Kummerkastenantwort 302 – Können nonbinary Menschen Mastektomien kriegen und als “divers” eingetragen werden?

Moin Moin!

Ich bin momentan etwas irritiert. Ich fühle mich als hätte ich kein Geschlecht ( z. b wie agender)
Ich identifiziere mich momentan als non-binary. Es gibt eine Sache die ich an meinem Körper ändern *muss*, weil ich diese eine Sache einfach nicht dazu gedacht ist an meinem Körper zu sein.
Dies sind meine Brüste. Ich möchte, nein,ich muss eine Mastektomie machen und die Person sein zu können, die ich wirklich bin. Genauso muss ich eine Namensänderung vornehmen denn mein Geburtsname entspricht einfach nicht dem wie ich mich fühle.
Jedoch.. bin ich etwas ratlos. Bezüglich mehrerer Dinge. Ist es überhaupt möglich, dass die Krankenkasse eine Mastektomie bei einer non-binary Person bezahlt? Hormone möchte ich nicht nehmen.
Ist es möglich meinen Personenstand zu divers zu ändern oder ist dies nur für intersex Personen vorgesehen?
Und naja. die letzte Frage.. die Pronomen.. Ich möchte nicht als sie angesprochen werden. auch nicht wirklich als er, aber naja die Variante they/them funktioniert nicht wirklich im deutschen. Jegliche andere Pronomen wir xier etc klingen für mich nicht passend. Was wäre da die beste Idee als Pronomen?

Liebe Grüße!

Hallo du!

Deine Fragen lassen sich leider alle nicht so leicht beantworten, denn: Es kommt drauf an. Es gibt in Deutschland Menschen, die nichtbinär sind und eine Mastektomie genehmigt bekommen haben. Es gibt Menschen, die nichtbinär und nicht intergeschlechtlich sind und den Personenstand “divers” eintragen lassen konnten. Es gibt sicherlich auch Menschen, die einen “divers”-Personenstand haben und eine Mastek genehmigt bekommen haben. Es gibt aber genauso Menschen, bei denen eins oder mehrere dieser Dinge nicht durchgegangen sind, weil sie im Prozess der Beantragung, Genehmigung o.ä. an die falschen Leute geraten sind – an Menschen, die schlecht informiert waren, die diskriminierend sind oder die sich streng an bisher bestehende Richtlinien halten.

Offiziell besagt die Richtlinie des MDK (also des Medizinischen Dienstes der Krankenkassen), dass für eine Mastektomie eine psychologische oder psychiatrische “Diagnose” des Trans Status gemacht werden muss und die Person in der Regel mind. 18 Monate in psychotherapeutischer Behandlung sein muss. Es wird auch in der Regel eine vorausgehende Hormonbehandlung vorausgesetzt, außer, wenn es einen medizinischen Grund gibt, warum eine Hormontherapie nicht möglich ist. In der Praxis machen das Krankenkassen und vor allem Psychotherapeut*innen auch teilweise oft anders, weil die neuen Diagnosekriterien schon veröffentlicht sind, aber offiziell noch nicht inkraft getreten sind. Wenn du eine*n Therapeut*in hast, der sich nach den neuen Behandlungs- und Diagnosekriterien richtet, dann kannst du auch als nichtbinäre Person ein entsprechendes Schreiben von deinem*r Therapeut*in bekommen, das dir eine Mastektomie ermöglicht. Wenn aber die therapierende oder die operierende Person der Meinung ist, dass nur binären trans Personen diese Behandlung zusteht oder wenn die Krankenkasse nicht ausreichend überzeugt ist, dass du diese Behandlung brauchst, könnte es daran scheitern. Manche nichtbinäre Menschen geben sich deswegen vor ihren Therapeut*innen, Chirurg*innen und Krankenkassen als binär trans aus, um auf der sicheren Seite zu sein. Andere, die es sich leisten können, zahlen ihre Mastektomien auch selbst – das machen manche Kliniken und Chirurg*innen auch ohne entsprechende Diagnosen und Wartezeiten, es ist aber auch teuer.

Offiziell dürfen Krankenkassen keiner Person aufgrund ihres Geschlechts eine bestimmte Behandlung verweigern – d.h. es sollte dir auch mit einem “divers”-Personenstand möglich zu sein, jede nötige Behandlung von deiner Krankenkasse bezahlt zu bekommen, unabhängig vom Personenstand. Weil aber rechtlich und amtlich immer noch viel zu wenig Sicherheit darüber besteht, wie dieser dritte Personenstand funktioniert, suchen Krankenkassen auch oft Schlupflöcher, um Leistungen nicht übernehmen zu müssen, und so werden teilweise Menschen mit “divers”-Personenstand nötige Behandlungen verweigert.

Das klingt jetzt vielleicht alles sehr düster und abschreckend, aber keine Sorge: Es gibt inzwischen immer mehr Leute, die positive Beispiele bringen, wie all diese Dinge funktionieren können. Wenn du auf Nummer sicher gehen willst, kannst du erst die Mastektomie beantragen, bevor du deinen Personenstand änderst.

Den Personenstand “divers” kannst du auf jeden Fall auch als nichtbinäre Person, die nicht intergeschlechtlich ist, annehmen. Manche Standesämter sind sich immer noch diesbezüglich unsicher, aber ein Gericht in Münster hat das vor kurzem entschieden, und es ist auch kein Antrag, den du beim Standesamt stellst, sondern einfach nur eine formale Änderung, die das Standesamt automatisch genehmigen muss, wenn du alle entsprechenden Unterlagen dafür mitbringst.

Der beste Tipp ist: Finde am besten bei dir vor Ort bei anderen trans Menschen heraus, welche Therapeut*innen hilfsbereit und geeignet sind, wie dein Standesamt bisher so umgegangen ist mit dem Eintrag “divers”, frage bei anderen trans Menschen rum, die die gleiche Krankenkasse haben wie du, wie der Prozess der Mastek-Beantragung bei ihnen gelaufen ist, und lass dich von niemandem abschrecken, dier dir von vorneherein sagt, dass irgendwas nicht geht. Wir haben diesen Geschlechtseintrag “divers” nur deshalb, weil es oft genug Leute versucht haben, denen eigentlich gesagt wurde “das geht nicht” oder “das gibt es nicht”. Letztlich werden wir alle die medizinische und amtliche Behandlung bekommen, die wir brauchen.

Ich wünsche dir bei allem viel Glück und Erfolg! Wenn irgendwas unklar geblieben ist oder du weitere Fragen hast, dann melde dich gern wieder bei uns.

Viele Grüße,
Balthazar

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