Kummerkastenantwort 278: Ich wünsche mir, als Mann geboren worden zu sein
TW: In diesem Beitrag geht es unter anderem um Operationen.
Hay,
Ich bin mir nicht sicher, welchem Geschlecht ich nun zuzuordnen bin.Seit Kindesalter her (8 Jahre) weiß ich, dass ich ‚anders‘ bin, ich habe schon immer auf gleichgeschlechtliche gestanden.
Bin eine Frau, wünsche mir aber schon immer als Mann geboren worden zu sein.
Ich fühle mich mit den weiblichen teilen meines Körpers nicht wohl und möchte auch nicht mit meinem bürgerlichen Namen angesprochen werden. Fühlt sich befremdlich an.
Ich weiß nicht was ich machen soll. Umoperieren, denke ich, würde neue Hürden bergen, mit denen ich auch nicht klar kommen würde. Ich möchte einfach nicht ewig auf Medikamente angewiesen sein, die mich männlich machen (ja hormon) das möchte ich irgendwo meinem Körper nicht antun. Und ich hätte Angst davor, dass ich mich nie wie ein richtiger Mann fühlen würde …
Hallo du,
zuerst einmal entschuldigung, dass die Antwort ein bisschen gedauert hat. Und dann möchte ich dir sagen: Ich verstehe deinen Konflikt. Dein Wunsch, anders geboren worden zu sein, ist leider nicht erfüllbar, und jede Transition (also Veränderung z.B. in den Bereichen Medizin, soziales Umfeld und Amtliches) später im Leben ist mit Problemen und Schwierigkeiten verbunden. Ich hoffe, es ist okay, wenn ich sage: Was du von dir beschreibst, klingt für mich sehr so, als wärst du ein trans Mann. Und die Erkenntnis, trans zu sein, ist für viele erstmal erschreckend und überfordernd.
Aber trans zu sein oder auch einfach nur ein Mann zu sein, muss nicht furchtbar sein – ganz im Gegenteil, viele Menschen machen die Erfahrung, dass es sehr schön ist, sich selbst in ihrem Transsein und in ihrer Männlichkeit zu akzeptieren. Weder trans zu sein noch ein Mann zu sein muss für dich bedeuten, was sich die Gesellschaft darunter vorstellt. Vor allem trans Männer haben immer wieder neu definiert, was es heißt, ein Mann zu sein.
Dein Körper oder deine Hormonlevel hängen dabei z.B. überhaupt nicht davon ab. Es gibt viele trans Männer, die keine Hormone nehmen und/oder keine Operationen an sich machen lassen. Sie sind alle trotzdem „richtige Männer“, wie du es nennst – sie müssen dafür nicht dem stereotypen Bild entsprechen, das die Gesellschaft von Männern hat.
Wenn du dich mit Hormonen oder OPs aktuell oder generell immer nicht wohl fühlst, dann musst du diese Schritte nicht gehen. Du kannst aber trotzdem die Dinge ändern, die du aktuell ändern möchtest: z.B. Leute bitten, dich mit einem anderen Namen anzusprechen, deinen Kleidungsstil ändern und z.B. einen Binder tragen, um deine Brust flacher zu machen (wenn das etwas ist, was du möchtest.
Was dir vielleicht auch helfen könnte, wäre, dich mit trans Männern über ihre Erfahrungen (und deine, wenn du das möchtest) auszutauschen, um mehr einen Eindruck darüber zu bekommen, wie trans Männer leben und was es für sie bedeutet, ein Mann zu sein. Kontakt kannst du z.B. in queeren Jugendgruppen oder Stammtischen finden, aber auch im Internet, z.B. in Facebook-Gruppen oder auf anderen Social Media Plattformen. Zum Einstieg könnte dir vielleicht auch unser Interview mit Adrian in unserer Videoreihe Queergefragt gefallen – Adrian ist ein trans Mann, der über sein Leben, sein Coming Out und seine vielen positiven Erfahrungen erzählt.
Ich hoffe, das alles ist nicht überwältigend, und dass ich dir ein wenig helfen konnte. Wenn du noch mehr Fragen hast, wende dich gerne jederzeit an uns.
Viele Grüße,
Balthazar