraust und bei denen du mit deinem Coming Out anfangen könntest? Wenn die das Ganze dann positiv aufnehmen, dann hast du gleich Menschen, die dich unterstützen können, wenn es an irgendeiner anderen Stelle nicht so gut läuft – und im besten Fall findest du vielleicht sogar eine Person, die selbst auch queer ist und durch dich den Mut findet, es auszusprechen.
Übrigens ist es immer okay, ein Coming Out zu haben, auch wenn du dir (noch) nicht 100% sicher bist. Wichtig ist, dass du dich mit den Begriffen, mit denen du dich beschreibst, wohl fühlst, und dass sie dir helfen, dich und deine Gefühle gegenüber anderen besser zu erklären. Selbst wenn du mit der Zeit vielleicht herausfindest, dass doch ein anderer Begriff besser passt, ist das nicht schlimm. Dann kannst du den wichtigen Leuten immer noch erzählen, was sich für dich geändert hat und mit welchem/n anderen Begriff/en du dich wohler fühlst.
Ich wünsche dir alles Gute und viel Erfolg für dein Coming Out! Du kannst uns gerne schreiben, wenn du erzählen möchtest, wie es gelaufen ist.
Alles Gute,
Balthazar