Kummerkastenantwort 361: Ich weiß noch nicht „schon immer“ dass ich trans bin… Bin ich es trotzdem?

Hallo,

ich habe erst vor ein paar tagen eine Antwort von euch bekommen und hab da noch zwei Fragen: Was bedeutet es, wenn ich mich wohler fühle, wenn ich mich zum Beispiel irgendwo anmelde und dann einen Jungennamen eingebe, obwohl ich ein biologisches Mädchen bin und auch nichts gegen meinen Namen habe?
Der zweite Punkt ist, alle trans Leute haben es irgendwie schon ewig gewusst, ich allerdings war sonst immer glücklich als Mädchen. Kann man trotzdem trans sein, auch wenn man es zuvor nie gemerkt hat?
Da ich euch ja schon wieder schreibe, wollte ich mich auch nochmal für die letzte Antwort bedanken, die hat mich schon mal einen Schritt weiter gebracht, also danke.

Hallo,

Was bedeutet es, wenn mir andere Namen für mich gefallen?

zu deiner ersten Frage: Das kann sehr viel bedeuten. Zum Beispiel, dass der Name, den du angegeben hast, auch zu dir passt und dein Name werden könnte. Ich kenne einige Personen, die an verschiedenen Orten verschiedene Namen nutzen. Namen können je nach Anlass für die selbe Person auch verschieden sein.

Bin ich trans, wenn ich es noch nicht lange weiß?

und zu deiner zweiten Frage: die Antwort ist ja. Wirklich. Nicht alle von uns wussten das schon immer. Ich denke, es hat drei Gründe, dass wir das häufig so wahrnehmen.


Zum einen lernen wir Leute kennen, erfahren, dass sie trans sind, aber alles, was wir von den Menschen dann erlebt haben, ist nach dem Coming Out. Für uns waren diese Personen schon immer trans. Sie selbst wussten es nicht immer.
Dann gilt immer auch: Bevor wir out waren, wir wussten, wer sind und wer wir nicht sind, war nicht alles schlecht. Es gab Momente, an denen es uns gut ging, vielleicht gab es Momente, an denen wir etwas ahnten und vor allem gibt es auch Momente, an denen wir im Nachhinein sagen, hier, da hätten wir das schon wissen können oder es sind Erinnerungen und Fotos, an denen wir schon damals ungewollt, irgendwie passen. Und diese Momente heben wir für uns hervor, weil sie die Teile unserer Vergangenheit sind, die uns nicht dysphorisch machen können, weil wir unser wirkliches ich da schon wahrnehmen können. Und es sind auch die Erinnerungen, die wir gerne teilen. Aber unser Leben bestand nicht nur aus diesen Momenten.
Als letzten Punkt kommt noch dazu, dass für Gutachten und Rechtfertigung vor Ämtern, Behörden und Gerichten häufig Lebensläufe verlangt werden, aus denen hervorgeht, dass wir wirklich trans sind. Das ist ziemlicher Unfug, aber führt dazu, dass wir darin gerade die Erinnerungen und Aspekte noch stärker hervorheben, die Indizien sein könnten, die für uns sprechen.

Und all das formt die Wahrnehmung nach außen, wie richtig trans sein geht. Nur. Es gibt hier kein richtig und falsch. Dazu kommt, dass Geschlecht auch nichts festes ist und sich im Lauf des Lebens verändern kann. Menschen, deren Geschlecht sich Mitte dreißig erst ändert, sind nicht weniger trans als die, die es schon vor der Pubertät wussten. Wir sind bunt. Wir sind verschieden. Und wir dürfen das.

Liebe Grüße
Xenia

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